David Bowie ist wieder online

David Bowie ist hier dank Spiegeln und Montagetechnik gleich siebenfach im Bild, das 1992 entstand. Foto: Albert Watson / Courtesy of Camera Work Gallery

Die Berliner Galerie Camera Work hat eine rein virtuelle Ausstellung mit hochkarätigen Porträtfotos von Superstar David Bowie anlässlich seines 75. Geburtstags erstellt

Dies ist keine Nachricht aus dem Jenseits. Aber David Bowie scheint lebendig wie eh und je, unsterblich nicht nur durch seinen Nimbus als Popstar, sondern auch höchst präsent in der Porträtfotografie. 1996 hatte der Superstar als einer der ersten Prominenten überhaupt eine eigene Website.

Jetzt veranstaltet die Berliner Galerie Camera Work mit Bowie einen zu den Corona-Zeiten genau passenden Event: Mehr als 30 hochkarätige Fotografien unter anderem von Ellen von Unwerth, Albert Watson, Terry O’Neill, Herb Ritts und Brian Duffy zeigen die verschiedenen Images, sowohl die Selbst- als auch die Fremdbilder des "Chamäleon des Pop", wie Bowie seiner neugierigen Wandelbarkeit wegen genannt wurde. Die Ausstellung ist bis zum 17. Februar kostenlos online zu sehen.

Den chronologischen Beginn macht dabei Brian Duffy, der David Bowie schon 1973 vor die Linse holte. Damals war der spätere Weltstar Bowie kaum bekannt, hatte aber mit seinem ungewöhnlich schönen Gesicht bereits einen starken Hingucker-Effekt. Bowie signierte das Foto-Exemplar, das sein Album "Aladdin Sane" als Cover zierte und hier nun weltweit einsehbar online steht – und es ist in der Tat, als grüße der Musiker posthum noch einmal mit der typischen Geste einer Pop-Ikone.

"David Bowie with Mirrors" hingegen, 1992 von Albert Watson angefertigt, zeigt Bowie gleich siebenfach: Mit dem Rücken zum Betrachter stehend, scheint er es leibhaftig selbst zu sein, während er auf eine Montage von sechs gespiegelten Bowie-Abbildern schaut.

Man darf mit Bowie staunen: Im makellosen Anzug mit Krawatte und tadellos geföhnter Frisur wirkt der musikalische Outlaw wie ein Yuppie, der es endlich in die Chefetage geschafft hat. Und doch ist da außer seinen bis fast vors Gesicht erhobenen Händen auch in seinen Augen etwas, das den Outlaw in ihm verrät: das Wilde und Ungezähmte seiner musikalischen Natur.

Als Teenager war auch er Teil erfolgloser Bands

Tatsächlich kam Bowie nicht zufällig zum Pop. Schon als Teenager trat er auf, nannte sich, der als David Robert Jones in London geboren worden war, "Dave Jay" und hottete durch diverse erfolglose Bands. Er spielte Saxophon, sang und war – zunächst vergebens – auf der Suche nicht nur nach sich selbst, sondern auch nach ganz neuen Möglichkeiten, Rock und Pop anzubieten.

Seine erste Single 1964 floppte, und auch Bowies Versuche als Folksänger waren nicht von besonderem Erfolg gekrönt. Aber dann: Mit der Freundschaft zu Tony Visconti, einem britisch-amerikanischen Musikproduzenten, kam eine sowohl mainstreamige als auch eigenwillige Soundmaschine auf David Bowie zu. Und die brachte ihm endlich den kommerziellen Erfolg, auf den er hingearbeitet hatte.

1972 war es soweit. Als Kunstfigur "Ziggy Stardust" schaffte Bowie es auf Platz eins der britischen Verkaufscharts. Was ihn sogleich auf eine Welttournee führte. In der analogen Welt ohne Internet, ohne Handy, sogar ohne Fax war eine solche groß angelegte Tournee die beste Möglichkeit, in alle verfügbaren Medien – also ins Radio, ins Fernsehen und die Print-Presse – zu kommen. Ruhm gehörte durchaus zum Kunstkonzept von Bowie, der sich dafür gern in fiktive Personen verwandelte.

Auch in der Ausstellung "David Bowie" brilliert er als "Ziggy Stardust". Seine dafür glänzend rotgefärbten Haare und das in Rosétönen gehaltene Make-up mit exotischer Bemalung quer über Stirn und Wange machen aus dem ohnehin androgyn wirkenden jungen Mann eine auch erotisch hinreißende Fantasiefigur. Brian Duffy hat ihn so abgelichtet, und für viele Bowie-Fans ist das der wahre David Bowie.

Das Spiel mit Geschlechterrollen gehörte zu ihm

Damals wurde gerätselt, ob Bowie schwul oder hetero sei, und manche warteten auf ein Geständnis zur Bisexualität. Stattdessen hatte der durchaus berechnende Bowie die Chuzpe, sich in einem Interview als angeblich schwul zu outen, wiewohl er – sozusagen heimlich – bereits in erster Ehe verheiratet und Vater eines Sohnes war.

Das Spiel mit Bildern und auch geschlechtlichen Identitäten war für David Bowie aber ein wesentlicher Bestandteil seines Berufs und seines Erfolgs. Dabei erfüllte er kollektive Wunschbilder, indem er für Foto-, Musik- und Filmaufnahmen in Rollen schlüpfte, die er nie zuende spielen musste.

1976 zog es ihn ins damals flippige West-Berlin, zusammen mit dem Musikerkollegen Iggy Pop. Iggy und er wohnten im selben Haus im Stadtteil Schöneberg, und Bowie konnte sich eine sanierte Altbauwohnung mit sieben Zimmern leisten.

