CO2 im Gepäck: Warum die deutsche Klimabilanz nur die halbe Wahrheit ist

Rindfleisch gehört zu den Lebensmitteln mit der schlechtesten Klimabilanz, ist aber häufig importiert. Foto: gate74 auf Pixabay (Public Domain)

Was für uns in anderen Ländern produziert, aber hierzulande verkauft und konsumiert wird, fließt nicht in die deutsche Emissionsbilanz ein

Die Lage ist brenzlig: die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre erreichte im letzten Jahr einen Rekordwert, berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) am Montag. Auch der Anstieg war stärker als im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2020 - obwohl das Wirtschaftsleben im ersten Corona-Jahr vielerorts für Wochen stillgestanden hatte.

Welchen Anteil hat Deutschland daran? Mario Schmidt, Professor an der Hochschule Pforzheim, meint nun, die offizielle Klimabilanz Deutschlands sei nur die halbe Wahrheit. Das ist das Ergebnis neuer Modellanalysen, die er mit seinem Team jetzt veröffentlicht hat. Durch den Import vieler Waren aus dem Ausland seien Deutsche auch für Emissionen verantwortlich, die sich gar nicht auf die nationale Klimabilanz auswirken. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Chemie Ingenieur Technik" veröffentlicht. Bilanziert werden die Emissionen von Treibhausgasen (THG) grundsätzlich nur auf territorialer Basis: Nur die Klimagase, die auf deutschem Boden ausgestoßen werden, finden auch Eingang in die nationale Klimabilanz.

"Bärendienst" für den Klimaschutz?

Im Jahr 2016 wurden rund 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Dabei werde aber verkannt, so die Studienautoren, dass menschliche Aktivitäten auch in anderen Weltgegenden zum Ausstoß von Treibhausgasen führen können. "Dies geschieht vor allem durch den Import von Rohstoffen und Gütern aus dem Ausland, die in den nationalen Treibhausgasbilanzen nicht berücksichtigt werden", heißt es in der Studie. Mit dem Güterimport kamen demnach rund 820 Millionen Tonnen hinzu.

Das Beschränken der Klimabilanz auf das eigene Territorium sei zwischen den Staaten international vereinbart worden und mache durchaus Sinn, meint Schmidt: "Trotzdem verursachen wir Emissionen an anderer Stelle der Welt durch den Verbrauch von Gütern, die woanders gewonnen oder hergestellt werden". Man erweise dem Klimaschutz möglicherweise einen Bärendienst, wenn man klimapolitische Maßnahmen nur anhand der nationalen Emissionen bewerte.

Als Beispiel nennt Schmidt das südamerikanische Rindersteak: Das Futter der Tiere wird in Südamerika angebaut, die Tiere leben dort, gegessen werden sie aber zum Teil in Deutschland. Würde man in Deutschland darauf verzichten, hätte es keine Auswirkungen auf die nationale Klimabilanz, denn die CO2-Emissionen wurden schließlich in Südamerika verursacht. Allerdings hätte der Verzicht eine Auswirkung auf das globale Klima.

Aufhübschen durch Verlagerung

Der gegenteilige Effekt würde eintreten, wollte man die nationale Klimabilanz aufhübschen und dafür Industrie ins Ausland verlagern. Allein bei der chemischen Industrie hätte das einen positiven Effekt auf die deutsche Klimabilanz: Die Emission von rund 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid würde man einsparen. Importiere man dann aber die benötigten Chemikalien, käme das mitunter für das globale Klima einer Katastrophe gleich. In China würde die Produktion der Chemikalien demnach doppelt so viele Emissionen verursachen als hierzulande.

Politiker berücksichtigen das allerdings kaum, wenn sie von "Klimaneutralität" sprechen. Hier herrscht das Denken in Bilanzen vor, die an staatlichen Grenzen haltmachen. In der Wirtschaft sei man da längst weiter, heißt es in der Studie: "Im Gegensatz zu staatlichen Institutionen ist vielen Industrieunternehmen der Materialaskpekt bei der THG-Emissionsbilanz seit langen bewusst". Sie wöllten ihre indirekten Emissionen durch die Lieferkette explizit mitberücksichtigen. Schmidt fordert ein Umdenken bei staatlichen Stellen. "Wir müssen bei den Maßnahmen, die wir nun im Klimaschutz angehen, stets die globale Bilanz im Auge haben". Der Beitrag von Rohstoffen und Gütern müsse beim Klimaschutz mitgedacht werden.

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