Milliarden-Klagen von Unternehmen verschärfen Klimakrise

Symbolbild: RWE-Tagebau Garzweiler; Foto: Chris06/gemeinfrei

Die Energie- und Klimawochenschau: Energiecharta-Vertrag, RWE vor Gericht, Bidens Klimaschutzpläne und der Klimawandel als Pandemietreiber

Im Zuge der Klimaerwärmung schmelzende Gletscher führen nicht nur zu einem Anstieg des Meeresspiegels, der höher ausfallen könnte, als bislang befürchtet, sie werden auch zu einer wachsenden Gefahr für Menschen in den Bergregionen.

Im nordindischen Teil des Himalaya forderte ein Gletscherabbruch am Wochenende bislang mindestens 26 Todesopfer, 171 Menschen wurden am Montag noch vermisst, die Rettungsarbeiten dauern an. Der abgebrochene Teil eines Gletschers war in den Fluss Dhauliganga gestürzt und hatte eine Flutwelle ausgelöst, die unter anderem einen Staudamm zum Einsturz brachte.

Ähnliche Befürchtungen bestehen seit längerem im peruanischen Huaraz, auf 3000 Metern Höhe in den Anden und unterhalb des Sees Palcacocha gelegen. Der See wiederum wird vom Palcaraju-Gletscher gespeist - der ihn durch schnelleres Abschmelzen bereits erheblich hat anwachsen lassen und bei einem Gletscherabbruch eines Tages zum Überlaufen bringen könnte.

Unterstützt von der Organisation Germanwatch klagte der Landwirt und Bergführer Saúl Luciano Lliuya aus Huaraz 2015 gegen das deutsche Unternehmen RWE, sich mit 17.000 Euro an Schutzmaßnahmen für die Stadt Huaraz zu beteiligen. Dieser Betrag errechnete sich aus RWEs Anteil von rund 0,5 Prozent an der von Menschen verursachten globalen Erwärmung. Die Klage war zunächst vom Landgericht Essen abgelehnt worden, das Oberlandesgericht Hamm ließ im Jahr 2017 die Beweisaufnahme zu.

Eine wissenschaftliche Studie liefert nun neue Beweise für den direkten Zusammenhang zwischen dem menschengemachten CO2-Ausstoß und der Klimaerwärmung in den peruanischen Anden, die zu einer verstärkten Gletscherschmelze führt. Die Wissenschaftler der Universitäten Washington und Oxford weisen in ihrer Untersuchung nach, dass menschliche Aktivitäten zu 95 Prozent die Ursache für die Erwärmung in der Region des Palcaraju-Gletschers um 1 Grad Celsius seit dem Jahr 1880 sind und zu 99 Prozent Ursache des Abschmelzens des Gletschers.

Die Anwältin von Lliyua betont, dass es sich um eine unabhängige wissenschaftliche Studie handelt. Die Ergebnisse würden nun ausgewertet und gegebenenfalls in das Verfahren eingebracht.

Die Studie ist aber nicht nur ein positives Signal für den Peruaner Lliuya und die Einwohner von Huaraz. Denn, obwohl hier der konkrete Fall des Palcaraju-Gletschers untersucht wurde, sei die Methodik auf andere Bergregionen übertragbar, meint Co-Autor Gerard Roe.

"Wir glauben, dass unsere Studie die erste ist, die Zusammenhänge zwischen dem anthropogenen Klimawandel und der Veränderung der Gefahr von Gletscherfluten vollständig berechnet."

Um die 17.000 Euro dürfte es in diesem Verfahren weniger gehen als um einen Präzedenzfall. Gelänge es, RWE hier für seinen Anteil verantwortlich zu machen, dann ließe sich das auch auf andere große Unternehmen der fossilen Branche übertragen. Und, wie erläutert, auch auf andere Regionen der Welt mit ähnlichen Problematiken.

RWE: Entschädigungen für Kohleausstieg

Um weitaus größere Beträge, nämlich 2 Milliarden Euro, geht es bei der Klage, die das Unternehmen RWE vergangene Woche vor einem internationalen Schiedsgericht gegen die Niederlande eingereicht hat. So viel Entschädigung möchte das Unternehmen vom niederländischen Staat für die Stilllegung seiner beiden Kohlekraftwerke in dem Land in den Jahren 2025 und 2030 haben. Das niederländische Parlament hatte im Dezember 2019 ein Gesetz zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 beschlossen.

Mit seiner Klage vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank (ICSID) bezieht sich RWE auf den Energiecharta-Vertrag. Auch Uniper hat angekündigt, gegen den niederländischen Staat klagen zu wollen.

Der Energiecharta-Vertrag wird immer wieder von Unternehmen genutzt, um in Schiedsverfahren Entschädigungen von Staaten einzuklagen, bzw. vor dem Hintergrund von Schadensersatzforderungen Genehmigungen zu erzwingen, Vattenfall nutzte den Energiecharta-Vertrag beispielsweise, um eine Genehmigung für das Steinkohle-Kraftwerk Moorburg zu erzwingen und verlangte Milliarden als Entschädigung für den Atomausstieg.

Von zivilgesellschaftlichen Organisationen wird der Vertrag schon lange als Hindernis für den Klima- und Umweltschutz betrachtet.

