"Europa muss sich endlich von den USA emanzipieren"

Themen des Tages: ein bisschen Öl für das schwierige Schwedt, fatal falsches Sparen und die Problemstellung für Transatlantiker: Wie vermeidet man einen Handelskrieg mit den Werte-Freunden?

Liebe Leserinnen und Leser,

die Nachrichtenlage vor dem Wochenende:

1. ein bisschen Hoffnung im Osten für die PCK-Raffinerie in Schwedt,

2. eine absurde Hoffnung auf die Casino-Aktienrente

3. und wie die USA dafür sorgen, dass wir uns warm anziehen müssen.

Doch der Reihe nach.

Schwedt: Ein Schritt vorwärts, aber die Zukunft der Raffinerie bleibt ungewiss

Knapp zwei Monate vor Beginn des freiwilligen Verzichts auf russisches Erdöl gibt es für die PCK-Raffinerie in Schwedt endlich einen Fortschritt, berichtet Telepolis-Autor Bernd Müller: Erstmals wurde Rohöl über den Hafen im polnischen Danzig geliefert.

"Ein wichtiger Schritt für die Versorgungssicherheit von Schwedt", so der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner (Grüne). Die Lieferungen über Danzig müssten aber noch erhöht werden und dazu gebe es einen engen Austausch mit der polnischen Regierung.

Wie viel Rohöl geliefert wurde, wollte das Bundeswirtschaftsministerium nicht erklären und verwies auf das Betriebsgeheimnis.

Unsicherheiten bleiben und der Unmut in der Bevölkerung nimmt weiter zu.

Zocken ist prinzipiell gefährlich und besonders mit der Rente

Heiner Flassbeck räumt in seiner monatlichen Kolumne bei Telepolis gründlich mit den Versprechungen der Aktienrente auf, die die Bundesfinanzminister Christian Lindner plant.

Man nimmt also Schulden auf, für die man fest vereinbarte Zinsen zahlen muss, und hofft darauf, mit der dann zur Verfügung stehenden Summe so erfolgreich zu zocken, dass man nicht nur die Zinsen zahlen kann, sondern auch noch einen Gewinn macht, weil die erzielte Rendite den Zins übersteigt. Mit diesem wunderbaren Gewinn, so die Hoffnung, kann man dann in Ruhe seinen Lebensabend genießen.

Kann es noch etwas Absurderes geben? Nein, eigentlich nicht, es sei denn, diese Aktion wird nicht von einfältigen Privatleuten gemacht, sondern vom Staat.

Der Ökonom geht in seiner Analyse tiefer, als man es von den meisten Kommentaren gewohnt ist. Ein Kernproblem sieht Flassbeck im Sparmodell, das hinter Fonds und den Gewinnerwartungen steckt.

Die Tatsache, dass in fast allen Industrieländern die Unternehmen in den vergangenen zwanzig Jahren Einnahmeüberschüsse aufweisen, also zu Sparern geworden sind, sollte eigentlich jeden stutzig machen, der darüber nachdenkt, neue renditesuchende Fonds zu schaffen. Woher soll die Rendite kommen, wenn die reale Investitionstätigkeit durch jeden neuen Fonds, durch jedes zusätzliche Sparen auf dieser Welt weiter geschwächt wird?

"Warm anziehen": Konkurrenz zwischen USA und EU

"Es wird weiter konfrontativ zugehen", sagt der Politologe Christian Hacke im Gespräch mit Telepolis über das Verhältnis zwischen den USA, Europa und Deutschland. Anlass für seine nüchterne und klare Analyse waren die Aussichten nach den US-Midterm-Wahlen.

Die These dazu lautet, dass sich die Demokraten und Republikaner außenpolitisch in einer politischen Prämisse nicht unterscheiden: Es gilt "America First", selbstverständlich auch unter Freunden.

Das zeigt sich in aller Schärfe, wenn es ums große Geschäft geht. Dann entpuppt sich die transatlantische Wertegemeinschaft als unerbittlicher Konkurrenzkampf. Darauf verweisen jedenfalls jüngste Warnungen des französischen Wirtschaftsministers Bruno Le Maire, den man nun nicht als "Anti-Amerikaner" abstempeln und als unseriös ablagern kann.

"Das eigentliche Risiko für Europa ist, dass es als Industriestandort abgehängt wird", so Le Maire, der sich mit deutlichen Worten gegen die massive Subventionspolitik der USA – und auch Chinas – wendet.

"In einigen Fällen betragen die von der US-Regierung angebotenen Subventionen vier- bis zehnmal so viel wie die maximal von der EU-Kommission erlaubte staatliche Unterstützung hier", analysiert der Minister mit dem großen Horizont (er gilt als sehr belesen) die Lage.

Was er für die Industrie und den Arbeitsmarkt in Europa befürchtet und wie die Konsequenzen aussehen, ist heute hier auf unserer Seite zu lesen: Schreckgespenst Handelskrieg zwischen den USA und der EU.

Heiner Flassbeck empfiehlt gegenüber Telepolis, dass Europa endlich erwachsen wird, wie im Folgenden zu lesen ist.