WM in Katar: Hat das Elend heut' ein Ende?

Feuer und Flamme für den Herrenfußball? Diese Ära könnte bald vorbei sein. Symbolbild: 0fjd125gk87 auf Pixabay (Public Domain)

Nationale Beziehungskrise: Vor der wahrscheinlichen Niederlage gegen Spanien schwanken die deutschen Medien zwischen "DM"-Nationalismus und Fußball-Patriotismus. Ein weiteres Problem ist der Biermangel.

Geringe Einschaltquoten, nirgendwo ein Deutschlandfähnchen, Desinteresse überall. Es ist wie der Tod einer Liebe. Mein Gott, wie liebten wir Deutschen unseren Fußball.


Franz Josef Wagner, Bild-Kolumnist

Im zwischen Weihnachtsmarkt-Benebelung und Energiepanik schwankenden Deutschland ist man zudem hin- und hergerissen, ob man der deutschen Nationalmannschaft ein schnelles Ausscheiden aus der Blut-WM in Katar wünschen soll, oder doch möchte, dass Fußball-Deutschland mit der Teilnahme an der K.-o.-Runde zumindest respektabel abschneidet und nicht von "Fußball-Zwergen" wie dem Iran, Saudi-Arabien oder Ecuador überholt wird.

Liebesverlust und Biermangel

"Das erste Finale", so lauten daher in diesen Tagen viele Artikelüberschriften. Schon während der letzten Tage übertrug die Bild-Zeitung (Überschrift: "Schwarz Rot Not") ihr Lieblingsmotiv vom "gespaltenen Land" auf die Fußballnationalmannschaft: "Alt gegen jung, Bayern gegen BVB, Angriff gegen Abwehr", titelte man am 25. November, und folgerte: "Es rumort in unserer Mannschaft". So kann man natürlich keine Kriege gewinnen.

Unüberboten war aber wieder mal Bild-Rapper Franz Josef Wagner in seiner Kolumne "Post von Wagner": Der Hobby-Geschichtsphilosoph schlug einen kühnen Bogen mitten hinein ins biopolitisch Unterbewusste der Nation:

Es war 1954, als der Fußball uns Deutsche neu erschaffen hat. Wir wurden aus einem bösen Land ein gutes Land, wir wurden Weltmeister. Fußball wurde unsere DNA, unsere Sprache, die verstanden wurde, oben wie unten. Fußball war unsere Heimat. Viermal wurden wir Weltmeister. All unser Gewinnstreben, all unsere Entdeckungen, all unser Ansporn hatte seinen Ursprung im Fußball.


Franz Josef Wagner

Heute dagegen erkennt er nur noch Beziehungskrise: "Die Millionäre von heute sind keine Fußballer von gestern. Ich sehne mich nach dem Fußball von gestern."

Ähnlich ging es den Ex-Nationalspielern Mario Basler und Kevin Prince Boateng im "Sport 1-Doppelpass": "Alles ist normiert, alles wird vorgegeben besonders sehr stark in Deutschland. Keine Freiheit, zugleich werden alle gepampert", so Boateng.

Und Basler: "Die Nachwuchsakademien sind völlig für den Arsch. Wer kommt denn noch aus der Nachwuchsakademie? Da werden die Jugendlichen sechs Jahre eingesperrt. Wir sind früher noch auf dem Baum geklettert." Und präsentierte die Lösung: Die sollen mal zwei Bier mehr trinken."

Sex-Entzug oder Frauenbesuch

In der Beziehungskrise schlägt auch die Stunde der Beziehungsratgeber: Der unvermeidliche Lothar Matthäus erklärte auf RTL knapp über den Mann, der Hansi heißt, also Bundestrainer Hans-Dieter Flick: "Hansi hat sich vercoacht."

Andere wünschten das, was in deutschen Ehen gerade nicht so angesagt ist, eine härtere Hand: "Ist Hansi zu nett?" fragte Marcel Reif nur rhetorisch, und Sportbild-Chefredakteur Mathias Brügelmann erkannte die falsche Taktik: Harmonie-Wechsel statt Donnerwetter".

Zum Kernthema der Beziehungsberatung wurde die klassische Frage nach der Erfüllung der "ehelichen Pflichten", vulgo: Konzentration durch Sex-Entzug oder neue Lockerheit durch sexuelle Entspannung? Unter diesem Motto diskutierte man den Besuch der Spielerfrauen im Mannschaftslager.

Wer den Fußball mag, der wird vielleicht aus Fußball Patriotismus ein deutsches Ausscheiden wünschen - um eine grundsätzliche Kehrtwende im Fußball einzuleiten. Wer hingegen dem "Die Mannschaft"-. Kurz "DM"-Nationalismus frönt, muss auch heute verkrampft zu den deutschen Gurkenkickern halten.

Sprechmaschinen und Therapiefloskeln

Und die Mannschaft selbst? Sprechmaschine Manuel Neuer erklärte in der ARD zwar müde aussehend, aber ohne Pause im Manager-Optimierungssprech: "Wir müssen unser Potential abrufen ... das müssen wir gemeinsam lösen. Wir haben das alle gemeinsam diskutiert ... müssen versuchen, diese Dinge gegen Spanien besser zu machen." Er sei "immer noch sehr frustriert von unserer Leistung", um dann nochmal das Japan-Spiel schönzureden: "Wenn wir unsere Chancen genutzt hätten, dann wären wir auf der Siegerstraße gewesen." Hätte, hätte, Fahrradkette.

Bundestrainer Hansi Flick dagegen versuchte sich in therapeutisch gehaltener Ermunterung: "Wichtig ist, dass wir erstmal wissen, dass wir ne Riesenchance haben."

Prognose: Spanien gewinnt 9:1

Mal sehen. Wer statt Theapiefloskeln die Statistik bemüht, erinnert sich daran, dass die Bundesrepublik seit dem Mauerfall noch nie in Pflichtspielen gegen Spanien gewinnen konnte. Pur mathematisch betrachtet steht allemal ein deutsches Desaster bevor: Da Costa Rica gegen Spanien 0:7 verlor, aber gegen Japan 1:0 gewann, das wiederum Deutschland 2:1 schlagen konnte, ergibt dies für heute Abend: Spanien gewinnt gegen Deutschland 9:1. Das wäre mal was!