Lindner: "Viele Menschen hätten sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt"

Grafik: TP

Merkel verteidigt die Lockdown-Fortsetzung im Bundestag als "ein paar Tage länger warten"

Heute Vormittag verteidigte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihre gestern zusammen mit den Regierungschefs der deutschen Bundesländer beschlossene Fortsetzung des Corona-Lockdowns bis vorerst 7. März (vgl. "Ewig-Endlos-Lockdown"?). Ihren Worten nach ist die "notwendige Trendumkehr" mit den aktuellen Inzidenzwerten zwar "gelungen", aber nun gebe es mit den "aggressiveren" Virusvarianten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien die erneute Gefahr eines "exponentiellen Wachstums".

Merkel: "auch in Zukunft weitere unerfreuliche Entwicklungen" möglich

Sie wisse zwar, "wie viele Menschen in Not sind", "wie sehr der Einzelhandel leidet" und was für eine "schwere persönliche Belastung [die] gravierenden Einschränkungen der Freiheit" sind, aber sie glaube auch, dass ein erneutes Schließen wegen so eines "exponentiellen Wachstums" durch die Mutationen nach einer zeitweiligen Öffnung belastender wäre als "ein paar Tage länger zu warten". Allerdings könne es durch weitere Mutationen "auch in Zukunft weitere unerfreuliche Entwicklungen geben".

Außer der Verlängerung verteidigte Merkel auch ihre Impfpolitik. Dass viele Bürger davon "enttäuscht" seien, liege an den damit verbundenen "großen Erwartungen". Bei den Überbrückungshilfen für lockdowngeschädigte Unternehmen habe man trotz der erst gestern freigeschalteten Möglichkeit zum Stellen von Anträgen "das eingehalten, was versprochen wurde". Mit Geld könnten die Geschädigten aber erst im März rechnen.

Kubicki: "offener Rechtsbruch" und "evident verfassungswidrig"

Aus den Reihen der Opposition kritisierte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner die Beschlüsse, zu denen sich das Parlament erst nach geschaffenen Fakten äußern durfte, unter anderem mit dem Satz: "Viele Menschen hätten sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt". Seiner Ansicht nach ist die Exekutive zu sehr auf das Instrument Lockdown fixiert und lässt Alternativen dazu außer Acht.

Lindners Stellvertreter Wolfgang Kubicki hatte sich kurz vor der Rede gegenüber der Presse weniger Zurückhaltung auferlegt und den Regierungschefs wegen der "nahezu unveränderten" Beibehaltung von für eine 200er-Inzidenz eingeführten Maßnahmen bis zu einem Inzidenzwert von 35 einen "offenen Rechtsbruch" vorgeworfen. Auch, "dass plötzlich die Ministerpräsidentenkonferenz über die Impfreihenfolge befinden soll", ist seinen Worten nach "evident verfassungswidrig", weil dies "eindeutig in die Zuständigkeit des Bundestages" gehöre.

Bartsch: Merkel pflegt "Papstattitüde der Unfehlbarkeit"

Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung dazu nur kurz gemeint, "alle Maßnahmen" seien "gemäß den Regeln der Demokratie" beschlossen worden. Für Dietmar Bartsch, den Fraktionschef der Linken, ist das "inakzeptabel". Er warf der Kanzlerin darüber hinaus "Selbstgefälligkeit" und eine "Papstattitüde der Unfehlbarkeit" vor, die auch angesichts des Impfversagens und des massenhaften Sterbens in den Pflegeheimen "unangebracht" sei. Inhaltlich ähnlich äußerte sich Alice Weidel von der AfD, die von einer "dreisten Zurschaustellung der Arroganz der Macht" sprach.

Sehr viel weniger oppositionelle Töne kamen aus den Reihen der Grünen. Für sie rief Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt die Regierung auf: "Lassen Sie uns das zusammen machen ohne sich gegenseitig anzumeckern". Die "Beschränkungen" haben für die Theologiestudiumsabbrecherin auch den Effekt, "dass wir sehen, was uns was bedeutet". Außerdem glaubt sie, "dass uns diese Pandemie noch lange beschäftigen wird".

Dobrindt stellt "angespanntere Stimmung" bei "persönlichen Begegnungen" fest

Sprecher der drei Regierungsparteien flankierten Merkels Aussagen und Beschlüsse. Alexander Dobrindt von der CSU konstatierte zwar eine "angespanntere Stimmung", die er bei "persönlichen Begegnungen" feststelle - aber das Verschieben umfangreicherer Lockerungen auf den neuen Inzidenzwert 35 hält er trotzdem für richtig, weil "50 nur Zahl des Einstiegs in den Lockdown" sei und deshalb "nicht die Zahl des Ausstiegs aus dem Lockdown sein" könne. Da müsse eine "deutlich niedrigere Zahl" her.

Bei seiner Feststellung, dass Merkel und die Ministerpräsidenten mit der 35 eine "klare Perspektive für den Einstieg in den Ausstieg aus dem Lockdown gegeben" haben, hatte sich der Oberbayer mit dem ostpreußischen Namen möglicherweise nicht mit seiner Fraktionskollegin Nadine Schön abgesprochen. Die CDU-Abgeordnete mit dem hinreißendem moselfränkischen Akzent schien nämlich mit dem Satz, Perspektiven seien "nur dann gut, wenn sie wirklich tragfähig sind", das Gegenteil zu behaupten.

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