Doktor Waus Chaos Computer Film

"Alles ist Eins. Außer der 0". Bild: allesisteins.film / Neue Visionen Filmverleih

Die Geschichte der deutschen Hackerszene aus dem Archiv in die Gegenwart

Mit jedem Medium entsteht eine neue soziale Sphäre, die sich um dieses Medium, seine Nutzungsweisen, Utopien und die mit ihm verbundenen Ängste gruppiert. Als der Computer in den 1950er-Jahren die Forschungslabors zuerst in Richtung Universitäten verließ, dann in der Wirtschaft und schließlich in den Eigenheimen ankam, gelangte ein solches Medium unter die Menschen, das bald alle anderen in sich aufsog.

Die Gebräuche und Missbräuche, die rund um die Computernutzung entstanden, sind vor allen in den internationalen Hackerszenen schnell erkannt worden. Welchen Einfluss Computer in dieser Epoche auf die deutsche Gesellschaft hatten, erzählt nun der neue Dokumentarfilm "Alles ist Eins. Außer der 0".

"Alles ist Eins. Außer die 0" (8 Bilder)

Bild: allesisteins.film / Neue Visionen Filmverleih

Der Untertitel "Dr. Waus Chaos Computer Film" macht schnell deutlich, dass die Perspektive, die Klaus Maecks und Tanja Schwerdorfs Dokumentarfilm einnimmt, die des wenn nicht ersten, so doch berühmtesten deutschen Hackers Herwart Holland-Moritz - genannt Wau Holland und bekannt als "Datenkünstler" und "Bit-Schmied" - ist. Drei Viertel des Films erzählen, wie sich der Chaos Computer Club aus seiner Initiative heraus und um ihn herum Mitte der 1980er-Jahre gegründet hat.

Erzählt wird diese Geschichte vom langjährigen Mitstreiter des CCC, Peter Glaser, der eine zeitlang als "Poetronic" Chefredakteur der "Datenschleuder", des unregelmäßig erscheinenden CCC-Magazins, war. Während sich Glaser an die Anfangsjahre des CCC erinnert, wird er (stets zusammen mit seiner Katze) vor einer Monitorleinwand postiert, die ihm und uns als Brücke dient, über die die verschiedensten Fundstücke aus dem Archiv in unsere Gegenwart getragen werden.

"I love your Computer"

Der Film erzählt also die Geschichte Waus und des CCC - aber dies weder als Biografie noch gar als techniksoziologische Exkursion in die Vergangenheit. Vielmehr wird eine Art Mosaik der Hacker-Subkultur aus Archivfunden konstruiert: Zitate und Texte, Videos von Vorträgen, private Filme, Fotos und Szenen aus den Medienarchiven der öffentlich-rechtlichen Sender und aus Spielfilmen zum Thema "Hacker" konstruieren dieses Bild von der Technikaneignung als gelebte kulturelle und soziale Praxis.

Am Anfang steht der Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung im Umgang mit Informationen. Information definiert Wau Holland gleich zu Beginn des Films als unerschöpfliche Ressource und als solche soll sie von allen genutzt und von jedermann respektiert werden. Aus der Hacker-Ethik der MIT-Studenten der 60er-Jahre geht so das Ethos des CCC hervor, das den Hackern wie eine Art Arbeitsauftrag vorgibt, öffentlichkeitswirksam auf Datenmissbrauch, Sicherheitsprobleme und mögliche technologische Gefahren hinzuweisen - Probleme, die mit der allmählichen Durchdringung der Gesellschaft durch die Computertechnik entstehen.

Diese zeigen sich nicht erst an der Computerisierung, sondern bereits am allgemeinen Umgang mit Daten, wie beispielsweise bei der Volkszählung von 1983, dem staatlichen Telekommunikationsmonopol der Deutschen Post aber auch dem Reaktorunglück von Tschernobyl. All dies sind Ereignisse, die das informationspolitische und -ideologische Denken und Verhalten des CCC formen. Die Hacker schaffen hierzu Gegenöffentlichkeiten und decken verschwiegene Wahrheiten auf.

Im Kontrast zwischen der Medienberichterstattung und den Innenansichten der Hacker-Community auf diese zeigt der Film die Gratwanderung seiner Protagonisten - allen voran Wau Hollands - zwischen gelebter persönlicher Überzeugung und deren öffentlicher Diffamierung als justiziable Vergehen und Verbrechen. Während die Hacker längst in ihrer Utopie der Community angekommen sind, verwandelt sich Deutschland in einen "Computerstaat" (wie der gleichnamige Song der Band Abwärts im Hintergrund intoniert) und die Öffentlichkeit reagiert mit Befremden, Angst und teilweise sogar Pönalisierung auf die Hacker und ihr Tun.