Was wir von 2021 erwarten dürfen

Die großen technologischen Trends gehen weiter

2020 war auch für die Wissenschaften ein außergewöhnliches Jahr. Wie für die meisten Menschen hielt das Covid-Virus auch die Forscher weltweit in Atem. Eine bisher nie gesehene Menge an wissenschaftlichen Ressource wurde auf die Erforschung von Sars-CoV-2 gelenkt, um das Virus, seine Verbreitung, seine Schäden im menschlichen Körper und nicht zuletzt die Möglichkeiten seiner Bekämpfung besser zu verstehen.

87.000 Einträge zum Stichwort "Covid-19" lassen sich in den Datenbanken der medizinischen Publikationen des Jahres 2020 finden. Und all diese Arbeit mündete in einen nicht weniger außergewöhnlichem Erfolg: Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Corona-Virus ist nichts weniger als einer der größten Triumphe der Wissenschaften der letzten Jahre.

Und dies in einem Jahr laut artikulierter Wissenschaftsskepsis bis -feindlicheit in illiberalen und rechtspopulistischen Kreisen, von der Trump-Administration, über die deutsche AfD, bis hin zu großen Teilen der schweizerischen SVP, angeführt von ihrem Protagonisten Roger Köppel.

Was erwartet uns dieses Jahr von Seiten der Wissenschaften im Hinblick auf neue technologische Entwicklungen? Wir wollen fünf bedeutende Technologien und wissenschaftliche Forschungsgebiete beleuchten, die auch 2021 bedeutende Fortschritte machen könnten.

I. Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) bewältigt heute nicht mehr nur ausschließlich den spezifischen Zweck, für den sie jeweils geschaffen wurde, zum Beispiel Schach spielen, Datenbanken durchstöbern oder Gesichter erkennen. Die der heutigen KI zugrundeliegenden Lern-und Optimierungsverfahren, das so genannte "deep learning", ermöglichen eine massive maschinelle Intelligenzsteigerung in die Breite.

Das betrifft auch immer mehr Bereiche, die die meisten Menschen heute noch immer als unumstößliche Domänen menschlicher Fähigkeit ansehen: Intuition, Kreativität oder das Erfassen von Emotionen anderer Menschen. Gerade letzteres wird wohl bereits in den nächsten Jahren eine Standardfähigkeit von KI-Systemen sein. KI-Programmierer sprechen von "affective computing". Können schon bald Maschinen unsere Emotionen besser erkennen als andere Menschen dies tun?

In gesellschafts- und weltpolitischer Hinsicht hat die weitere Entwicklung der KI eine große Bedeutung: Das Land mit der am weitesten entwickelten KI wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zur dominierenden wirtschaftlichen und militärischen Macht auf diesem Planeten aufsteigen. Zurzeit kämpfen zwei Länder um die globale KI-Vormachtstellung: die USA und China. China hat dabei in den letzten Jahren stark aufgeholt und setzt unterdessen sogar zum Sprung auf Platz 1 an.

Die Europäer wurden in diesem Rennen längst abgehängt und zu Statisten degradiert. Die Grundlage des Vorsprungs der Amerikaner und Chinesen sind nicht schlauere Forscher, bessere KI-Algorithmen oder bessere Computer-Programmierer, sondern schlicht und einfach die Verfügbarkeit von Daten. Daten gelten als "das Öl des 21. Jahrhunderts".

So entwickelt sich immer mehr eine Welt der totalen Vernetzung, in der unsere Privatsphäre zu verschwinden droht. Längst ist mit entsprechender Software für Gesichts- und Bilderkennung und einem dichten Netz von Kameras die Erstellung von Bewegungsprofilen einzelner Menschen in Echtzeit kein Problem mehr.

Was uns blüht, wenn es keine demokratische Kontrolle des Staates gibt, und wie weit vollständig unkontrollierte manipulative Datenverwendung und die Fütterung von KI-Algorithmen gehen kann, zeigt das Beispiel China. Wir sollten auch 2021 auf der Hut sein.

II. Quantencomputer

Lange waren Quantencomputer Stoff für Science-Fiction. Alleine der Begriff erscheint den meisten Menschen so unheimlich-bizarr wie aufregend-futuristisch, kombiniert er doch die technologische Allmacht des digitalen Rechnens mit der ehrfurchteinflößenden Komplexität und Abstraktheit der bedeutendsten physikalischen Theorie des 20. Jahrhunderts.

Doch in der heutigen Realität verspricht die Entwicklung des Quantencomputers eine neue technologische Revolution, die das 21. Jahrhundert ähnlich stark prägen könnte, wie dies die Entwicklung digitaler Schaltkreise für das 20. Jahrhundert tat. Bereits im Herbst 2019 gab Google bekannt, dass seinen Ingenieuren die Konstruktion eines Quantencomputers gelungen sei, der zum ersten Mal ein Problem lösen kann, an dem sich jeder herkömmliche Computer die Zähne ausbeißt.

