Covid-19-Impfungen: Risiko für Herzmuskelentzündung durch mRNA?

Ausweitung der Impfkampagne auf Kinder und Jugendliche hat viele Fürsprecher. Doch bei männlichen Kindern, Jugendlichen und jungen Männern ist Risiko-Nutzen-Abwägung nötig. Das zeigen Daten aus den USA

Das Auftreten einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) nach einer Covid-19-Impfung mit den mRNA-Vakzinen Comirnaty von Biontech-Pfizer bzw. Spikevax von Moderna ist eine zwar sehr seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung dieser beiden Impfstoffe.1 Über die Höhe dieses Risikos und die Auswirkungen dieser Impfstoffkomplikation bestehen jedoch noch Unklarheiten.

Vor einigen Tagen hat die renommierte medizinische Fachzeitschrift JAMA (Journal of American Medical Association) eine Studie über die in den USA vom Dezember 2020 bis zum August 2021 festgestellten Myokarditis-Fälle nach mRNA-Impfungen veröffentlicht. Mit den wichtigsten Daten und Erkenntnissen dieser Untersuchung, an der eine Vielzahl von Wissenschaftlern aus den USA mitgearbeitet hat, werde ich mich im Folgenden beschäftigen.2

Einführung in die Studie

Eine Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels, die im Säuglings- und Jugendalter oder im jungen Erwachsenenalter eine zweigipfelige Häufigkeit aufweist.

Das klinische Erscheinungsbild und der Verlauf dieser Erkrankung ist variabel, wobei einige Patienten keine Behandlung benötigen und andere eine schwere Herzschwäche entwickeln, die eine nachfolgende Herztransplantation erforderlich machen oder zum Tod führen.

Der Beginn der Myokarditis wird typischerweise durch einen eine Entzündung auslösenden Prozess getriggert, oft in Folge einer Viruserkrankung. In vielen Fällen ist jedoch bei der Diagnose keine vorangegangene Ursache festzustellen.

Es gibt Hinweise dafür, dass auch Covid-19 mit einer Myokarditis einhergehen kann, insbesondere bei schweren Krankheitsfällen, die eine Behandlung auf der Intensivstation erfordern. Einzelfälle sind beschrieben worden.3

Auch wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Covid-19-Impfung ein Auslöser für Myokarditis sein kann. Allerdings wurde bisher nur der Pockenimpfstoff kausal mit einer Myokarditis in Verbindung gebracht, basierend auf Berichten unter US-Militärpersonal, wobei die Fälle typischerweise 7 bis 12 Tage nach der Impfung auftraten.4

Mit der Umsetzung des groß angelegten, nationalen Covid-19-Impfprogramms ab Dezember 2020 begannen das US-amerikanische Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die Food and Drug Administration (FDA) mit der Überwachung der Geimpften hinsichtlich einer Reihe unerwünschter Ereignisse von besonderem Interesse. Dazu gehörten vorrangig Myokarditis und Perikarditis.

Eingesetzt wurde zu diesem Zweck das Vaccine Adverse Event Reporting System (Vaers), ein langjährig in den USA etabliertes nationales Spontanmeldesystem zur passiven Überwachung.5

Das Ziel der vorliegenden Studie war, die gemeldeten Myokarditis-Fälle in Zusammenarbeit mit dem CDC und medizinischen Forschungszentren, zu denen Ärzte für Infektionskrankheiten und andere Spezialisten (z. B. Kardiologen) gehörten, zu bewerten und Einschätzungen des Myokarditis-Risikos nach einer mRNA-basierten Covid-19-Impfung in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Art der Impfung festzustellen.

Zusammenfassung

Design, Setting und Teilnehmer: Es handelt sich um eine deskriptive Studie über Berichte über Myokarditis an das Vaccine Adverse Event Reporting System (Vaers), die nach der Verabreichung eines mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffs zwischen Dezember 2020 und August 2021 bei 192.405.448 Personen über 12 Jahren in den USA aufgetreten sind.

Die Impfungen erfolgten mit BNT162b2 (Comirnaty/Pfizer-Biontech) oder mRNA-1273 (Spikevax/Moderna).

