Russland und der Westen: Dialog "zwischen Stummen und Tauben"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr russischer Amtskollege Sergej Lawrow. Foto: Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland

Aktuell findet viel "Dialog" zwischen Russland und dem Westen statt. Nur Ergebnisse fehlen. Und manchmal auch die Ernsthaftigkeit

Eine der Lieblingsaussagen in der deutschen und europäischen Politik ist es, die Wichtigkeit des Dialogs mit Russland trotz aller Meinungsverschiedenheiten zu betonen. Gelegenheit zu solchem Dialog gibt es genug, bi- und multilaterale Treffen gab es seit Jahresbeginn bereits eine Menge, doch all diese Gespräche enden weitgehend ergebnislos - nicht nur wegen zu weit auseinander liegenden Positionen.

Gesprächsende nach Stunden im Nichts

Frust macht sich da sogar bei den Teilnehmern breit, wie beim russischen Außenminister Sergej Lawrow. Dieser stellte auf der Pressekonferenz nach dem Treffen mit seiner britischen Kollegin Liz Truss fest, die Verhandlungen seien gelaufen wie ein Gespräch "der Stummen mit den Gehörlosen". Man scheine einander zuzuhören, tue es aber nicht wirklich. Noch vernichtender kann die Bilanz einer Verhandlungsrunde zwischen zwei Staaten kaum sein.

Auch über die letzte Verhandlungsrunde zum Donbass-Konflikt im sogenannten "Normandie-Format" in Berlin urteilte die russische Zeitung Kommersant, das Treffen habe "im Nichts geendet, obwohl es Stunden dauerte". Zusammengekommen waren wichtige Berater der Staatsoberhäupter von Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine. Das Resultat der Runde war damit noch enttäuschender als das des direkten Vorgängergesprächs in Paris, wo man sich am Ende immerhin auf ein mageres gemeinsames Papier, bestehend aus fünf Sätzen einigen konnte.

Es reden nicht die, die schießen

Ist der einzige noch bestehende Sinn dieser Gespräche, wie es kürzlich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ausdrückte: "Wer redet, schießt nicht"? Tatsächlich stehen sich während all dieser ansonsten ergebnislosen Politikerrunden bis an die Zähne bewaffnete Einheiten auf beiden Seiten der Grenze gegenüber.

Fehlinterpretationen oder Missverständnisse können hier leicht eine militärische Eskalation auslösen. Nur "weil niemand an einem großen Krieg in Europa interessiert ist, heißt das nicht, dass es keinen solchen geben wird" drückt der russische Experte Andrej Kortunow gegenüber der Moskauer Deutschen Zeitung seine Besorgnis aus, Fehlinterpretationen könnten die Lage zur Explosion bringen.

So muss man Frau Baerbock leider widersprechen, wenn sie meint, Gespräche wie die aktuellen könnten eine Eskalation verhindern. Denn die, die im Ernstfall schießen, sind nicht diejenigen, die in den Konferenzräumen zusammensitzen. Gerade Dialoge "mit Härte", wie sie Baerbock propagiert, sind oft Dialoge ohne Kompromissbereitschaft.

Ein reiner Austausch von Positionen, nach dem man ohne positive Folgen wieder auseinander geht, während in der Konfliktregion schon diplomatisches Personal evakuiert wird. Nur eine Änderung der angespannten Lage über gegenseitige Vereinbarungen würde dagegen die Spannungen wirklich reduzieren.

Vom anderen stets das Schlimmste denken

So ist es wichtig, zu analysieren, warum ein echter Fortschritt bei all diesen Gesprächsrunden ausbleibt. Kortunow hatte im zuvor erwähnten Interview eine eindeutige Meinung: Beide Seiten gingen aktuell stets vom "Worst-Case-Szenario" aus, dass die Gegenseite beabsichtigt, einem maximal zu schaden. Dadurch drehe sich die Eskalationsspirale.

Ein weiteres Problem ist, dass keiner von seinen Positionen abrücken will. So beharrt die Ukraine darauf, dass sie nicht mit Vertretern der abtrünnigen Rebellengebiete sprechen will, Russland beharrt darauf, dass genau dieses Gespräch notwendig sei. So negiert Kiew, dass diese Vertreter überhaupt existieren, Russland negiert seinen beträchtlichen Einfluss auf die separatistischen Führer. Vorwärts geht so im Donbass nichts.

Im Gespräch mit der Deutschen Welle betont der frühere russische Außenminister Igor Iwanow, dass beide Seiten bis zu einem gewissen Grad Schuld am Scheitern aller Gesprächsrunden hätten. Zu Verhandlungen gäbe es keine Alternative, Rhetorik mit gegenseitigen Schuldvorwürfen ändere an der Situation nichts.

Der wichtige Hund und fehlende geografische Kenntnisse

Richtig schlimm ist es allerdings, wenn es trotz der brenzligen Lage die Verhandelnden es sogar an Ernsthaftigkeit fehlen lassen. So berichtet Kommersant über das gescheiterte Berliner Normandie-Format-Treffen, der deutsche Vertreter habe seine Kollegen irgendwann damit überrascht, er müsse nun mit seinem Hund Gassi gehen.

Auch die britische Außenministerin wusste in Moskau zu schocken. Lawrow fragte sie, ob sie die Souveränität Russlands über die Gebiete Rostow und Woronesch anerkenne, wo gerade die vom Westen scharf kritisierten russischen Großmanöver stattfinden. "Großbritannien wird niemals die russische Souveränität über diese Regionen anerkennen", antworte Truss.

Ihre eigene Botschafterin musste sie daraufhin vorsichtig beiseite nehmen und ihr erklären, dass es sich hier um völkerrechtlich unzweifelhafte Teile der Russischen Föderation handelt, die nicht etwa auf der Krim liegen.

Wenn das der Umgang mit dem viel beschworene Dialog in einer der größten Krisen Osteuropas in der Nachkriegsgeschichte ist, muss einem wirklich für die Zukunft angst und bange werden. Denn im Gegensatz zu zähen Verhandlungen geschieht die Eskalation vor Ort von selbst und manchmal fast automatisch.

Roland Bathon ist auf Russland und Osteuropa spezialisierter Journalist und Autor des neu erschienenen Buchs "Putin ist nicht Russlands Zar – über Hintergründe und Basis der Macht des Kreml - Infos www.journalismus.ru

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