Der schwedische Renten-Wunder-Weg - entzaubert

Ein Lehrbeispiel, wie Sozialpolitik eine verlässliche, verständliche und ausreichende Altersversorgung auf keinen Fall angehen sollte

Nicht Österreich, Schweden ist das gelobte Rentenland. Die Schweden machen in Punkto Rente anscheinend alles richtig. Davon berichten die Medien in den letzten Monaten und so gut wie niemand widerspricht. Die vermeintliche Aufklärung über das schwedische Rentensystem wird zu einer ausgewachsenen Falschinformations-Kampagne.

Ob FDP, Verbraucherschützer, CDU/CSU, die Bundesbank, die Grünen, Wirtschaftswissenschaftler, AfD, Main-Stream-Medien, SPD und die Versicherungen, Finanzkonzerne und Wirtschaftsverbände sowieso: Alle wollen die gesetzliche Rente weiter schwächen (das natürlich nicht offen1) und dafür Rentensparen in Aktien- und Investmentfonds so verbindlich wie möglich vorschreiben.

Schweden ist dabei Vorbild. Prototypisch die Aussage im FDP-Wahlprogramm "Schweden macht uns seit Jahren vor, wie Aktien-Sparen so erfolgreich und risikoarm organisiert werden kann." Erfolgreich und risikoarm sind starke Behauptungen, die bei näherem Hinschauen hohl werden. Dazu weiter unten.

Das Gute am schwedischen Rentensystem wird verschwiegen

Als vorbildlich wird nur die "Prämienrente" propagiert. Alle anderen Elemente des schwedischen Rentensystems werden ausgeklammert, so wird einfach verschwiegen:

  • Dass in Schweden alle Erwerbstätigen ausnahmslos ab 16 Jahren in der staatlichen Rentenversicherung organisiert sind.
  • Dass von dem 18,5 Prozent Rentenversicherungsbeitrag die Beschäftigten 7,4 Prozent und die Unternehmen 11,1 Prozent einzahlen (Verhältnis 40 Prozent zu 60 Prozent).
  • Dass 90 Prozent der Schweden eine nahezu gleichlautende Betriebsrentenzusage haben. Dabei werden die Beiträge vollständig von den Unternehmen gezahlt. Konkret sind das 4,5 Prozent bis zur Beitragsbemessungsgrenze (monatlich 4.330 Euro), darüber sogar 30 Prozent des Bruttoverdienstes.
  • Dass die Schweden eine Mindestrente (Garantierente) bekommen, die bis zu 820 Euro beträgt und, unabhängig davon, zusätzlich Wohnkostenzuschüsse von bis zu 700 Euro.2

Jeder dieser Punkte würde, in Deutschland als Rentenreform vorgeschlagen, als wirklichkeitsfremd, arbeitsplatzvernichtend und die junge Generation überfordernd, verteufelt werden. Damit ja niemand auf falsche Ideen kommt, werden diese Fakten verschwiegen und in den Medien wird das Gesamtbild ausgeblendet - nebenbei: auch die negativen Seiten.

Fakten zur schwedischen Prämienrente

Seit dem Jahr 2000 wurden von den 18,5 Prozent Rentenversicherungsbeiträgen 2,5 Prozent an die Prämienrente abgezweigt und an unzählige Renten- bzw. Investmentfonds weitergeleitet. Die Erträge sind bis jetzt überschaubar, sie machten 2019 gerade einmal 3 Prozent der insgesamt ausgezahlten Rentenleistungen aus. (Siehe Anmerkung) Durchschnittlich waren das 58 Euro im Monat.

Auch wenn der Anteil und die Beträge steigen werden (im Mai 2021: 5 Prozent der Rentenzahlungen, monatsdurchschnittlich 82 Euro), wird diese Rente bestenfalls eine bescheidene Rolle bei der Altersversorgung in Schweden spielen. Das könnte auch positiv betrachtet werden, weil die Risiken für die Gesamtaltersversorgung geringer bleiben.

Die Grafik zeigt die Werteentwicklung im Prämienrentensystem im Vergleich zur Einkommensrente, in die 16 Prozent der Beiträge eingezahlt werden. Deutlich sind die extremen Kursschwankungen bis 2012, auf die ab 2014 sechs Jahre hoher Kursgewinne folgen.3

Die Kursgewinne entsprechen der Blasenbildung an den Aktienmärkten. Es wird eine Frage der Zeit sein, wann die Blase platzt und wie tief und wie lange die Kurseinbrüche dann sein werden.