Aus für die Zapfsäule?

Aral Pulse Ladestationen mit Tankstelle im Hintergrund; Bild: IToms, CC BY-SA 4.0

Welche Zukunft haben Tankstellen, wenn die Nachfrage zurückgeht, weil die Kraftstoffpreise steigen oder keine Verbrenner mehr verkauft werden dürfen?

Zu Beginn des Jahres 1970 nennt Statista für Deutschland 46.091 Tankstellen. Seit damals reduzierte sich die Zahl, nicht zuletzt bedingt durch die Ölkrise 1973, von Jahr zu Jahr. 1999 gab es in Deutschland noch 16.617 Tankstellen, davon 330 an den Autobahnen. Bis 2020 war die Gesamt-Zahl auf 14.459 zurückgegangen, die Zahl der Autobahntankstellen hatte sich auf 359 erhöht.

Kraftstoffe wurden in den 1970er-Jahren noch an Bedienungsstationen verkauft und als Service wurde die Frontscheibe gereinigt und die toten Mücken entfernt. Aus Kostengründen wurden später SB-Stationen eingeführt und der Kunde musste selbst tanken und freute sich, als es keine Mücken mehr gab, die man von der Scheibe kratzen musste. Mit dem Rückgang der Stationen stieg der Umsatz pro Station. Die meisten Stationen wurden von lokalen Pächtern betrieben.

Die Preise wurden jedoch von den Mineralölgesellschaften vorgegeben und die Pächter hatten die Aufgabe, die Preise der umliegenden Wettbewerbsstationen per Telefon und später via BTX an den zuständigen Regionalvertriebsleiter durchzugeben. Wurden neue Preise festgelegt, mussten diese an den Zapfsäulen eingestellt und an den Transparenten gewechselt werden. Gleichzeitig musste auch der Bestand in den Erdtanks gepeilt und an den Vertrieb übermittelt werden.

Dabei zeigten sich physikalisch bedingte Verluste, weil der Kraftstoff mit dem Tankwagen von der Raffinerie kam und über die Messuhr des Tankwagens an die Erdtanks abgegeben wurde. Die Liefertemperatur war deutlich höher als die Lagertemperatur im Erdreich. Somit wurde ein größeres Volumen angeliefert und berechnet, als später verkauft werden konnte.

Der notwendige Ausgleich war meist ein ziemlich mühseliger Aufwand. Die Differenz knabberte an den Margen der Pächter. Die Mühen des Preisvergleichs mit den örtlichen Wettbewerbsstationen wurde erst erleichtert, als die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe beim Bundeskartellamt etabliert wurde.

Wenn die Nebengeschäfte zur Haupteinnahmequelle werden

Die Situation für die Pächter besserte sich erst, als die Tankstellenshops sich zu "Convenience Stores" entwickeln konnten. Das Zusatzgeschäft warf eine deutlich bessere Marge ab, war aber immer wieder von Abmahnvereinen gefährdet, die bestimmte Produkte, die vorwiegend an die Nachbarschaft verkauft wurden, als "nicht dem Reisebedarf zuzuordnen" bezeichneten und damit mittels kostenpflichtiger Abmahnung den Verkauf außerhalb der damals festgelegten Öffnungszeiten unterband.

Mit der zunehmenden E-Mobilisierung und dem damit verbundenen Rückgang des Neuwagenabsatzes bei den Verbrennern muss sich die Mineralölwirtschaft nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Dass hier das Ölförderland Norwegen ein Vorreiter ist, verwundert wenig. Um die Abhängigkeit vom Öl zu lockern, hatte der damalige Statoil-Konzern schon vor Jahren seine Tankstellen an Circle K Stores Inc., eine Tochter der kanadischen Alimentation Couche-Tard, verkauft.

Während Unternehmen wie die künftig mit alleinigem Hauptsitz im UK angesiedelte Shell sich mit der Übernahme von Sonnen- und Next-Kraftwerke inzwischen zumindest in Deutschland zum Grünstromanbieter entwickeln, suchen andere wie die zur BP Europa SE zählende Aral Aktiengesellschaft weiterhin ihre Aufgabe vorwiegend in der Energieversorgung für den Straßenverkehr. Weil sie bei den Ladestationen im Wettbewerb nicht zuletzt mit den Lademöglichkeiten zu Hause stehen, suchen sie neue Aufgabenfelder für ihre Tankstellen.

Im Jahre 2019 hat Aral ihre zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), dem Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt, ihre Prognosen für Mobilitätsverhalten im Jahr 2040 veröffentlicht.

