Klimafinanzierung: Ein "neues Bretton Woods"

Wie Weltbank, IWF und USA Zweifel säen, ob es beim Klimaschutz um "Entwicklungshilfe" geht – oder darum, den globalen Wachstumskapitalismus "grün" anzustreichen. Klimaschutz-Kolonialismus? (Teil 1).

Bei manchen Telepolis-Lesern mag dieser Text offene Türen einrennen. Andere werden vielleicht die Vorstellung für absurd halten, dass sich das, was wir gemeinhin unter Entwicklungshilfe verstehen, genau gegenteilig auf die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer auswirken kann. Wieder andere zweifeln möglicherweise daran, dass Klimaschutzmaßnahmen überhaupt "missbraucht" werden können.

In jedem Fall bricht mit der "grünen" Entwicklungshilfe ein neues Kapitel einer alten Debatte an, die dringend wieder geführt werden sollte. Die folgenden drei Texte sollen dazu beitragen.

Ein Fonds für die Geschichtsbücher

Greta Thunberg hat von "Greenwashing" gesprochen. Mehr als 30.000 Gäste aus aller Welt haben sich auf der 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (Conference of the Parties, COP) vom 6. bis 18. November im ägyptischen Scharm-El-Scheich eingefunden. "Greenwashing"? Nur, weil mit Coca-Cola einer der weltgrößten "Plastiksünder" und Gewerkschafts-"Killer" als Großsponsor aufgetreten ist?

Nur, weil politische Führungsfiguren und Lobbyisten der fossilen Energiebranche in Hunderten Privatjets angereist sind? Nur, weil USA und EU ein allzu freundliches (taxonomisches)Verhältnis zur (Fracking-)Gas und Nuklearenergie hegen? Nur, weil für die Klima-Aktivisten abzusehen war, dass die Ergebnisse der Konferenz ihrem Eskalationsbedürfnis nicht gerecht werden würden?

Die 19-Jährige hat Recht: Es gibt viele Gründe, von Greenwashing zu reden. Und doch wurde über einen so gut wie gar nicht geredet – und ausgerechnet der wird als "historischer" Erfolg der Cop27 gefeiert. Die Rede ist von der Einigung auf den Loss and Damage Fund.

Dieser Fonds zielt darauf ab, "die von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten gefährdeten und betroffenen Länder finanziell zu unterstützen", wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zusammenfasst.

Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht (!) um Umwelt-Reparationen, wie sie die Länder des globalen Südens schon 1972 forderten, auf der ersten UN-Weltumweltkonferenz in Stockholm.

Vielmehr geht es um konkrete Projekte der Kompensation und Prävention. Die Maßnahmen reichen "vom Bau von Küstenwällen bis zur Entwicklung dürreresistenter Pflanzen" (da trifft es sich gut, dass Monsanto und die Gates-Stiftung bereits geholfen haben, entsprechende Gentechnologien auf den Weg zu bringen).

Das alles will natürlich bezahlt sein. Die New York Times schreibt von nichts Geringerem als der "größten Mobilisierung internationalen Kapitals in der Geschichte".

Laut dem "Adaptation Gap Report 2022" des UNEP (Untertitel: "zu wenig, zu langsam") müssen zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) bis zum Jahr 2030 jährlich 160 bis 340 Milliarden US-Dollar an die sogenannten Entwicklungsländer gezahlt werden.

Und die Autoren des Berichts warnen: "Beschleunige" sich der Klimawandel, könne die Summe auf jährlich 565 Milliarden US-Dollar ansteigen. Gut also, dass sich die Länder bereit erklärten, in den gemeinsamen Fonds einzuzahlen. Oder nicht?

"Drastische" Reformen der Bretton-Woods-Institutionen

Wie genau der Fonds aussehen soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Deutschlands Sonderbeauftragte für Klimapolitik, Jennifer Morgan, erklärte Anfang Dezember, dass beim COP28 in Dubai eine Entscheidung über die "institutionelle Ausgestaltung" fallen soll. Dabei wurden in Scharm-El-Scheich doch bereits ziemlich eindeutige Eckpunkte umrissen. So etwa von David Malpass, dem Präsidenten der Weltbank:

Auf der COP27 wurden Empfehlungen an die multilateralen Entwicklungsbanken ausgesprochen, unsere Klimafinanzierung [climate finance] deutlich zu erhöhen [...] Ich begrüße diese Forderungen sehr. Erfolgreiche Klimamaßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erfordern einen konzertierten globalen Vorstoß, und wir sind zu diesen Bemühungen verpflichtet.

David Malpass

Und Malpass war bei Weitem nicht alleine. Zu den Befürwortern einer, wie die New York Times schreibt, "drastischen Reform" von Weltbank und IWF zählen die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, US-Finanzministerin (und Ex-Vorstandsmitglied der Federal Reserve), Janet Yellen, sowie der "US-Klimagesandte" und ehemalige US-Außenminister John Kerry.

Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze sicherte bereits im Oktober der Reform ihre Unterstützung zu. Doch geplant war sie offenbar schon weitaus länger – und unabhängig vom Klimagipfel in Ägypten.

IWF-Direktorin Georgieva sprach bereits im Herbst 2020 von einem neuen "Bretton-Woods-Moment". Auf der gleichnamigen Konferenz wurde 1944 die Währungsordnung der Nachkriegszeit festgelegt sowie die Gründung von Weltbank und IWF veranlasst, weshalb man auch von den "Bretton-Woods-Institutionen" spricht. Georgieva bezog sich aber nicht auf die Klima-, sondern auf die Corona-Krise.

Dank der Finanzspritzen der Mitgliedsländer in die Trusts zur Katastrophenbekämpfung (Catastrophy Containment and Relief Trust) und zur Armutsbekämpfung (Poverty Reduction and Growth Trust) habe der IWF seine "finanzielle Feuerkraft" bewahren und seine Fähigkeit, Kredite an bedürftige Länder zu vergeben, verdreifachen können. Das sollte man sich im Hinterkopf behalten.

Ebenso, dass die Beschwörung eines neuen Bretton Woods mehr beinhaltet als nur eine Reform von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Denn auf der Konferenz 1944 wurde schließlich auch der US-Dollar als Leitwährung festgelegt – eine Entscheidung, die Kritiker als Fundament für die geopolitische Dominanz der Vereinigten Staaten in den folgenden Jahrzehnten bezeichnen. Auch darauf werden wir noch zu sprechen kommen.

Was die Parallele zur Gegenwart sein könnte, macht ein Beitrag auf der Website des offiziellen Bretton-Woods-Komitees deutlich:

Die neuen Bemühungen der G20, digitale Zentralbankwährungen (CBDC) als Teil eines Fahrplans zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs zu erforschen, und ihre umfassenderen Auswirkungen auf das internationale Währungssystem stellen einen seltenen multilateralen Versuch dar, die internationalen Währungsbeziehungen neu zu kalibrieren.

Vielleicht kann CBDC dort weitermachen, wo Bretton Woods aufgehört hat.

The Bretton Woods Committee