Gewalt gegen Frauen und Mädchen: TV-Klischees und Wirklichkeit

Gewalt gegen Frauen beginnt nicht mit einem spektakulären Mord. Symbolbild: Isabella Quintana auf Pixabay (Public Domain)

Laut einer Studie über geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen ist deren Darstellung dort zum Großteil verzerrt. Das soll sich ändern

Gewalt ist Teil vieler Filme, seien es die epischen Schlachten in "Herr der Ringe" oder das brutale Morden in der Bourne-Reihe. Auch im deutschen Film ist die Darstellung von Gewalt präsent, oft gegen Frauen und Kinder, und nur in den seltensten Fällen wird diese Gewalt aus der Sicht der Opfer gezeigt. In deutschen Produktionen ist das lediglich bei acht Prozent der Darstellungen der Fall.

Das ist eines der Ergebnisse einer "Medieninhaltsanalyse", die in Kooperation der Hochschule Wismar und der Universität Rostock entstanden ist. Von Februar bis Oktober letzten Jahres analysierten die beiden Studienautorinnen, Christine Linke und Ruth Kasdorf, das Abendprogramm verschiedener deutscher Fernsehsender.

Gewalt ist ein Dauerbrenner in der öffentlichen Debatte und der Forschung. Was diese Studie so besonders macht: Sie ist eine der wenigen, die die Darstellung von geschlechtsspezifischer Gewalt untersucht. Damit ist in diesem Fall die strukturelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sinne der Istanbul-Konvention des Europarats gemeint.

Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-)Partnerin

Schon allein deshalb ist das Thema bedeutsam: Jede dritte Frau in Deutschland hat schon körperliche Gewalt und/oder sexuelle Übergriffe erlebt. Über die Hälfte der Frauen wurde sexuell belästigt – und noch dramatischer: An jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet.

Gefördert wurde die Studie unter anderem von der MaLisa Stiftung, die sich gegen Gewalt gegen Frauen engagiert. Auf ihrer Internetseite heißt es zur Bedeutung der Medien beim Thema "geschlechtsspezifische Gewalt":

Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten, in welchem Kontext sie sie darstellen, welche Vorstellungen und (Rollen-)Bilder sie dabei vermitteln, beeinflusst die gesellschaftliche Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen, ihren Folgen und den Möglichkeiten, ihr entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund kann die mediale Darstellung zur Prävention und Überwindung geschlechtsspezifischer Gewalt beitragen oder ihr im Weg stehen.

Nach eigener Darstellung wurde mit dieser Studie "erstmals eine umfassende qualitative Auswertung der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen Fernsehen" vorgenommen. Christine Linke, die als Professorin an der Hochschule Wismar lehrt, und die Doktorandin Ruth Kasdorf analysierten dafür eine repräsentative Stichprobe der Abendprogramme (zwischen 18 und 22 Uhr) von acht TV-Sendern (Das Erste, ZDF, RTL, RTL2, Vox, ProSieben, SAT1 und Kabel Eins). Insgesamt werteten sie 450 Stunden Material aus.

In rund einem Drittel (34 Prozent) der Sendungen kommt demnach Gewalt gegen Frauen und Mädchen vor, häufig wird dabei "explizite und schwere Gewalt" gezeigt. Sie wird am häufigsten in Krimis oder Spielfilmen gezeigt – aber nicht nur; sie kommt vielmehr in unterschiedlichen Sparten und Genres vor, auch in Kinder- und Familienfilmen. Im Vergleich mit dem realen Gewalterleben in der Gesellschaft sind im Fernsehen bestimmte Gewaltformen überrepräsentiert, während andere kaum gezeigt werden.

"Der Anteil von Mord als geschlechtsspezifische Gewalt ist im TV deutlich höher, während der Anteil von Körperverletzung deutlich niedriger ist", heißt es in der Studie. Auch die strukturelle Dimension geschlechtsspezifischer Gewalt wird weitgehend ausgeblendet.

"Medien prägen unsere Wahrnehmung der Realität", betont Maria Furtwängler, Mitgründerin der MaLisa Stiftung. Die Ärztin und Schauspielerin wies auf die besondere Verantwortung der Medienschaffenden hin: Wenn sie Gewalt gegen Frauen verzerrt darstellen, werden sie demnach ein Teil des Problems, obwohl sie auch Teil der Lösung sein könnten.

UFA-Geschäftsführer selbstkritisch

Das Babelsberger Filmunternehmen UFA hatte die Studie ebenfalls gefördert. Nach Bekanntwerden der Studienergebnisse zeigte sich UFA-Geschäftsführer Joachim Kosack selbstkritisch. Bisher habe man nicht nur beim Krimi zu wenig auf das Thema geachtet.

"Bei der Entwicklung unserer Stoffe reflektieren wir viel zu wenig, dass immer wieder stereotypisierte Erzählmuster wiederholt werden bzw. nicht in einen Kontext gesetzt werden, der diese Muster dramaturgisch einordnet", sagte er. In Zukunft wolle man sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen.

Dass es Handlungsbedarf gibt, haben Christine Linke und Ruth Kasdorf gezeigt. Ob sie mit ihrer Arbeit die notwendige Sensibilisierung in der Filmindustrie und im Fernsehen erreichen konnten, wird sich noch zeigen müssen. Sicher werden noch einige dicke Bretter zu bohren sein.

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