Atommächte gegen neue Atombomben, aber für eigene Massenvernichtungswaffen

USA gegen Iran: keine Nuklearwaffen für den Störenfried! (Teil 2 und Schluss)

Wer über die kriegsentscheidende Atombombe verfügt und sie an ihr Ziel zu bringen vermag, muss nur eines fürchten: dass das der Gegner auch kann. Dann herrscht das "atomare Patt". Die Drohung mit der Vernichtung würde entwertet, weil man mit der eigenen Vernichtung rechnen müsste. Dieses militärstrategische Dilemma hat jedoch die Nuklearmächte keineswegs zu der friedensstiftenden "Abschreckung" geführt, mit der landläufig deren Verhältnis untereinander gekennzeichnet wird. Vielmehr ist und bleibt diese Situation ein ständiger Stachel, Möglichkeiten zu finden, dennoch in einer Auseinandersetzung den Sieg zu erringen.

Prominentester Versuch waren die Überlegungen der USA unter Präsident Ronald Reagan in den 1980er-Jahren, die russischen Interkontinentalraketen aus dem Weltraum heraus frühzeitig abzufangen, die Sowjetunion damit nuklear de facto zu entwaffnen. Aus dem Plan wurde zwar einstweilen nichts, aber die Idee ist sicher nicht aus der Welt.

Auch unterhalb des großen Atomkrieges arbeiten die Staaten an weiteren Optionen: Könnte man nicht kleinere nukleare Waffen entwickeln, mit begrenzter Schadenswirkung, aber dennoch kriegsentscheidender Wucht? Man könnte, und man tut es.

Umso mehr, als man bis heute weitgehend unter sich geblieben ist. Die Ausnahmen Indien und Pakistan werden aus Sicht der "Großen" als bislang nicht strategisch relevant erachtet und Israel unter der Schirmherrschaft der USA offiziell nicht zur Kenntnis genommen als Nuklearmacht. Nordkorea hingegen wird ähnlich hart angegangen wie der Iran. Auch dieser Staat gilt als Störenfried in seiner Region, und der verfügt sogar bereits über das Potenzial für den Abschuss von Atomsprengköpfen.

Eine Welt ohne Nuklearwaffen hat der Atomwaffensperrvertrag nie beabsichtigt. Vielmehr verband die Inhaber der überragenden Waffentechnik das Interesse, die übrigen Staaten von militärisch nutzbarer Nukleartechnik auszuschließen. Damit wurde der Besitz der "letzten Waffe" in den wenigen Händen dauerhaft gesichert.

So ist zu erklären, warum mitten im Kalten Krieg zwischen West und Ost und angesichts einer aufstrebenden Nation im Fernen Osten sich bis auf die Zähne bewaffnete und verfeindete Staaten zusammentaten. An Neulingen in der atomaren Konkurrenz hatten auch die Sowjetunion und Maos China kein Interesse. Deren Nachfolgestaaten sehen das genauso.

Zivile Nutzung der Atomtechnik sollte hingegen erlaubt sein. Die Weltmächte erklärten, dies auch zu unterstützen – gewissermaßen als Belohnung für den Verzicht. Und sie beteuerten, ihrerseits atomar abrüsten zu wollen.

An ihrer weiter strategisch unanfechtbaren Stellung gegenüber den etwa 190 übrigen Nationen hat sich indes seither nichts geändert. Unerwünschte Versuche, die zementierte Hierarchie aufzubrechen, werden bekämpft – siehe Nordkorea und Iran.

Andere Staaten wissen durch ihre Mitgliedschaft in einem Militärbündnis die Atommacht hinter sich und haben so Teil an ihrer Durchschlagskraft – zum Beispiel Deutschland auf dem Wege der "nukleare Teilhabe" in der Nato mit ihren Mitgliedern USA, Großbritannien und Frankreich.

Verbot von Atomwaffen? Nicht mit Deutschland!

Einige Staaten vom größeren Rest versuchen es mit moralischem Druck: Da es mit der im Sperrvertrag versprochenen Abrüstung nicht voranging, setzten Länder wie Mexiko, Brasilien, Thailand, Malaysia, Südafrika und Österreich auf die allgemeine Ächtung durch einen "Atomwaffenverbotsvertrag".

Mit vielen anderen Staaten brachten sie die Idee in die Vereinten Nationen (Uno) ein. Der Vertrag trat tatsächlich nach der Ratifizierung durch den 50. Staat Anfang 2021 in Kraft. Er verbietet "die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen" (...), außerdem die Drohung damit.

Jedoch hat keine Atommacht den Vertrag unterzeichnet. Auch Deutschland lehnt ihn ab: "Wenn man sich lediglich verabschiedet, und sagt 'Wir wollen damit nichts mehr zu tun haben', wird das nicht dazu führen, dass es auch nur eine Atombombe weniger auf der Welt gibt", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) anlässlich des Inkrafttretens.

Deutschland müsse seinen Einfluss in der Nato und als US-Bündnispartner nutzen, "um unentwegt darauf hinzuarbeiten, dass wir weniger Atombomben in dieser Welt haben – und irgendwann überhaupt keine mehr".1

Elegant bringt Maas die zwei Seiten der deutschen Ambitionen zusammen: Einerseits vom Mitmachen im mächtigsten Bündnis von Atommächten nicht lassen wollen, der Nato. Und so von der diplomatischen Wucht zu profitieren, wenn man mit anderen Staaten über günstige Beziehungen verhandelt.

Andererseits als Nicht-Nuklear-Nation es schon langfristig nicht schlecht finden, wenn die Nuklear-Nationen abrüsten, also weniger übermächtig im Vergleich zu einem selbst werden. Und damit auch interessant bleiben als "Vermittler" zwischen den Atommächten und den Atom-Habenichtsen.

Und wie hält es der Iran mit dem Atomwaffenverbotsvertrag? Er nahm zunächst an den 2017 begonnenen Verhandlungen im Rahmen der Uno teil. Zu diesem Zeitpunkt war aber ein anderer Vertrag für die islamische Republik bedeutsamer und seit zwei Jahren in Kraft: das "Atomabkommen", ausgehandelt von den fünf Mitgliedsstaaten im UN-Sicherheitsrat sowie Deutschland.

"Kern der internationalen Übereinkunft ist die deutliche Reduzierung der iranischen Nuklearaktivitäten: dazu zählt die substanzielle Beschränkung der Zahl der Zentrifugen, die zur Urananreicherung verwendet werden, und der Bestände an angereichertem Uran sowie der Verzicht auf eine eigenständige Wiederaufarbeitung von Brennstäben. Hinzu kommen die systematische und umfassende Kontrolle durch die IAEO.

Im Gegenzug heben die Verhandlungspartner schrittweise alle auf das Atomprogramm bezogenen Sanktionen auf und bieten – allen voran die Europäer und die Russen – ihre Unterstützung bei der zivilen nuklearen Zusammenarbeit an."2

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