Untersuchungsmaßnahmen: Berichte über die gemeldeten Myokarditis-Fälle an Vaers wurden für alle Altersgruppen beurteilt und zusammengefasst. Die rohen alters- und geschlechtsspezifischen Melderaten wurden errechnet. Die erwarteten Fälle von Myokarditis (ohne eine vorherige Impfung) wurden nach Alter und Geschlecht unter Verwendung von vorliegenden geschätzten Daten aus 2017 bis 2019 ebenfalls berechnet (Hintergrundinzidenzen) und konnten so mit den gemeldeten Myokarditis-Fällen verglichen werden.

Für die Personengruppen unter 30 Jahren wurden Überprüfungen der Krankenakte und Interviews mit den behandelnden Klinikern durchgeführt, um Informationen über die klinischen Befunde, die diagnostischen Untersuchungsergebnisse, die Behandlung und deren frühe Ergebnisse zu erhalten.

Ergebnisse: Von 192.405.448 Personen, die während des Untersuchungszeitraums insgesamt 354.100.845 mRNA-basierte Covid-19-Impfstoff-Dosen erhielten, gab es 1991 gemeldete Berichte über eine Myokarditis an Vaers und 1626 dieser Berichte erfüllten nach Überprüfung die Falldefinition einer Myokarditis.

Bei den Patienten mit Myokarditis betrug das mediane Alter 21 Jahre und die mediane Zeit bis zum Symptombeginn zwei Tage. Männer machten 82 Prozent der Myokarditis-Fälle unter denjenigen Betroffenen aus, bei denen das Geschlecht gemeldet worden war.

Die groben Melderaten für Fälle von Myokarditis innerhalb von sieben Tagen nach der Covid-19-Impfung übertrafen die zu erwartenden Melderaten (Hintergrundinzidenzen) an Myokarditis-Fällen in mehreren alters- und geschlechtsabhängigen Gruppen deutlich.

So zeigt die Tabelle 2 in der Originalarbeit6, dass die gemeldeten Fälle an Myokarditis nach der zweiten Impfdosis bei männlichen Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren (70,7 pro 1 Million Dosen Comirnaty), bei männlichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren (105,9 pro 1 Million Dosen Comirnaty) und bei jungen Männern im Alter von 18 bis 24 Jahren (52,4 und 56,3 pro 1 Million Dosen Comirnaty bzw. Spikevax) am höchsten waren und die erwarteten Fälle (Hintergrundinzidenzen) um ein Vielfaches übertrafen.

Wenn man die Daten der in der Tabelle 2 gemeldeten Fälle mit den erwarteten Fällen einer Myokarditis (Hintergrundinzidenzen; ohne vorherige Impfung) in Beziehung setzt, ergibt sich das folgende Bild:

Bei den 12- bis 15-Jährigen wurde nach Impfung mit Cominaty die jeweilige Hintergrundinzidenz um das 133-fache, bei den 16- bis 17-Jährigen um das 79-fache, bei den 18- bis 24-Jährigen um das 30-fache und bei den 25- bis 29-Jährigen um das 12-fache übertroffen. Ab dem 50. Lebensjahr ergab sich den Männern kein Unterschied mehr zwischen den gemeldeten Fällen einer Myokarditis nach Impfung mit Comirnaty und den erwarteten Fällen.

Insgesamt gab es 826 Fälle von Myokarditis unter den Betroffenen, die jünger als 30 Jahren waren und bei denen detaillierte klinische Informationen zur Verfügung standen.

Von diesen Fällen hatten 792 von 809 (98 Prozent) ein erhöhtes Troponin (Eiweißkomplex, der einen Herzmuskelschaden anzeigen kann), 569 von 794 (72 Prozent) ein abnormales Elektrokardiogramm und 223 von 312 (72 Prozent) einen krankhaften Befund bei einer kardialen Magnetresonanztomographie-Untersuchung.

Etwa 96 Prozent der Personen (784/813) wurden ins Krankenhaus eingeliefert und 87 Prozent (577/661) von ihnen hatten zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung keine Symptome mehr.

Die häufigste medikamentöse Behandlung bestand in nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (589/676; 87 Prozent).