Mogelpackung Elektromobilität

Bild: Roberto Nickson/Pexels

Das rasante Wachstum elektrisch betriebener Fahrzeuge stellt eine klimapolitische Sackgasse dar

Befindet sich Europa auf dem besten Weg ins gelobte Elektrowunderland? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) thematisierte Anfang März eine jüngst publizierte Studie, der zufolge die EU dabei sei, durch den massiven Aufbau von Fabriken den eigenen Bedarf an Autobatterien decken zu können.

Gerade Deutschland, wo rund die Hälfte der europäischen Produktionskapazitäten entstehen solle, würde so zur "Batteriezellenfabrik Europas" aufsteigen, titelte die Zeitung.

Insgesamt seien 22 neue Standorte zur Produktion von Batteriezellen, sogenannte "Gigafactories", in der Europäischen Union geplant, wodurch bis 2030 rund 100.000 neue Arbeitsplätze entstünden. Somit würde ein Teil der Arbeitsplatzverluste abgefedert, die bei der Abwicklung der fossilen Antriebe anstehen. Die Batteriezelle sei eine "Schlüsselkomponente" bei dem geplanten Umstieg auf elektrisch betriebene Fahrzeuge, auf die "ungefähr 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung" entfalle.

Die von der Zeitung zitierte Studie des Brüsseler Klimaschutzverbands Transport & Environment (T&E) geht davon aus, dass sich die Produktionskapazität bei Batteriezellen im Rahmen dieser europäischen "Investitionsoffensive" mittelfristig nahezu verzehnfachen werde: von 49 Gigawattstunden 2020 auf 460 Gigawattstunden im Jahr 2025. Dies würde reichen, um rund acht Millionen E-Autos pro Jahr zu fertigen.

Der prognostizierte Aufbau von Gigafactories würde mit einem rasch ansteigenden Absatz von Elektroautos und Plug-in-Hybriden einhergehen. Aufgrund staatlicher Prämien, die bis zu 9.000 Euro pro Fahrzeug betragen können, sind die Verkäufe von E-Autos und Hybridfahrzeugen im vergangenen Jahr regelrecht explodiert: um 264 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Aufgrund der üppigen Subventionen wurden in der Bundesrepublik 2020 rund 395.000 Elektroautos und Hybride zugelassen, wodurch die USA - wo ähnliche Förderungen im vergangenen Jahr ausliefen - bei den Neuzulassungen in diesem Segment überholt wurden. In den Vereinigten Staaten kamen rund 322.000 neue Elektrofahrzeuge auf die Straßen. Indessen ist China mit weitem Abstand führend beim Ausbau der Elektromobilität. Rund 1,25 Millionen Neuzulassungen von Stromern und Hybriden wurden im vergangenen Jahr in der Volksrepublik verzeichnet, was nur von der gesamten EU überboten werden konnte, wo 1,37 Millionen E-Fahrzeuge erworben wurden.

Viele Milliarden fließen somit in Batteriefabriken und Kaufprämien für Elektrofahrzeuge. Ist das eine gute Nachricht für das Klima? Entsteht gerade ein neuer, "ökologischer" Wirtschaftszweig, der kapitalistisches Wachstum und Klimaschutz vereinen würde?

Die Idee hinter dem forcierten Ausbau der Elektromobilität, der nicht zuletzt mit gigantischen Aufwendungen an Steuergeldern finanziert wird, besteht ja gerade in der Zielsetzung, hierdurch die drohende Klimakatastrophe abzuwenden, indem der Ausstoß von Treibhausgasen rasch gesenkt würde. Der Kapitalismus mit seinem uferlosen Wachstumsdrang würde so aus der Wirtschafts- wie Klimakrise buchstäblich "herauswachsen".

Schmutzige Geheimnisse im Elektrowunderland

Ein Blick unter die Haube des herbeigesehnten Elektrobooms lässt indes schnell Zweifel aufkommen. Tatsächlich ist zumindest die Produktion von Elektroautos weitaus klimaschädlicher als die Herstellung fossiler Verbrenner - und es sind gerade die Batteriezellen, die als besonders umweltschädlich gelten.

