Google, Youtube und das "Kalifat Wissenschaft"

Mit der Pandemie haben Sanktionen, Verbote und Zensurmaßnahmen zugenommen. Sie werden nicht politisch begründet, sondern geradezu götzenhaft medizinisch

Seit Jahren geht eine meist stille Säuberungswelle durch die im Internet verfügbaren Medien. Was irreführenderweise als "soziale" Medien bezeichnet wird, gehört Megakonzernen, wie etwa Facebook, Google und seinem Tochterunternehmen Youtube. Das bekommt man meist dann zu spüren, wenn Inhalte, Beiträge und TV-Kanäle einfach geschlossen oder gelöscht werden.

Nach dem Rechtsverständnis dieser Akteure sind User:innen keine Rechtssubjekte, sondern Lieferanten kostenlosen Contents, also vogelfrei. Das haben in den letzten Jahren die Anbieter einzelner missliebiger Blogs und Videos erfahren.

Doch in diesem Jahr nimmt diese Säuberungswelle ungeahnte Ausmaße an: Man löscht sektorenweit, großflächig und ist dabei bereit, auch einen internationalen Medienkrieg anzuzetteln.

Dieser Trend hatte in Deutschland in diesem Jahr seinen Anfang mit der Löschung von Facebook- und Instagram-Accounts, die man der Querdenker-Bewegung zurechnete:

Facebook hat knapp 150 Konten und Gruppen auf seinen Plattformen gelöscht, die der Internetkonzern der umstrittenen Querdenker-Bewegung zuordnet. Es sei weltweit die erste gezielte Aktion, die sich gegen eine Gruppierung richte, die eine "koordinierte Schädigung der Gesellschaft" (Coordinated Social Harm) hervorrufe, sagte Facebook-Sicherheitsmanager Nathaniel Gleicher. Betroffen seien auch die Accounts von Querdenken-Gründer Michael Ballweg. Die Aktion richtet sich gegen "Querdenker" auf Facebook selbst und Instagram. Nicht betroffen ist der Chatdienst Whatsapp, der ebenfalls zum Facebook-Konzern gehört.

Aus einem Bericht des Nachrichtensenders n-tv

Nachdem das mehr oder weniger hingenommen wurde, holte man nun zu einem größeren Schlag aus, der institutionellen Charakter hat: YouTube löschte zwei Kanäle des russischen Auslandssenders RT DE. Telepolis berichtete dazu:

Noch in der Nacht wurde eine offizielle Stellungnahme des Russischen Außenministeriums veröffentlicht. Es sprach von einem ‚beispiellosen Informationsangriff, der mit offensichtlicher Duldung, wenn auch nicht sogar auf Drängen der deutschen Seite begangen wurde‘. Zudem kündigte das Ministerium nun auch von amtlicher Seite ‚Vergeltungsmaßnahmen gegen YouTube selbst und deutsche Medien‘ an.

RT DE: YouTube-Sperre mit weitreichenden Folgen, Roland Bathon, 29.09.2021

Man hatte kaum die Tragweite dieser Löschungen verstanden, da schlug der Quasi-Monopolist Youtube wieder zu. Nun wurden Beiträge der Aktion #allesaufdentisch gelöscht. "Welche Aussagen konkret Anlass für die Löschung boten, ist nicht bekannt", schrieb die Berliner Zeitung am 11.10.2021.

Dass ein Konzern wie Youtube nicht einmal diese Entscheidung begründen muss, verweist doch recht eindeutig auf einen Epochenwechsel.

Der Fall #allesaufdentisch

Mit #allesaufdentisch antworten die beteiligten Künstler:innen auf die teils vernichtende Kritik auf ihre erste Videointervention #allesdichtmachen, die sich satirisch mit den Corona-Maßnahmen auseinandersetze. Und mit den "Guten", die sich für modern, aufgeschlossen, taff und uneigennützig halten.

Die Angegriffenen reagierten hart und ziemlich unbandagiert: Die beteiligten Künstler:innen seien herzlos, zynisch, sozialdarwinistisch und undankbar, hieß es.

Mit #allesaufdentisch antworten sie auf ihre Weise, dieses Mal ganz ohne Ironie, ganz ohne Sarkasmus, geradezu unheimlich sachlich. Sie sprechen das an, was weitestgehend unterschlagen wird, indem man dem Widerspruch das Wort abschneidet oder das Unpassende erst gar nicht zu Wort kommen lässt, indem man - und das war die dominante Art der "Auseinandersetzung" - die Beteiligten in Abwesenheit denunziert.

Genau das, was eigentlich die banalste Art der Auseinandersetzung wäre, sich streiten, das angebliche Unbestrittene mit dem angeblich Umstrittenen zu konfrontieren, machen diese Künster:innen und klappern fast alle Themenfelder ab, die in der Corona-Zeit unter den Tisch gefallen sind, also auf den Tisch kommen müssen. Indem sie die strittigen Fragen angehen, sich aussprechen lassen, der "Sache" nachgehen, zerstören sie den Nimbus derer, die behaupten, sie machen alles nur der Evidenz, der Wissenschaftlichkeit und ganz besonders der Solidarität zuliebe.