Planetare Grenze Nummer 5 ist überschritten

Plastikmüll am Roten Meer. Bild: Vberger / Public Domain

Die Verschmutzung der Umwelt mit Plastik und anderen "neuartigen Substanzen" ist ins Unkontrollierbare gewachsen

Die Masse von Plastik auf der Erde ist mittlerweile mehr als doppelt so groß wie die Masse aller lebenden Säugetiere zusammen. Anders als die Säugetiere, deren Körper nach dem Tod wieder abgebaut werden, verbleibt rund 80 Prozent des Plastiks für sehr lange Zeit in der Umwelt. Zu finden ist es in den entlegensten Winkeln von der Arktis bis zur Antarktis. Und stetig nimmt die Plastikproduktion zu, allein zwischen 2000 und 2015 hat sie sich um 79 Prozent gesteigert.

Plastik ist aber keine einheitliche chemische Substanz und die Plastikarten wiederum sind nur ein Bruchteil der schätzungsweise 350.000 künstlich hergestellten chemischen Substanzen, die es heute auf dem Weltmarkt gibt, viele davon "mit weitgehend unbekannten Auswirkungen auf das Erdsystem", wie das Stockholm Resilience Centre mitteilt.

Konzept der "Planetaren Grenzen"

Das ist auch der Grund, dass das schwedische Institut, an dem 2009 unter Federführung von Johan Rockström das Konzept der "Planetaren Grenzen" entwickelt wurde, Mitte Januar Alarm geschlagen hat, dass die Menschheit nunmehr die fünfte dieser neun Grenzen überschritten hat. Die "Planetaren Grenzen" beschreiben den Bereich, in dem die Menschheit sich noch in einem "sicheren Handlungsbereich" befindet. Eine Überschreitung dieser Grenzen birgt die Gefahr einer abrupten oder irreversiblen Veränderung, die das gesamte Erdsystem betrifft.

Am bekanntesten sind solche Grenzen in Bezug auf die Klimaerwärmung, die 2015 in Paris mit einem Grenzwert versehen wurde, der irgendwo zwischen 1,5 und zwei Grad Celsius globaler Erwärmung liegt. Jenseits dessen drohen Kipppunkte überschritten zu werden, etwa bei der Eisschmelze in der Arktis und Antarktis. Schmelzen dort die großen Gletscher, sind sie unter menschlichen Zeitmaßstäben irreversibel verloren und wir müssen u.a. mit einem deutlich höheren Meeresspiegel leben.

Laut Stockholm Resilience Centre gilt die Grenze für den Klimawandel heute schon als überschritten, ebenso sind die Grenzen für Phosphor- und Stickstoffeinträge (biogeochemische Kreisläufe), für Landnutzungsänderungen und für den Biodiversitätsverlust überschritten. Noch im grünen Bereich befinden sich hingegen der Süßwasserverbrauch, die Versauerung der Ozeane und auf dem Weg der Besserung der Ozonabbau in der Stratosphäre. Bislang keinen Grenzwert gibt es für die Aerosolbelastung der Atmosphäre.

Grenze für den Eintrag neuartiger Substanzen in die Umwelt

Auch für die Grenze für den Eintrag neuartiger Substanzen in die Umwelt war bislang kein Grenzwert definiert worden. Zu den neuartigen Substanzen zählen etwa Plastik, Pestizide, Chemikalien in der Industrieproduktion und in Konsumgütern, Antibiotika und andere Medikamente.

Gerade in der Neuartigkeit liegt das Problem vieler dieser Stoffe, denn ihre Auswirkungen auf die Umwelt und das ganze Erdsystem können oftmals erst abgeschätzt werden, nachdem sie bereits in großem Maßstab verbreitet wurden – wenn es mitunter schon zu spät ist.

Hinzu kommen chemische Zwischenprodukte, die im Produktionsprozess entstehen können und die teilweise bei der Sicherheitsbewertung von Chemikalien nicht berücksichtigt werden. Eine Gruppe von Wissenschaftler:innen (Linn Persson et. al.) argumentieren nun in einer im Fachjournal Environmental Science & Technology erschienenen Studie, dass die Grenze für den Eintrag neuartiger Substanzen bereits überschritten ist – ohne dass dafür nun ein klarer Grenzwert definiert wäre.

"Wir sind der Meinung, dass der sichere Handlungsbereich der Planetaren Grenze für den Eintrag neuartiger Substanzen überschritten wird, wenn die jährliche Produktion und die Freisetzungen in einem Tempo ansteigen, das die globalen Kapazitäten zur Bewertung und Überwachung übersteigt", schreiben die Wissenschaftler:innen.

Und auch wenn keine genaue Zahl genannt wird, werden einige mögliche Kontrollgrößen für diese Planetare Grenze aufgeführt. Eine solche könnte beispielsweise die Menge von verbrauchtem Ausgangsmaterial für die chemische Produktion sein. Im Jahr 2017 waren das 92 Milliarden Tonnen und es wird prognostiziert, dass sich die Menge bis zum Jahr 2060 auf 190 Milliarden Tonnen steigern wird. Anders als der Input in die Industrie sei der Eintrag von Stoffen in die Umwelt viel schwieriger zu überwachen.

Gerade die Plastikproduktion zur Kontrollgröße zu erheben, habe den Vorteil, dass hierfür globale Daten vorhanden sind, die eine kontinuierliche Überwachung ermöglichen.

Prognose

"Die kumulierte Weltproduktion wird sich bis 2050 voraussichtlich verdreifachen und 33 Milliarden Tonnen erreichen. Die Produktion von Kunststoffen und damit auch von Kunststoffabfällen wird voraussichtlich so stark zunehmen, dass die Strategien zur Bekämpfung der weltweiten Kunststoffverschmutzung nicht mehr greifen", lautet die Prognose zur künftigen Plastikproduktion und -verschmutzung.

Allein Plastik enthält über 10.000 verschiedene Chemikalien, und beim Zerfall von Plastik können neue Verbindungen entstehen. Verbindungen, deren Auswirkungen auf die Umwelt vielfach nicht untersucht werden. Dabei ist schon jetzt bekannt, dass die Plastikverschmutzung nicht nur lokale Umweltschäden verursacht.

Mikroplastik verändert beispielsweise Kohlenstoff- und Nahrungskreisläufe im Ozean sowie den Lebensraum Boden. Mikroplastik kann sich aber auch zu einem Transportmedium für alle möglichen anderen Schadstoffe entwickeln. Denn an seine Oberfläche können sich etwa Bakterien oder Pilze, aber auch Antibiotika heften, die dann mit dem Plastikpartikel zusammen weitergetragen werden.

Der chemischen Industrie müssten Grenzen gesetzt werden, fordert die Co-Autorin der Studie Carney Almroth:

Wir müssen auf die Einführung einer festen Obergrenze für die Produktion und Freisetzung von Chemikalien hinarbeiten.

Darüber sei die Umstellung von der Wegwerfgesellschaft zu einer Kreislaufwirtschaft sehr wichtig, erklärt Sarah Cornell vom Stockholm Resilience Centre.

Das bedeutet, dass wir Materialien und Produkte so verändern müssen, dass sie wiederverwendet und nicht verschwendet werden können, dass wir Chemikalien und Produkte so konzipieren, dass sie recycelt werden können, und dass wir die Sicherheit und Nachhaltigkeit von Chemikalien entlang ihres gesamten Wirkungspfades im Erdsystem viel besser überprüfen.

Sarah Cornell