Untersuchungen zur Ökobilanz von Elektroautos gehen davon aus, dass die Fertigung eines Auto-Akkus mit 35 kWh Leistung rund fünf Tonnen Treibhausgase zur Folge hat. Folglich fallen bei der Produktion von E-Autos im Schnitt zehn bis 12 Tonnen CO2 an, während es bei Verbrennern sechs bis sieben Tonnen sind.

Hinzu kommt, dass für die Batteriezellen endliche und aufwendig zu fördernde Rohstoffe benötigt werden - wie etwa Lithium, Nickel oder Kobalt, was die Umweltbilanz von E-Autos noch weiter verschlechtert. Die Herstellung des Akkus, also gerade der Komponente, die laut FAZ einen besonders großen Teil der "Wertschöpfung" beim Elektroauto ausmacht, ist somit besonders klimaschädlich. Die Schlussfolgerung liegt somit nahe, dass kapitalistische Wertschöpfung und Ressourcen- wie Energieverbrauch sich in einer engen kausalen Beziehung befinden.

Ein Paradebeispiel für die klimapolitische Schizophrenie des E-Autos stellt gerade die gigantische Fabrik dar, die Tesla in Brandenburg errichtet - sie wird nicht mit regenerativen Energien betrieben, sondern mit einem fossilen Gaskraftwerk, das auf dem Werksgelände errichtet wird.

Dem enormen Ausstoß von Treibhausgasen bei der Herstellung steht aber unzweideutig eine weitaus bessere Bilanz des E-Autos im Straßenbetrieb gegenüber, dessen CO2-Ausstoß von dem Energiemix abhängig ist, der zur Herstellung des Stroms aufgewendet wird. Je länger ein Elektroauto unterwegs ist, desto stärker amortisieren sich folglich die hohen Emissionen von Treibhausgasen bei seiner Produktion.

Ältere Schätzungen nennen eine durchschnittliche Gesamtstrecke von 127.000 Kilometern, die im Schnitt in achteinhalb Jahren zurückgelegt werden, ab der ein Elektroauto in seiner Gesamtbilanz weniger klimaschädlich sei als ein fossiler Verbrenner. Aktuelle Prognosen, die von einem besseren Energiemix als Basis ausgehen - bei dem also der Anteil fossiler Energien niedriger ist -, zeichnen ein etwas besseres Bild.

Demnach würde beim heutigen Anteil fossiler Energieträger, der bei rund 40 Prozent liegt, ein Elektroauto ab 80.000 Kilometern eine bessere Klimabilanz als ein Diesel aufweisen, bei Benzinern wäre es schon ab 63.000 Kilometern der Fall. Würden die E-Autos tatsächlich nur mit "Ökostrom" betrieben, so wäre der ökologische "Break-Even-Point" beim Diesel nach 40.000 Kilometern erreicht, beim Benziner wären es 35.000 Kilometer.

Der Verkehrsexperte und Buchautor Winfried Wolf gibt aber zu bedenken, dass die massive Verbreitung von Elektroautos auch den Strombedarf ansteigen lassen werde, was wiederum den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern verlangsamen dürfte.

Selbst das Umweltbundesamt geht davon aus, dass moderne, ab 2025 zugelassene Elektroautos im gesamten Lebenszyklus nur 32 Prozent weniger CO2-Emissionen produzieren als Verbrenner.

Zudem halten ja die Akkus der E-Autos nicht ewig - was jeder Smartphone- und Notebookuser aus eigener Erfahrung kennt. Auch wenn die betuchten Käufer der Spitzenmodelle oft Glück haben bei der großen Akkulotterie, gewährt Tesla beim günstigen Modell 3 eine Garantie für die Batteriezellen von rund acht Jahren und 160.000 Kilometern. Damit ist die Hälfte der Garantie bereits abgelaufen, wenn das Modell 3 endlich im Betrieb eine bessere CO2-Bilanz aufweist als ein Benziner.

Der BMW i3 erzielte bei einem Langzeittest nach 100.000 Kilometern nur noch eine Reichweite von 107 Kilometern, während es zu Beginn 167 Kilometer waren. Das bedeutet, dass der vermeintlich ökologische Vorteil des Elektroautos, der sich erst nach langer Betriebsdauer manifestiert, durch die rasch abnehmende Zuverlässigkeit der Akkus beschränkt wird. Zudem gestaltet sich auch das Recycling der alten Akkus energieintensiv, so dass hier weitere Emissionen anfallen.