Als Vielschreiber komponierte Bowie auch Songs für seinen Kumpel Iggy, und die Ähnlichkeit ihrer Pseudonyme und Künstlernamen ist augen- und ohrenfällig: Ziggy Stardust, dessen Nachname "Sternenstaub" bedeutet, verweist auf das Ziel, zu den Popstars zu gehören, während Iggy Pop, der bürgerlich James Newell Osterberg heißt, sich schlicht den geliebten Pop selbst zum Nachnamen erkor.

Wer bei ihnen Drogen vermutete, lag indes nicht ganz falsch. Aber auch Entzugserfahrungen teilten sie, und David Bowie wurde ein Meister darin, seine psychedelischen Erfahrungen in Musik umzugestalten. In den Porträtfotos von ihm sieht man vor allem seine Wandelbarkeit, vermischt mit einem Perfektionismus, der ihn der Öffentlichkeit als "sauber" und "cool" präsentierte.

Und: In den Bildern überwiegt jeweils der Eindruck einer Inszenierung. Nichts ist da zufällig, der Gesichtsausdruck nicht und nicht mal eine Haarsträhne. Aber gerade durch diesen hohen Grad an Künstlichkeit erscheint Bowie immer wieder als vitaler Macher. Als egozentrischer Schöpfer legte er selbstverständlich großen Wert auf sich selbst, er wollte aber zugleich allen anderen gefallen.

Er hatte einst als Außenseiter angefangen und dann als Außenseiter im Mainstream gewonnen – diese Erfolgskurve blieb ihm lebenslang erhalten. Das zeigen auch die Porträts, die seine Schönheit feiern.

"Thin White Duke" und "armer, schöner Gigolo"

Als selbsternannter elitärer "Thin White Duke", der sogar kurz in den Verdacht geriet, faschistoid zu sein, hantiert David Bowie mit keck blondiertem Haar so narzisstisch wie lüstern, mit der Zigarette als Selbstdarstellungsrequisit. Anton Corbijn hat ihn so ins scharfe Nachtlicht gesetzt. Bowie als geisterhafte Erscheinung, die adlig und vornehm und doch so modern zugleich zu wirken vermag.

Im Kontrast dazu war Bowie in Berlin im wahren Leben mit dem Travestie-Star Romy Haag liiert – und spielte 1979, in seinem Abschiedsjahr von Berlin, im letzten Film von Marlene Dietrich, also in "Schöner Gigolo, armer Gigolo", einen durchaus halbseidenen Charakter.

Fast privat zeigt ihn hingegen Ellen von Unwerth. Da sitzt er im vornehm nostalgischen Ambiente eines Schwarz-weiß-Fotos auf der Bettkante, eine Gitarre statt einer oder eines Geliebten im Arm. Sein Lächeln hier erinnert an das eines Pin-up-Boys – was wirklich selten ist für Bowie, der auf Fotos nur selten unbedarft grinst.

Seine Intensität rührt vielmehr von einer starken Willenskraft, die sein Gesicht ausstrahlt. "Under Pressure" heißt seine Song-Kooperation mit der Rockgruppe "Queen" – und unter Hochdruck scheint Bowie in der Tat immer zu stehen. Dass sein linkes Auge stets dunkler wirkt als sein rechtes, soll übrigens an den Folgen einer Verletzung liegen, die ihm in jungen Jahren eine Prügelei eintrug: Die Pupille ist starr und erweitert.

Das Mysteriöse am Auftritt von David Bowie wird dadurch nur noch erhöht. So auch in Porträts wie dem besten von Herb Ritts. Er ließ Bowie mit einer großen Metallkugel spielen, was dann aussieht, als umarme Bowie einen Globus. Irgendwie rührend.

In den 1980er-Jahren, nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau, zog Bowie in die Schweiz, versuchte sich dort als allein erziehender Vater. Engagements am Broadway in New York taten dem keinen Abbruch. Nach der Heirat mit dem Model Iman 1992 zog die Familie denn auch ganz an den Hudson River, und David Bowie fabrizierte weltweit erfolgreiche Hits: "Let’s dance", "China Girl" und "This is not America".

Den Erfolg seines letzten Albums erlebte er nicht mehr

Sein letztes Album, "Blackstar", erschien an seinem 69. Geburtstag. Doch den großen Erfolg dessen konnte David Bowie nicht mehr genießen: Er starb zwei Tage später an Leberkrebs. Eineinhalb Jahre lang hatte er die Diagnose geheim gehalten und das Image vom unverwundbaren, schier unsterblichen King of Pop aufrechterhalten.

Glamrock und Rockpop, Einflüsse von "Tangerine Dream", aber auch vom Minimal-Music-Komponisten Steve Reich prägen seine Musik. Das Spiel mit Geschlechterrollen gehörte aber bis zum Schluss zu ihm. Mark Seliger fotografierte Bowie als New Romance Dandy in einem durchaus feminin zu nennenden Outfit, mit einer Spinnenbrosche am Revers – Gothic style trifft auf romantische Attitüde.

David Bowie wurde in der Tat unsterblich, und diese Fotos legen davon Zeugnis ab. Der Anlass der Ausstellung ist übrigens der 75. Geburtstag Bowies in diesem Jahr. Und da man zu keinem Grab von Bowie pilgern kann – seine Asche wurde seinem Wunsch gemäß auf Bali verstreut – bietet diese Online-Ausstellung für jede:n die Möglichkeit zu einer würdevollen Huldigung.

Gisela Sonnenburg ist als Journalistin breit aufgestellt, gründete 2014 das Ballett-Journal auf www.ballett-journal.de und ist auch als Choreografin tätig.

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