Kommt das eRezept in Deutschland noch?

Konzipiert ist es als Teilbereich der elektronischen Gesundheitskarte, mit der die Digitalisierung im Gesundheitswesen auch in Deutschland endlich Fahrt aufnehmen sollte

Nach mehr als einer Dekade Vorbereitung ist weder die elektronische Gesundheitskarte (eGK) noch das elektronische Rezept (eRezept und E-Rezept werden in diesem Beitrag synonym benutzt) bislang in der Realität angekommen. Die Einführung verzögert sich immer weiter.

Zuletzt wurde der 1. Oktober 2021 kurz nach der Bundestagswahl als Einführungstermin für das eRezept mit einem Vorlauf von gerade einmal einem Tag abgesagt und die Testphase "um zunächst zwei Monate bis Ende November verlängert".

Einzig der Termin für die gesetzliche Pflicht zum eRezept scheint mit dem 1. Januar 2022 in Stein gemeißeltzu sein. Das ganze Dilemma kann man wie Sascha Lobo zusammenfassen, der die Deutschen im Zusammenhang mit der Digitalisierung als netzpolitische Schildbürger bezeichnet. Der Spiegel meldete am 1. Juli 2021:

Das Bundesgesundheitsministerium verspricht sich vom E-Rezept eine höhere Arzneimittelsicherheit für die Patienten, da alle eingenommenen Arzneimittel mit Blick auf Neben- und Wechselwirkungen kontinuierlich geprüft werden können. Außerdem soll der gesamte Ablauf von der Verschreibung in den Arztpraxen über die Abholung durch den Patienten bis hin zur Abrechnung bei den Krankenkassen effizienter ablaufen.

Spiegel

Wer schon einmal den Beipackzettel eines Medikaments in Ruhe studiert hat, wird sich fragen, welche Künstliche Intelligenz alle denkbaren Wechselwirkungen verbindlich erfassen und bewerten soll und welche Rolle in diesem Zusammenhang eine vom Arzt verordnete Therapie spielen soll. Nach letzten Informationen müssen noch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erteilte Auflagen erfüllt sein, damit der flächendeckende Roll-out erfolgen kann.

Die Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) erklärt zur Verlängerung der Testphase:

Der Grund für die Verlängerung der Testphase in der Fokusregion: Ab dem 01.10.2021 wird aufgrund des Quartalsbeginns ein deutlicher Anstieg der Zahl angepasster Primärsysteme erwartet. Bislang haben noch nicht alle Anbieter der Praxis- bzw. Apothekenverwaltungssysteme das für das E-Rezept notwendige Update bereitstellen können. Erst dann können diese in Praxen und Apotheken installiert werden. Hier gilt: Je schneller die Bereitstellung der Updates erfolgt, desto besser.

Bisher haben viele Versicherte außerdem noch nicht die neueste Generation der elektronischen Gesundheitskarte mit NFC-Schnittstelle und dazugehöriger PIN. Karte und PIN der jeweiligen Krankenkasse sind jedoch Voraussetzungen, um die E-Rezept-App der Gematik in vollem Umfang nutzen zu können, also Rezepte in der App zu empfangen und zu verwalten. Dem Bundesgesundheitsministerium liegen seit wenigen Tagen Zusagen weiterer großer Krankenkassen vor, die sich nun ebenfalls aktiv an der Testphase beteiligen werden.

Gematik

Wenn man jetzt den Dezember als idealen Zeitraum für die bundesweite Einführung des eRezeptes vorsieht, hat man wohl die aktuellen Sondereffekte zum Jahresende übersehen.

Die Postlaufzeiten verlängern sich traditionsgemäß in der Vorweihnachtszeit. Zwischen den Jahren ist schon seit Langem vielfach niemand erreichbar. Zu diesen traditionellen Effekten kommt in diesem Jahr, dass IT-Hardware teilweise längere Lieferzeiten hat und der Markt sich mit der Einführung von Windows 11 einer höheren Nachfrage gegenübersieht.

Grafikfähiges Smartphone mit iOS 14 oder Android 7 Mindestvoraussetzung

Das eRezept soll mit einer Smartphone-App auf Betriebssystemen ab iOS 14 oder Android 7 nutzbar sein. Smartphones, die kein grafikfähiges Display besitzen oder ein anderes oder älteres Betriebssystem nutzen, können das eRezept in der geplanten Form nicht nutzen. Sie sollen die benötigten Informationen über Ausdrucke erhalten. Das eRezept ist ein Projekt der mehrheitlich bundeseigenen Gematik GmbH - 51 Prozent der Geschäftsanteile hält das Gesundheitsministerium.

Für Patienten, die kein entsprechendes Smartphone nutzen oder das eRezept nicht nutzen wollen, weil sie dem Datenschutz nicht vertrauen, soll es den Ausdruck eines sogenannten eRezept-Tokens geben. Hierzu meldet die Gematik:

Der E-Rezept-Token beinhaltet Informationen, wie auf ein im Fachdienst gespeichertes E-Rezept zugriffen werden kann. Der Besitz des E-Rezept-Tokens autorisiert den Zugriff auf das E-Rezept. Der E-Rezept-Token wird durch den Versicherten nach dem Abruf des E-Rezepts im E-Rezept-FdV (Frontend des Versicherten) oder durch die verordnende LEI (Leistungserbringerinstitution) erstellt.

Gematik

Die Formulierung der Gematik, dass die Testphase des eRezepts um zunächst zwei Monate bis Ende November verlängert werden soll, klingt wenig hoffnungsfroh für die Digitalisierung in Deutschland, denn sie bietet dann doch ausreichend Spielraum für eine weitere Verschiebung des eRezepts. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Telematikinfratstruktur schon veraltet ist, wenn das eRezept endlich bundesweit verfügbar ist.

Dass man zur Sicherheit die aktuellen Papierrezepte nicht als Notfalllösung beibehalten will, ist wohl der Befürchtung geschuldet, dass so mancher Arzt dann noch länger beim etablierten Papierrezept bleibt. Das würde die Online-Apotheken, die auf zusätzlichen Umsatz durch das eRezept hoffen, gar nicht freuen.