Wie wir mit Homeoffice und Briefen das Klima killen

Studien widmen sich der Klimabilanz von Kommunikation und den Problemen bei der Arbeit im Heimbüro

Nicht nur die Digitalisierung, auch die in der Corona-Pandemie massiv ausgeweitete Arbeit am Heimarbeitsplatz hat Auswirkungen auf die CO2-Emissionen und damit auf den Klimawandel. Zwei Studien haben sich nun diesem Thema mit Blick auf Kommunikation und Arbeitsort gewidmet. Vorweg: Die Ergebnisse sind nicht erstaunlich, dürften aber der Debatte über Arbeitsorganisation in vielen Betrieben Aufschwung geben.

Das Online-Marketing-Unternehmen Sendinblue warb unlängst, nicht ohne Eigeninteresse, für die E-Mail-Kommunikation als "das eindeutig umweltschonendste Kommunikationsmittel". Die 2007 gegründete Firma mit Hauptsitz in Paris gibt die Ergebnisse eine Studie wieder, nach der bei einem herkömmlichen Brief durchschnittlich 19,5 Gramm CO2-Äquivalente (CO2e) entstehen, bei einer E-Mail jedoch nur 0,175 Gramm CO2e.

Mit Bezug auf das eigene Unternehmen habe man errechnet, dass Kund:innen jährlich rund 707.000 Tonnen CO2e einsparten, da sie für ihre Korrespondenz und Marketing-Kampagnen E-Mails statt Briefpost verwenden.

Das Kohlendioxidäquivalent – CO2e – ist eine Maßeinheit, mit der das Treibhauspotenzial verschiedener Emissionen verglichen wird. Nach Angaben der OECD liegt das Treibhauspotenzial für Methan über 100 Jahre bei einem Wert von 21. "Das bedeutet, dass Emissionen von einer Million Tonnen Methan Emissionen von 21 Millionen Tonnen Kohlendioxid entsprechen", heißt es in einer Begriffserläuterung der Organisation.

Das Kyoto-Protokoll hat neben CO2 und Methan vier weitere Treibhausgase definiert, die zur globalen Erwärmung beitragen: Distickstoffoxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffe (HFC/HFC), Perfluorkohlenwasserstoffe (PFC/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Mit E-Mails das Klima retten

Das Marketingunternehmen Sendinblue jedenfalls ist sich sicher, dass mithilfe von E-Mails jährlich viele tausend Tonnen weiterer CO2-Emissionen vermieden werden können. So seien im Jahr 2020 mehr als 6,8 Milliarden Werbesendungen per Post verschickt worden. Die Firma erklärt dazu:

Diese"Dialogpost" bindet sehr viele finanzielle und ökologische Ressourcen und verursacht unnötige CO2-Emissionen. Im Jahr 2020 hätten in Deutschland nach Berechnungen von Sendinblue rund 130.000 Tonnen CO2e eingespart werden können, wenn Unternehmen auf Werbesendungen per Post verzichtet und stattdessen E-Mails verwendet hätten.

Dies entspricht einer Fahrleistung von 650 Millionen Kilometern mit einem Mittelklasse Benzinautos - dieses könnte damit mehr als 16.000-mal die Erde umrunden. Weitere 125.000 Tonnen CO2e hätten eingespart werden können, wenn anstelle herkömmlicher Briefe E-Mails verschickt worden wären.

In einem Debattenbeitrag für Telepolis hatte der Ökonom Christian Kreiß die Werbewirtschaft unlängst sogar als ein Hauptmotor für den Klimawandel bezeichnet.

Diese These wird vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in Abrede gestellt. Der Verband hat bereits eine Antwort auf dem Essay angekündigt. Es sei "dringend erforderlich, einige dort angebrachte Fakten geradezurücken und unsere Sicht der Dinge darzulegen".

Kreiß hatte darauf hingewiesen, dass in deutschen Briefkästen etwa im Jahr 2014 rund 1,3 Millionen Tonnen Werbesendungen landeten, "pro Haushalt zweieinhalb Kilo jeden Monat". Das entspreche etwa 2,7 Millionen gefällten Bäumen, um das Werbematerial für Deutschland zu produzieren:

Die Werbesendungen erzeugten so viel Kohlendioxid wie 840.000 Autos, verbrauchten 1.157 Millionen kWh Strom und verschmutzten 4,62 Milliarden Liter Wasser. Kurz: Die Werbeindustrie verbraucht direkt und unmittelbar eine stattliche Menge von Ressourcen.

Christian Kreiß

KfW-Auftragsstudie äußert Bedenken an "Homeoffice"

Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hatte sich zuletzt mit dem Themenkomplex Digitalisierung und Klimawandel befasst. Die KfW-Experten sahen in der Digitalisierung für den Klimaschutz Chance und Risiko zugleich.

Einerseits spielten digitale Technologien bei der Umsetzung der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende eine zentrale Rolle. Zugleich sei die zunehmende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) aber immer mehr "für den Anstieg des weltweiten Energie- und Ressourcenverbrauchs sowie für den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich".

Eine Studie des Öko-Instituts und des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) hatte sich im Auftrag der KfW-Forschungsabteilung mit den Wechselwirkungen zwischen den beiden Megatrends Digitalisierung und Klimaneutralität befasst.

Darin geht es nicht nur um Kommunikationsarten, sondern auch um die Frage, von wo aus man arbeitet:

Zwiespältig fällt die Treibhausgas-Bilanz von Arbeit im Homeoffice aus: Die Studie zeigt, dass mobiles Arbeiten nicht per se klimafreundlicher als die Präsenzarbeit im Büro ist, sondern von der IKT-Gerätausstattung im Homeoffice, dem dabei genutzten Arbeitsraum sowie die Art des substituierten Verkehrsmittels abhängig ist. Je weniger energieintensive digitale Endgeräte im Einsatz sind sowie Räume zusätzlich beheizt werden müssen und je mehr individuelle PKW-Fahrten ins Büro vermieden werden, desto höher ist das Einsparpotenzial bei Treibhausgasen. Demensprechend reicht die Spanne des individuellen CO2e-Fußabdrucks im Homeoffice je nach Geräte-Ausstattung und Ausgestaltung von 95 kg bis 443 kg pro Jahr. Auf Seiten des Arbeitgebers sind selbst bei einem hohen Homeoffice-Anteil langfristig nennenswerte THG-Einspareffekte erst bei einem Abbau von parallelen Arbeitsplatzinfrastrukturen zu erwarten.

Digitalisierung und Klimaschutz im Spannungsfeld:Warum eine nachhaltige Ausrichtung der Digitalisierung wichtig ist

Wichtige Ansatzpunkte zur Minderung von Treibhausgasemissionen im Digitalsektor seien die Steigerung der Energieeffizienz von IKT-Endgeräten und Rechenzentren, die Verlängerung der Nutzungsdauer von IKT-Geräten, die Forcierung der Kreislaufwirtschaft im Bereich der IKT, die Entwicklung effizienter Software sowie der Einsatz von Erneuerbaren Energien für die Stromversorgung von IKT-Infrastruktur, heißt es im Resümee.