Neue Erkenntnisse zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe

Wie schwerwiegende, aber sehr seltene Impfkomplikationen bei allen vier zugelassenen Vakzinen einzuordnen sind. Ein Update

Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen sowie Entzündungen des peripheren Nervensystems und das Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom sind schwerwiegende, aber sehr seltene Impfkomplikationen im Zusammenhang mit zugelassenen Vakzinen gegen das Coronavirus.

Der folgende Text ist die Fortschreibung eines kürzlich in Telepolis erschienenen umfangreichen Artikels und zugleich eine Zusammenfassung des aktuellen 12. Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 15. Juli 2021. Das PEI ist bekanntlich die Behörde, die für die Überwachung der Impfungen mit den vier in Deutschland zugelassenen genetischen Impfstoffen zuständig ist.

Übersicht über die Meldeergebnisse

Das PEI berichtet über 106.835 aus Deutschland gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty und Spikevax (früher: Covid-19-Impfstoff Moderna) und den Vektorimpfstoffen Vaxzevria und Covid-19-Impfstoff Janssen vom Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juli 2021.

In diesem Zeitraum wurden 74.871.502 Impfungen durchgeführt, davon 54.898.640 mit Comirnaty, 6.471.052 mit Spikevax, 11.570.155 mit Vaxzevria und 1.931.655 Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff Janssen.

49.735 Verdachtsfälle wurden zur Impfung mit Comirnaty gemeldet, 14.153 zu Spikevax, 39.398 zu Vaxzevria und 3.061 Meldungen zum Covid-19-Impfstoff Janssen. Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,4 pro 1.000 Impfdosen und für Meldungen über schwerwiegende Reaktionen insgesamt 0,1 pro 1.000 Impfdosen.

Wie bisher werden in der folgenden Darstellung nur die Verdachtsfälle von schwerwiegenden Reaktionen nach der Impfung näher besprechen. Dabei handelt es sich um Impfkomplikationen, die mit einer langfristigen erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit einhergehen und zu einer Krankenhauseinweisung oder zum Tode führen können.

Nicht dazu gehören die typischen und nach einer Impfung häufig auftretenden Nebenwirkungen wie Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Impfstelle und auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein, die auch die große Mehrzahl der oben gemeldeten Verdachtsfälle ausmachen.

Myokarditis und Perikarditis nach mRNA-Impfstoffen

Eine Myokarditis ist eine Herzmuskelentzündung und eine Perikarditis eine Entzündung des Herzbeutels. Als Ursachen kommen Toxine, Bakterien vor allem verschiedene Viren in Frage.

Auch im 12. Sicherheitsbericht heißt es, dass sehr selten Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach Impfung mit Comirnaty bzw. Spikevax beobachtet wurden. Neu ist, dass der europäische Ausschuss für Risikobewertung (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) jetzt beschlossen hat, Myokarditis und Perikarditis in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe als mögliche Nebenwirkung aufzunehmen.

Nach den bislang vorliegenden Daten sind offenbar vor allem junge Männer nach Gabe der zweiten Impf-Dosis betroffen, typischerweise innerhalb von 14 Tagen. Der PRAC betont, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis der mRNA-Impfstoffe weiterhin positiv sei.

Einzelne gut dokumentierte Fallserien einer Myokarditis aus Israel und den USA sind publiziert worden. Ein Bericht beschreibt vier Fälle einer Myokarditis (zwei Fällen nach Comirnaty, zwei Fälle nach Spikevax) bei drei jungen Männern im Alter von 23 bis 36 Jahren und einer 70 Jahre alten Frau. Alle vier Fälle traten nach der zweiten Dosis auf. Eine Fallserie mit 23 Berichten bezieht sich auf männliche US-Militärangehörige im Alter von 20 bis 51 Jahren (mittleres Alter 25 Jahre), davon 20 Fälle nach der zweiten Dosis.