Wie sich die Aral Aktiengesellschaft die Zukunft der Tankstellen vorstellt

Zwar ist die Zahl der Tankstellen zuletzt bundesweit wieder um 10 gestiegen, dennoch rechnet man bei den Autoren der Studie mit einer Änderung von Mobilitätsnachfrage und Mobilitätsverhalten. Diese veränderten Anforderungen werden auch Auswirkungen auf die Funktionen und damit auf die Gestaltung von zukünftigen Tankstellen haben.

Man unterscheidet in der Studie, die von einem bis 2040 deutlich zunehmenden Verkehrsaufkommen ausgeht, für die künftigen Aufgaben einer Tankstelle zwischen vier verschiedenen Raumtypen: Großstadt, ländlicher Raum, städtisch geprägter Kreis und Autobahn.

Beim DLR-Institut für Verkehrsforschung geht man davon aus, dass falls keine zusätzlichen politischen Maßnahmen ergriffen werden, die den motorisierten Verkehr reduzieren oder verlagern, die Fahrleistung von Pkw und Nutzfahrzeugen in Deutschland bis zum Jahr 2040 um 24 Prozent ansteigen wird.

Und diese Erwartung gilt auch für die Annahme sinkender Bevölkerungszahlen. Der Anstieg der Fahrleistung ist insbesondere durch den starken Zuwachs im Wirtschaftsverkehr sowie durch veränderte Mobilitätsmuster getrieben. Man nimmt an, dass man künftig bis ins hohe Alter mit dem Auto mobil sein wird, sofern keine alternativen Mobilitätsangebote bereitgestellt werden.

Dr. Julia Jarass und Mirko Goletz, die Projektleiter im Tankstellenzukunftsprojekt, stellen fest: "Durch Elektrifizierung, Automatisierung und neue Kundenbedürfnisse werden sich die Anforderungen im Tankstellengeschäft zukünftig deutlich verändern".

Dadurch böten sich Chancen für neue Geschäftsmodelle.

"Zum zukünftigen Angebotsspektrum zählen beispielsweise ultraschnelle Ladesäulen (bis zu 350 kW) für Pkw und Lkw, die Wartung von autonomen Flotten, ein Landeplatz für Lufttaxis sowie Akkuwechselstationen für E-Bikes und E-Scooter."

Zudem erwartet man, dass sich das Angebot konventioneller und alternativer Kraftstoffe durch einen breiten Antriebsmix bei den Fahrzeugen bis zum Jahr 2040 weiter vergrößern wird.

Die Tankstelle in der Großstadt wird zum serviceorientierten Mobilitätszentrum

Neue Mobilitätstrends setzen sich im dichten Großstadtverkehr am schnellsten durch. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Anforderungen an Tankstellen, die für den Kunden verschiedene Dienstleistungen anbieten: E-Bikes, autonome Sharing- und Pooling-Fahrzeuge sowie Lufttaxis sollen hier künftig bereitstehen und werden während ihrer Standzeit an der Tankstelle geladen und bei Bedarf gewartet. Zweiradfahrer können dann an Automaten neue geladene Akkus für ihr E-Fahrrad oder ihren E-Scooter ziehen. Überdies würde auch der Service für den wartenden Kunden ausgebaut werden.

Während bisher Tankstellen in ihren Bistros vor allem Speisen und Getränke verkaufen, könnten zukünftig Geschäftsleute vor Ort auch Meetingräume anmieten, um die Wartezeit effizient zu nutzen. Um diese Angebotsvielfalt im dichten städtischen Raum zu ermöglichen, wird im Gegensatz zur heutigen, meist eingeschossigen, eine mehrgeschossige Bauweise der Tankstellen erforderlich.

Städtisch geprägter Kreis, künftig der Umsteigeplatz mit Rundumversorgung

In der Annahme des DLR pendeln 2040 immer mehr Menschen aus umliegenden Gebieten in die Großstädte. Künftig könnten Tankstellen an den "Eingangstoren" zum städtisch geprägten Kreis die Möglichkeit zum Umstieg vom privaten auf kollektive Verkehrsmittel bieten (Park&Ride). Zum Beispiel könnten Reisende mit einem autonomen Pooling-Fahrzeug, einem komfortablen Premium-ÖPNV auf einer Extra-Spur oder dem Lufttaxi die "letzte Meile" ohne Stop-and-go im Stau überbrücken.

Darüber hinaus könnten Tankstellen für Betreiber autonomer Flotten umfassenden Service zur Verfügung stellen. Dies könnte von der Wäsche über ultraschnelles Laden bis hin zu kleineren Wartungsarbeiten reichen. Aber auch die Pendler können dort die Gelegenheit nutzen, ihr privates Fahrzeug zu waschen, im Shop einzukaufen, das Bistro aufzusuchen oder die Paketstation zu nutzen. Mit den Paketstationen könnte man auch den überbordenden Lieferverkehr, der durch den Online-Handel ausgelöst wurde, reduzieren.