Natur und Gesellschaft neu denken

Kraftwerk in Rugeley, Staffordshire. Bild: Elliott Brown, CC BY-SA 2.0

Die aktuelle politische wie ökologische Krise machen eine gesellschaftliche Veränderung lebensnotwendig, schrieb Fabian Scheidler. Eine solidarische Kritik

Damit eine andere Welt möglich wird, braucht es eine andere Sicht auf die Welt. Eine grundlegend andere. Eine, die das Ganze umfasst. Die ganze Welt. Menschen, Tiere, Pflanzen, Umwelt, Klima. Eine ganzheitliche Sicht auf die Welt, eine Sicht, die die Trennung von Mensch und Natur, von Körper und Geist aufhebt, den Menschen als Naturwesen begreift. Nur auf dieser Grundlage können die Menschen die Zerstörung der Lebensgrundlagen auf der Erde beenden.

Eine solche andere Sicht ist mit dem globalen Kapitalismus unvereinbar. Beruht er doch auf der Ausbeutung der Natur und ist ohne die genannten Trennungen nicht vorstellbar. Die Trennung gehe dabei, so schreibt Fabian Scheidler in seinem Buch Der Stoff aus dem wir sind, durch den Menschen hindurch (S. 153).1

Scheidler treibt um, dass sich die Gesellschaft grundlegend wandeln muss. Eine solche Wandlung könne nur dann stattfinden, "wenn Menschen sich dauerhaft organisieren und neue Beziehungen untereinander aufbauen. Oder, um genauer zu sein: wenn sie ihre Beziehungen, die durch die Maske des Geldes unsichtbar gemacht wurden, wieder sichtbar machen." (S. 213)

Die derzeitige Krise zeige zudem, dass es nicht darum gehen könne, Kompromisse zwischen Umwelt und Wirtschaft zu schließen. Denn wenn "eine bestimmte Wirtschaftsordnung mit der Erhaltung der Biosphäre unvereinbar ist, muss sie geändert werden" (S. 220).

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Allerdings ist es auch eine Selbstverständlichkeit, fast eine Plattitüde - wenn man einmal die wirklichen Player im Kapitalismus außen vorlässt, die angesichts der Zerstörung der Welt begonnen haben, sich den Weltraum zu erobern. Die Veränderung ist also lebensnotwendig.

Wie genau sie aussehen und auf welcher Grundlage sie geschehen soll, wäre zu klären. Es ist Thema von Scheidlers Buch. Oder soll es zumindest sein.

Das Buch hat vielerorts Zustimmung hervorgerufen. Insbesondere natürlich bei den Kritikern der aktuellen Wirtschaftsweise. Dass Scheidler zwischen all der fundierten und weniger fundierten Gesellschaftskritik, die dieser Tage zu lesen ist, den Fokus auf das Naturverhältnis des Menschen richtet, ist ihm hoch anzurechnen.

Denn die herrschende Naturwissenschaft gerät selten in den Fokus der Kritik. Allein Scheidlers Ansatz geht nicht an die Wurzel. Er, der Historiker und Philosophen, bleibt in seiner Kritik in der Empirie stecken. Ein anderes Verhältnis zur Natur, eine Aufhebung der Trennung, wie er sie beschreibt, erfordert aber eine andere Naturphilosophie, aus der sich dann auch eine andere Naturwissenschaft ergeben kann. Hierzu später mehr.

Nach seinem 2015 erschienen Bestseller "Das Ende der Megamaschine" wagt sich Scheidler in seinem neuen Buch an einen Blick auf das Leben auf der Erde, auf Chemie, Biologie und vor allem auf die Physik sowie deren historische Entwicklung. Angeregt wurde er, so schreibt er es selbst, von einem Vortrag von Noam Chomsky aus dem Jahr 2011. Darin sagte Chomsky:

Die frühe wissenschaftliche Revolution schien den Menschen mit einer unbegrenzten Erklärungsmacht auszustatten. Aber bereits die Begründer dieser Revolution mussten zugeben, dass die menschliche Erklärungskraft nicht nur nicht unbegrenzt ist, sondern nicht einmal in der Lage, die elementarsten Phänomene der natürlichen Welt zu erklären - wobei erklären hier meint, sie auf mechanische Ursachen zurückzuführen. Die Hoffnung, die Welt zu verstehen, wurde schließlich aufgegeben. Sie wurde ersetzt durch ein vollkommen anderes und wesentlich weniger anspruchsvolles Ziel, nämlich verständliche Theorien der beobachtbaren Welt zu entwickeln.

zitiert nach S. 41f.

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