Schwere Vorwürfe gegen NDR-Leitung: Beschäftigte beklagen "politischen Filter"

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland bedarf einer Reform. Die jüngsten Vorwürfe lassen Zweifel an objektiver Berichterstattung aufkommen. Doch es gibt noch mehr Gründe für einen Wandel.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steckt in der Krise: Die Affäre um Filz und Vetternwirtschaft beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat das Vertrauen in die Arbeit der Rundfunkanstalten schwer beschädigt.

Längst steht aber nicht mehr nur die abberufene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger im Mittelpunkt des Interesses – auch gegen den NDR wurden inzwischen Vorwürfe laut. Dabei geht es nicht um private Zusammenkünfte, die mutmaßlich als Geschäftsessen deklariert wurden, sondern um das Grundlegende: die journalistische Arbeit.

Recherchen des Magazins Business Insider deckten die Vorwürfe von NDR-Mitarbeitern aus dem Rundfunkhaus in Kiel auf. Sie hatten sich demnach in den letzten beiden Jahren an den Redaktionsausschuss des NDR gewandt, einem Gremium aus mehr als 20 gewählten freien und festen Journalisten, das als Anlaufstelle für interne Beschwerden dient.

Beim NDR in Kiel gebe es einen "politischen Filter", behaupteten demnach Journalisten. Führungskräfte würden wie "Pressesprecher der Ministerien" agieren und kritischen Themen frühzeitig die Relevanz absprechen. "Autoren würden abgezogen und Beiträge in den Abnahmen massiv verändert", heißt es in dem Bericht weiter.

Klima der Angst beim NDR in Kiel

Business Insider berichtet ausführlich aus einem internen Bericht des Redaktionsausschusses. In diesem soll es heißen, dass sich die Schilderungen von vielen Mitarbeitern ähnelten. "Die Kolleginnen und Kollegen berichten uns von einem ‚Klima der Angst‘ und großem Druck", heißt es demnach in dem Papier. Offenbar versuchten auch Vorgesetzte gezielt herauszufinden, wer sich mit Beschwerden an den Redaktionsausschuss gewandt hatte.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte der Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, Volker Thormälen, noch versucht, die Angelegenheit zu deckeln. Er lud die Mitarbeiter zu einem "Open Talk", einem zwanglosen Austausch, ein.

Doch inzwischen haben die Vorwürfe weite Kreise gezogen und Politiker sahen sich gezwungen, Stellung zu nehmen. "Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst", heißt es in einer Stellungnahme der SPD-Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein. Man stehe zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dazu gehöre "die unabhängige und kritische Berichterstattung über die Verantwortungsbereiche des Staates und der Politik".

Die im Raum stehenden Vorwürfe seien geeignet, Zweifel an der Unabhängigkeit des Rundfunks zu säen. Deshalb müssten sie "schnellstmöglich, lückenlos und vor allem transparent" aufgearbeitet werden.

Die Sozialdemokraten kündigten zudem eine Kleine Anfrage im Landtag an. Mit ihr wollen sie transparent machen, "welche Kontakte zwischen dem Kabinett mit seinen Staatssekretärinnen und Staatssekretären sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des NDR mit Leitungsfunktion zwischen April 2020 und Juni 2022 stattgefunden haben".

Arbeit – nur mit Dienstwagen und Chauffeur

Auch andere ARD-Rundfunkanstalten zogen das Interesse der Springer-Medien auf sich. Offenbar gönnte sich nicht nur die abberufene RBB-Intendantin etwas auf Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch andere Häuser verwöhnen ihre gut bezahlten Chefs mit luxuriösen Arbeitsbedingungen.

Die Technik-Direktorin des Bayerischen Rundfunks, Birgit Spanner-Ulmer, bekommt nicht nur 266.000 Euro im Jahr für ihre Arbeit – sie verfügt auch über zwei Dienstwagen und zwei Chauffeure, die auch für private Fahrten für sie zur Verfügung stehen. Im Nebenjob darf sie auch im Aufsichtsrat des Salzgitter-Konzerns sitzen, wofür sie im letzten Jahr zusätzliche 68.000 Euro bekam.

Eine Anfrage der Springer-Medien bei den ARD-Anstalten hatte ergeben, dass nicht nur die Intendanten "Zugriff auf Fahrer und Luxus-Fahrzeug" haben, sondern auch mindestens 24 Angestellte im Rang eines Direktors.

Aufgelistet werden beim SWR: Intendant Kai Gniffke und sämtliche acht Direktoren. Beim MDR würden ebenfalls acht Direktoren "in noblem Audis und BMWs kutschiert". Beim WDR haben Intendant Tom Buhrow und drei von fünf Direktoren einen Dienstwagen. Einen Chauffeur hat aber nur Buhrow, der kürzlich zugeben musste, dass in seinem 7er-BMW "leider" ein Massagesitz eingebaut sei.

Bei RBB hatte laut Bericht nur die ehemalige Intendantin einen Dienstwagen mit Fahrer. Die vier Direktoren bekämen allerdings eine Kfz-Pauschale in Höhe von 500 Euro brutto im Monat. Beim NDR sollen ebenfalls nur der Intendant und seine Stellvertreterin Dienstwagen samt Fahrer.

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