Die Zahl der Fälle einer Myokarditis nach Impfung war deutlich höher als die auf Basis der Hintergrundinzidenz erwartete Zahl in den USA (1 bis 22 pro 100.000 Personen pro Jahr). Demnach wurden null bis acht Fälle in der geimpften Population statistisch zufällig erwartet, tatsächlich aber 19 Fälle einer Myokarditis nach der zweiten mRNA-Impfung beobachtet.

In einer weiteren Publikation wurden sieben Fallberichte einer Myokarditis oder Perimyokarditis bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren innerhalb von vier Tagen nach der zweiten Dosis veröffentlicht. Eine andere Arbeitsgruppe berichtete über sechs Männer (Altersmedian 23 Jahre), die nach der Impfung mit Comirnaty eine Myokarditis entwickelten, davon fünf Patienten nach der zweiten Dosis und ein Patient nach der ersten Dosis.

Die Autoren beschrieben den klinischen Verlauf in allen Fällen als mild. Trotz zum Teil umfangreicher Untersuchungen konnten keine alternativen Ursachen, wie z. B. eine gleichzeitige Virusinfektion, identifiziert werden. Der kurze zeitliche Abstand, die klinischen Gemeinsamkeiten und das Fehlen anderer identifizierbarer Ursachen lassen daher einen Zusammenhang mit der mRNA-Impfung als zumindest möglich erscheinen. Die Patienten in diesen Fallserien erholten sich von den Krankheitssymptomen oder waren auf dem Weg der Besserung.

Bislang fehlen epidemiologische Studien, sodass die Häufigkeit einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach mRNA-Covid-19 Impfung nicht ermittelt werden kann. Allerdings scheint eine Myokarditis nach mRNA-Impfstoffen sehr selten zu sein. Aus den US-Fallserien kann eine Häufigkeit von weniger als 1:100.000 Impfdosen abgeschätzt werden.

Das israelische Gesundheitsministerium berichtete kürzlich über 121 Myokarditis-Fälle, die innerhalb von 30 Tagen nach einer zweiten Dosis Comirnaty bei 5.049.424 Personen auftraten, was einer grob kalkulierten Häufigkeit von etwa 2,4 Fällen pro 100.000 Personen nach einer zweiten Dosis entspricht. In Israel wurden 95 Prozent der Fälle als mild beschrieben mit einem zumeist kurzen Krankenhausaufenthalt.

Dem PEI wurden seit Beginn der Covid-19-Impfungen insgesamt 228 Fälle gemeldet, in denen die Diagnose einer Myokarditis oder Perikarditis im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19 gestellt wurden. Die Mehrzahl der Berichte bezieht sich auf die mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax. Die Daten zeigen, dass die meisten Meldungen junge Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren betreffen.

In Deutschland wurden bis zum 30.6.2021 insgesamt 173 Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis in unterschiedlichem zeitlichem Zusammenhang nach Comirnaty bei insgesamt mehr als 54 Millionen verimpften Dosen sowie 31 Fälle nach Spikevax bezogen auf mehr als 6,4 Millionen Impfdosen berichtet. Daraus ergibt sich derzeit eine Gesamtmelderate in allen Altersgruppen von 0,32 bzw. 0,48 Meldungen einer Myokarditis und/oder Perkarditis auf 100.000 Impfdosen der beiden mRNA-Impfstoffe.

Neun Personen (sechs Männer im Alter von 90, 80, 71, 59 und 56 Jahren und drei Frauen im Alter von 84, 67 und 64 Jahren), bei denen unter anderem eine Peri-oder Myokarditis diagnostiziert wurden, sind in unterschiedlichem zeitlichem Zusammenhang nach Impfung mit Comirnaty verstorben.

Seit dem 31. Mai 2021 ist auch Comirnaty für die Impfung von zwölf- bis 15-Jährigen in Deutschland zugelassen. Das PEI erhielt bisher einige Meldungen über Nebenwirkungen bei Jugendlichen bis 15 Jahre, aber bisher keine über eine mögliche Myo- oder Perikarditis.