"Die Klage verdeutlicht die Gefahr, die der Energiecharta-Vertrag für die Bekämpfung der Klimawandels. Er ermöglicht es Investoren Milliarden-Klagen gegen dringende Klimaschutzmaßnahmen einzureichen und verschärft so die Klimakrise. Die Bundesregierung muss nun endlich die Reißleine ziehen und aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigen", erklärt Fabian Flues von Power-Shift anlässlich der jüngsten Klage.

Schnellstart in der Klimapolitik

Nach der Abwahl des Klimawandelleugners Donald Trump und den Versprechungen seines Amtsnachfolgers Joe Biden in Sachen Klimaschutz, lässt sich die Frage stellen, welche Klimaschutzmaßnahmen vom neuen US-Präsidenten tatsächlich zu erwarten sind, bzw. dieser auch politisch durchsetzen kann. Bereits am 27. Januar hat Biden ein Dekret zu umfassenden klimapolitischen Maßnahmen erlassen.

In dem Dokument kündigt der Präsident an, dass das Land sich wieder an verschiedenen Gipfeln und Gremien der internationalen Klimadiplomatie beteiligen wird und den nationalen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen einzureichen. Die USA waren im November 2020 offiziell aus dem Abkommen ausgetreten und sind nun erneut beigetreten.

Klimaschutz soll in der neuen Administration zu einer Querschnittsaufgabe erhoben werden, die von allen Ressorts berücksichtigt werden soll. Es soll eine Klima-Task-Force entstehen, die sich um die Umsetzung der Klimaziele kümmern soll. Mit John Kerry hat der Präsident bereits einen Sondergesandten für das Klima eingesetzt. Insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik soll der Klimawandel stärkere Beachtung finden, wie die Energieexpertin und Politikberaterin Alice Hill bei einem von der Bundestagsfraktion der Grünen veranstalteten Fachgespräch erklärte.

Die USA werden dabei ihre Rolle in Hinblick auf Flucht und Migration aus Klimagründen klären müssen. Erst kürzlich haben sich wieder Tausende von Menschen aus Zentralamerika, überwiegend dem stark von Hurrikans geschädigten Honduras auf den Weg in die USA gemacht. Biden lässt derzeit auch überprüfen, inwiefern der Klimawandel als Fluchtgrund anerkannt werden kann.

Auf nationaler Ebene will Biden Investitionen in den Bereich von sauberer Energie, Mobilität und Gebäuden lenken. Es soll eine Stromversorgung ohne fossile Energien bis zum Jahr 2035 angestrebt werden, die Fahrzeugflotten von Behörden sollen auf "Null-Emissionen" umgestellt werden, Flächen für die erneuerbare Energieerzeugung an Land und Offshore sollen identifiziert werden.

Bemerkenswert ist ein Moratorium für die Vergabe von Öl- und Gasförderlizenzen. Hier sollen Klima- und andere Umwelteinflüsse zunächst neu betrachtet werden. Subventionen für fossile Energien sollen abgebaut werden.

Wiederaufforstung und die Ausweisung von Naturschutzgebieten finden ebenso Erwähnung wie eine klimaangepasste Landwirtschaft. Öffentliche Investitionen in den Klimaschutz sollen zu 40 Prozent gesellschaftlich benachteiligten Gruppen zugutekommen.

Dies ist nur ein Ausschnitt aus einem umfassenden Katalog, der innerhalb der nächsten Monate bis maximal einem halben Jahr in die Praxis umgesetzt und überprüft werden soll. Ob dies alles zu Maßnahmen führt, mit denen die USA ihren Anteil am Pariser Klimaabkommen leisten kann, wird sich zeigen. Mit Spannung wird dabei auf den "Climate Leaders' Summit" geschaut, den Biden am 22. April veranstalten möchte.

Grüne für transatlantische Zusammenarbeit im Klimaschutz

Die Bundestagsfraktion der Grünen beschäftigt sich derweil schon mit Fragen der transatlantischen Zusammenarbeit im Klimaschutz, wahrscheinlich im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im September und haben dafür ein Strategiepapier vom Thinktank adelphi entwickeln lassen. Eine grüner Wiederaufbau der Wirtschaft soll demnach langfristig und auch transatlantisch ausgerichtet werden, CO2-Preise und grüne Finanzmärkte sollten zur Verlagerung von Investitionen führen.

Aber nicht nur mit der neuen Biden-Administration sollte nach Ansicht der Grünen zusammengearbeitet werden, sondern mit den zahlreichen bereits bestehenden Initiativen zum Klimaschutz aus der Zivilgesellschaft und auf der Ebene von Bundesstaaten oder einzelnen Städten.

Was die Etablierung von Emissionshandelssystemen auf beiden Seiten des Atlantiks angeht, wird vermutlich die Frage von Schutzmechanismen für die jeweiligen Stahlindustrien eine Rolle spielen, meint der luxemburgische Minister für Energie und Raumentwicklung, Claude Turmes, der ebenfalls Gast beim Fachgespräch der Grünen war. In Bezug auf grüne Finanzmärkte wäre die Frage zu stellen, wie der bestehende Schutz von fossilen Investitionen abgebaut werden kann (wie er beispielsweise über den oben angeführten Energiecharta-Vertrag gewährt wird).

Angesichts der diesjährigen Klimakonferenz in Glasgow erwartet er von den USA große Ambitionen. Nicht nur bei den nationalen Reduktionszielen müsse es dort voran gehen, sondern auch beim internationalen Emissionshandel sowie bei der Klimafinanzierung.