Wie instagramable bist du?

Stillbild aus "Triangle Of Sadness". Foto: Copyright Bac Films

Neoliberale Massenkontrolle und ästhetischer Kapitalismus: Diesen sozialen Konformitätsdruck bekommen immer mehr junge Menschen zu spüren, mit manchmal fatalen Folgen.

Politische Nachrichten erreichen heutige Netznutzer nur schlecht, die Masse von uns ist auf der Suche nach seichter Unterhaltung und optimaler Selbstdarstellung. Meist in schönen Bildern von aufgeschönten Menschen, die schöne oder schön gezeigte Dinge konsumieren.

Im aktuell angelaufenem Film "Triangle of Sadness" bringt Ruben Östlund mit Fotomodells und gestrandeten Influencern den schönen Schein des ästhetischen Kapitalismus satirisch auf den Punkt. Das bringt uns zur Frage nach der Wirkung eines besonders visuell-ästhetischen "Sozialen Netzwerks": Instagram ist sehr beliebt bei jungen Netznutzern und hoch umstritten bei Kritikern der grassierenden Online-Sucht.

Hat die Suchmaschine Google sich mit "googlen" ein Verb im Deutschen erobert, so ist es bei Instagram das Adjektiv "instagramable", das eingedeutscht werden könnte und dann für die Konformität eines Menschen, Konsumguts oder Bildes mit der Ästhetik der App stünde.

Östlunds neuer Film "Triangle" kann auch als böse Parodie dieser Ästhetik und ihrer heimlichen Ideologie gesehen werden (siehe: Zehn kleine Oligarchen).

Instagram, Kardashians und Brazilian Butt Lift

Eine französische Doku ging jüngst hart mit der boomenden App ins Gericht: "Instagram -Das toxische Netzwerk". Kritisiert wird die neue Instagram-Ästhetik, von deren Beginn als Foto-App bei Facebook, zum Überschwappen auf Werbewelt und Designer-Mode bis zum sozialen Druck zu kosmetischer Chirurgie.

Diesen sozialen Konformitätsdruck bekommen immer mehr junge Menschen zu spüren, mit manchmal fatalen Folgen. Die belanglose Welt von Eitelkeit und Angeberei wächst sich mit über einer Milliarde dauerklickenden Instagram-Nutzern zu einer globalen kulturellen Macht aus. Einer einflussreichen Macht auf Werbemarkt, Konsumgewohnheiten und Körperbilder vor allem junger Frauen.

Seit dem Start von Instagram ist etwa in Miami die besonders gefährliche Schönheits-OP Brazilian Butt Lift, wo aus abgesaugtem Bauchfett ein üppig gerundeter Po geformt wird, um 200 Prozent häufiger geworden. Dazu interviewt die Doku Angehörige einer während des 10.000-Dollar-Eingriffs verstorbenen jungen Frau. Die Mutter gibt an, ihre Tochter hätte vorher immer wieder auf die attraktiven Frauenbilder auf Instagram verwiesen, angefangen habe alles mit "diesen Kardashians".

Die ausgeprägten weiblichen Kurven der Frauen des Kardashian-Clans sollen maßgeblich zum Boom der Instagram-App beigetragen haben, was diese geschäftlich zu nutzen wissen. Kim Kardashians Influencer-Tätigkeit hat ihr aktuell eine Millionen-Geldstrafe wegen Werbung für Kryptowährung eingebracht.

Die Algorithmen von Instagram wissen, was ihre User sehen wollen, sie sollen (fast pornografische) Bikini-Bilder schöner junger Frauen begünstigen. Doch es ist nicht nur der Körper, der ausgestellt wird, sondern auch ein (vorgeblich) erfolgreiches, glückliches und rundum beneidenswertes Leben. Auf Instagram versucht jeder, sich glamourös wie ein Fotomodell darzustellen und mit einem entsprechenden Umfeld aus Produkten zu umgeben.

Man will an besonders schönen, exotischen Orten (eher Sansibar als Fallingbostel) möglichst hipp aussehen und Menüs verspeisen, die wirken wie aus einer Anzeige im Hochglanz-Magazin. Menüs, deren Darstellung, passend zu den dazugehörigen erotisierten Körperbildern, "food porn" genannt wird.

"Triangle of Sadness" als Monty-Python-reife Instagram-Parodie

An genau dieses "food porn" knüpft Östlund mit "Triangle of Sadness" besonders drastisch an. Zunächst persifliert der prämierte Kinofilm die verlogene Welt der Werbeagenturen und Modells, lenkt dann in die Seichtheiten des Influencer-Lebens über, die sich nach einem Szenenwechsel von Agentur zu Luxusyacht zwischen Superreichen und Oligarchen abspielen.

Das Kommando auf der Yacht, die seine beiden Protagonisten mit Gratisticket für Influencer nutzen, hat ein mürrischer Kapitän. Trotz Warnung seiner Crew legt er das opulente "Captains-Dinner", wo besonders dekadente Haute Cuisine aufgetischt wird, auf einen Abend mit hohem Seegang.

Im Ergebnis sehen wir zunächst Hummer, Wachteln und Kaviar in instagramabler Foodporn-Hochglanzoptik, dann eine wahre Orgie an Erbrochenem. (Kinotipp: Wer einen schwachen Magen hat, sollte vor dem Film nicht zu viel essen und diese fünf Minuten die Augen schließen.) Seit Monty Pythons "Sinn des Lebens"-Szene mit dem explodierenden Gourmant hat man so etwas nicht mehr gesehen.

Dergestalt drückt der gesellschaftskritische Filmemacher Östlund vermutlich seine Gefühle für die "Welt der Reichen und Schönen" aus, mit Querverweis auf deren Instagram-Abklatsch für die devoten Massen. Der marxistische Kapitän hadert ferner mit sich selbst, er sei ein "schlechter Sozialist", weil er in zu großem Luxus lebe, und streitet sich im Suff mit einem Passagier, einem russischen Oligarchen, über Lenin und Ronald Reagan.

Der Oligarch, der sich neureich-ordinär gibt, bekennt wiederholt und lautstark, seine Milliarden "mit Scheiße" verdient zu haben, wohl in Massentierzucht und Düngemittelsektor. Damit steht er noch sehr gut und sogar irgendwie sympathisch da, wenn auch als Klischee eines osteuropäischen Oligarchen.

Den subtilen Grusel verbreitet dagegen das nette ältliche Milliardärs-Ehepaar, das sich im Plauderton zynisch über die Ächtung grausamer Landminen (der bekannten Kinder-Krüppelmacher) beklagt, die ihren Rüstungskonzern viele Millionen gekostet habe.

Später strandet man nach Piratenüberfall und dann werden Reiche wie Schöne erst richtig gedemütigt: Nur eine energische Putzfrau hat in der Wildnis nützliche Fähigkeiten, kann Feuer machen und Fische fangen.

Die weder schöne noch reiche Asiatin übernimmt das Kommando und benimmt sich gegenüber ihren arroganten Herrschaften nun ähnlich diktatorisch, wie die Reichen vorher mit ihren devoten Bord-Lakaien umgingen. Der Filmbesuch ist ein unbedingtes "Must-have", besonders für alle Instagram-User.