EU-Korruptionsskandal: Wie Eva Kaili für Katar geworben haben soll

Bild: 3D Animation Production Company auf Pixabay

Mehrere Personen aus Kailis Umfeld sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, sich nicht uneigennützig für Katar eingesetzt zu haben. Was bislang bekannt ist.

Einer der größten Korruptionsskandale der jüngeren Geschichte erschüttert die Europäische Union. Es geht um den Vorwurf, dass sich EU-Funktionäre gegen Geld für die Belange von Katar einspannen ließen.

Seit Sonntag befinden sich vier Verdächtige in Untersuchungshaft, am prominentesten von ihnen ist die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili aus Griechenland. Die Medien in ihrer Heimat berichten über den Fall als "politisches Erdbeben in Brüssel", dabei zeig die Affäre längst innenpolitische Konsequenzen in Athen.

Als Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft wehrt sich der Wüstenstaat Katar gegen die Vorwürfe. In einer Mitteilung an das Magazin Politico heißt es: "Der Staat Katar weist kategorisch alle Versuche zurück, ihn mit Vorwürfen des Fehlverhaltens in Verbindung zu bringen".

Die belgischen Ermittlungsbehörden sahen das anders. Sie nahmen Kaili trotz parlamentarischer Immunität in Untersuchungshaft. Ungewöhnlich ist dieses Vorgehen nicht – auch in Griechenland wäre das möglich, wenn Parlamentarier bei einem Verbrechen auf frischer Tat ertappt wurden. Bei Kaili soll dies am Freitag der Fall gewesen sein.

Zunächst wurde aber ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi festgenommen. Kurz darauf geriet Kailis‘ Vater ins Netz der Fahnder, als er versuchte, mit einer Tasche voller Geld aus einem Brüsseler Hotel zu flüchten. Danach erst erfolgte die Festnahme der Parlamentsvizepräsidentin. Auch ihre Schwester wurde von den belgischen Behörden vorgeladen.

Am Sonntag wurde die Entscheidung der getroffen, die vorläufigen Festnahmen in eine Untersuchungshaft umzuwandeln; Kailis‘ Vater kam wieder auf freien Fuß.

Ebenfalls in Untersuchungshaft genommen wurde der frühere italienische EU-Parlamentarier Antonio Panzeri, der einst Vorgesetzter von Giorgis war. Nummer vier ist Niccolò Figà-Talamanca, ein Lobbyist und nach eigenen Angaben juristischer Berater von Regierungen und Institutionen. Er führt die Organisation "no peace without justice", die für Kampagnen für den Schutz und die Förderung von Menschenrechten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und internationaler Gerechtigkeit einsteht.

Dass auch Panzeri eine NGO für Menschenrechte gegründet hat und sich als Kämpfer für deren Schutz präsentierte, gehört zu den bemerkenswerten Details des Falls.

Damit ist der Personenkreis aber nicht abgeschlossen, die von den Ermittlungen betroffen sind. Laut Medienberichten fanden bei zwei weiteren EU-Parlamentariern belgischer Herkunft Hausdurchsuchungen statt. Aufgrund ihrer parlamentarischen Immunität wurden sie aber nicht festgenommen.

In Italien stehen Panzeris Ehefrau und Tochter unter Hausarrest. Ihnen wird vorgeworfen, für rund 100.000 Euro Urlaub gemacht und damit aktiv Schmiergelder genutzt zu haben. Griechische, belgische und italienische Medien berichten zudem über abgehörte Telefonate der belgischen Fahnder, in denen die Ehefrau von Panzeri ihm Tipps gab, wie das Geld zu verstecken sei.

Den Betroffenen wird Geldwäsche, Korruption und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. In welchem Land sich etwa Kaili letztlich juristisch verantworten muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Gegen die ehemalige PASOK-Politikerin wird aber auch in Griechenland ermittelt: Ihre Konten, ihr Anwesen und sämtliche Verwandte ersten Grades sollen überprüft werden.

Eine – ungesunde – Nähe Kailis zu Katar, hätte schon früher auffallen können. Sie, Panzeri und Giorgi sollen einem Bericht der italienischen Zeitung La Repubblica seit 2016 engen Kontakt zu den Verantwortlichen in Katar gehabt haben. Sie soll auch mehrfach privat in den Wüstenstaat gereist sein.

Ihre Sympathien für Katar zeigte Kaili offen. Einem symbolischen Entschluss des EU-Parlaments stimmte sie nicht zu, der sich dafür aussprach, den Familien der beim Stadionbau gestorbenen Arbeitern zusätzliche Entschädigungen zu zahlen.

Im November lobte sie Katar im EU-Parlament als Vorreiter für Arbeitsrechte. Der Wüstenstaat gehe mit seinen Arbeitern besser um als manche Unternehmen in der Europäischen Union. Sie beklagte damals schon, dass denen Korruption vorgeworfen werde, die Katar verteidigen würden.

Wie aus den Parlamentsdokumenten hervorgeht, stimmte Kaili Anfang Dezember im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) dafür, den Bürgern Katars und Kuwaits Visa-Freiheit zu gewähren. Sie tat dies, ohne ordentliches Mitglied des Ausschusses gewesen zu sein.

Die Affäre ist damit vermutlich aber noch nicht komplett aufgedeckt. Die belgische Zeitung L’Echo verweist etwa auf den griechischen EU-Kommissar Margaritis Schinas, der sich ebenfalls für Katar eingesetzt haben soll.

Ein parlamentarisches Nachspiel zeichnet sich bereits ab: Stelios Kouloglou, ein EU-Parlamentarier von SYRIZA, hat eine entsprechende Anfrage an die EU-Kommission gestellt. Konkret wollte er wissen, ob Kaili zu Schinas oder einem weiteren Kommissionsmitglied Kontakt aufgenommen und im Sinne Katars interveniert habe.

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