Hier handelte es sich noch eher um einen symbolischen Meilenstein, denn das Problem war noch von stark akademischer Natur. Doch schon 2021 könnten wir Zeuge eines neuen Sputnik-Moments in der Informationstechnologie werden, in Form eines Quanten-prozessors mit mehr als 100 Qubits, der echte Quantenüberlegenheit erreicht. Dies wiederum könnte fünf verschiedene Felder dramatisch beeinflussen:

      1. Kryptographie: Heute gängige Verschlüsselungen beruhen auf der Re-Faktorisierung der Produkte zweier sehr großer Primzahlen. Ab einer bestimmten Zahlengröße ist diese Aufgabe für einen klassischen Computer nicht mehr zu lösen. Ein Quantencomputer könnte dies in Minuten schaffen.
      2. Lösung komplexer Optimierungsaufgaben: Die Aufgabe, aus vielen Varianten die optimale Lösung zu finden, gilt unter Mathematikern als besonders knifflig. Solche Probleme treten in der industriellen Logistik, im Design von Mikrochips oder auch in der Optimierung von Verkehrsflüssen auf. Bereits bei einer geringen Zahl von Varianten steigen klassische Computer bei der Berechnung optimaler Lösungen aus. Quantencomputer könnten solche Optimierungsprobleme dagegen in vergleichsweise kurzer Zeit lösen.
      3. Künstlichen Intelligenz: Die hier verwendeten "tiefen neuronale Netze" sind mit harten kombinatorischen Optimierungsproblemen verbunden, die von Quantencomputern weitaus schneller und besser gelöst werden können als von klassischen Computern.
      4. Suche in großen Datenbanken: Beim Durchsuchen unsortierter Datenmengen muss ein klassischer Computer jeden Datenpunkt einzeln betrachten. Die Suchdauer steigt daher linear mit der Anzahl der Datenpunkte und wird damit bei großen Datenmengen für einen klassischen Computer schnell zu groß. Mit einem Quantencomputer würde die Suchdauer nur noch einem Wurzelgesetz folgen. Anstatt bei einer Milliarde Dateneinträgen tausendmal so lange zu brauchen wie bei einer Million, würde ein Quantencomputer nur noch etwas mehr als 30-mal so lang brauchen - im Falle sehr großer Zahlen eine atemberaubende Verbesserung.
      5. Auffinden neuer chemischer Verbindungen: Auch bei der Simulation von Quantensystemen kommen immer wieder komplexe Optimierungsprobleme vor, bei denen es darum geht, aus vielen Alternativen die bestmögliche, d.h. energetisch günstigste Konfiguration der Elektronen in komplexen Molekülen oder Atomverbänden zu finden.

Für herkömmliche Computer sind die entsprechenden Quantengleichungen zu schwierig. Quantencomputer könnten das Verhalten der beteiligten Elektronen dagegen direkt abbilden, da sie sich selber wie ein Quantensystem verhalten. Mit dem damit möglichen besseren Verständnis von Molekülen und den Details ihrer chemischen Reaktionen ließen sich beispielsweise neue Medikamente oder auch weit effizientere Batterietechnologien entwickeln

Auch hier gilt es für Europa, den Fortschritt der USA und zunehmend auch den von China aufzuholen.

III. Kernfusion

Ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit machen die Wissenschaftler unterdessen auf einem Gebiet Fortschritte, das die Probleme der globalen Energieversorgung ein für alle Mal lösen könnte: die friedliche Nutzung der Kernfusion. Dabei geht es um nichts weniger als den Traum, unbegrenzte, saubere und sichere Energie aus der thermonuklearen Fusion von Atomkernen einzulösen, dieselbe, die unsere Sonne und die Sterne antreibt.

Neben dem mit massiven öffentlichen Geldern geförderten Mammutprojekt ITER im französischen Cadarache, das ab 2030 mit ersten Ergebnissen aufwarten soll, haben sich unterdessen auch einige privat finanzierte Unternehmen der Fusionsforschung verschrieben. Sie gehen dabei allerdings andere Wege als die ITER-Forscher. Mit alternativen und sehr viel kleineren Reaktortechnologien wollen sie bereits in den nächsten Jahren Strom aus Fusion gewinnen, und damit weit früher als ITER. Hier bahnt sich ein öffentlich-privater Wettlauf um die beste Lösung für die Fusionstechnologie an.

Modell des Iter-Reaktors nach dem Tokamak-Prinzip. Bild: IAEA Imagebank / CC BY-SA-2.0

Wären wir tatsächlich eines Tages in der Lage, Energie wie die Sonne zu produzieren und uns damit Zugang zur effizientesten, sichersten und umweltfreundlichsten Energieform, die die Natur bietet, zu verschaffen, so wäre dies sicher nicht nur ein weiterer großer technologischer Fortschritt, sondern vielmehr ein zivilisatorischer Sprung, der gleichzusetzen wäre mit der Erfindung der Dampfmaschine, die uns vor 250 Jahren die Energie gab, unsere Gesellschaft komplett umzukrempeln. Es lohnt sich also, die Zwischenergebnisse aus diesem Rennen auch im Jahr 2021 zu verfolgen.

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