Prognose der Bundesregierung: Energieversorgung auch ohne Atomkraft sicher

Sogar den Kohleausstieg könne man problemlos vorziehen, heißt es in einem Bericht. Dafür setzt man in Berlin mehr auf Erdgas und Wasserstoff. Doch der Plan birgt seine Tücken.

Kommt Deutschland auch ohne Atomkraft durch die Energiekrise – über diese Frage wird einmal mehr gestritten. Die Stromversorgung in der Bundesrepublik sei sicher, auch wenn die letzten Atommeiler vom Netz gehen, beteuerte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Versorgung sei selbst dann sicher, wenn sich die Deutschen entschlössen, bis 2030 komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen. Das gelte auch bei einem deutlich steigenden Stromverbrauch, wenn etwa mehr Wärmepumpen in den Gebäuden zum Einsatz kämen oder wenn mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs wären.

Diese Prognosen entstammen einem Bericht zur Versorgungssicherheit im Stromsektor für die Jahre 2025 bis 2031, der nun innerhalb der Bundesregierung beraten wird. Das Papier beruht dem Bericht zufolge auf zwei wissenschaftliche Analysen, bei denen die Versorgungssicherheit in verschiedenen Situationen durchgespielt wurde.

Bis zum Jahr 2031 kann laut Ministerium die Nachfrage nach Strom stets gedeckt werden, sowohl die Kapazität zur Erzeugung als auch das Stromnetz reichten dafür aus. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass Ersatz für die wegfallenden Kohlekapazitäten geschaffen werden. Das könnte durch einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien geschehen oder durch den Bau von Gaskraftwerken, die später auf Wasserstoff-Verstromung umgestellt werden könnten.

Die Pläne sind ehrgeizig – ob sie realistisch sind, wird sich zeigen müssen: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Dafür soll der Anteil von Wind- und Sonnenstrom kräftig wachsen.

Gaskraftwerke stellen in der Konzeption eine Art Rückversicherung dar: Sie sollen besonders dann zum Einsatz kommen, wenn der Ertrag aus Sonne und Wind knapp ist. Doch bisher wird das Vorhalten von Kapazitäten, die nur an wenigen Stunden im Jahr arbeiten, wenig honoriert. Doch wie das Handelsblatt jetzt berichtete, soll sich das ändern.

Welche Rolle künftig Wasserstoff in der Stromerzeugung spielen soll, ist noch nicht ganz geklärt. Selbst wenn diesen Kraftwerken nur die Rolle als Reserveeinheiten zugedacht sein sollten, könnte ihr Betrieb nur wenig sinnvoll sein.

Denn bei der Erzeugung von "grünem" Wasserstoff geht etwa ein Viertel der aufgewandten Energie "verloren". Je nach Wirkungsgrad der Kraftwerke würde bei der Stromversorgung noch einmal ein erheblicher Teil der aufgewandten Energie "verloren" gehen. Aufgrund dieser Umwandlungsprozesse dürften Wasserstoffkraftwerke nicht sonderlich energieeffizient sein.

Bis ausreichende Mengen an "grünem" Wasserstoff zur Verfügung stehen, dürfte Erdgas eine wichtige Rolle in der Stromversorgung der Bundesrepublik spielen. Nachdem die Lieferungen aus Russland weitgehend gekappt sind, setzt das BMWK auf mehr Importkapazitäten für Flüssiggas (LNG). Kritiker mahnten allerdings davor, dass Überkapazitäten aufgebaut werden könnten.

Die verfügbaren LNG-Mengen sind in diesem Kontext ein weiteres Problem. Bislang deckte der LNG-Handel nur etwa dreizehn Prozent des weltweiten Bedarfs; der Rest wurde via Pipeline geliefert. Im LNG-Handel spielen aber auch langfristige Verträge eine entscheidende Rolle; etwa zwei Drittel des weltweiten LNG werden auf dieser Grundlage gehandelt.

Die Bundesregierung hatte allerdings bislang wenig Glück oder Elan, sich große LNG-Mengen langfristig zu sichern. Deshalb werden deutsche Importeure teuer am Spotmarkt einkaufen müssen – und selbst dann ist die Lieferung noch nicht gesichert. Bietet ein anderer Importeur mehr, drehen die Schiffe auch kurz vor Wilhelmshaven wieder ab.

Die steigende LNG-Nachfrage in Deutschland und Europa führt zu weltweiten Problemen, wie sich im vergangenen Jahr gezeigt hat. Gerade Entwicklungs- und Schwellenländer können nicht die Preise anbieten wie Deutschland und stehen dann vor erheblichen Versorgungsproblemen.

Verschärft werden die Probleme dadurch, dass betroffene Länder wie Indien Erdgas benötigen, um Düngemittel zu produzieren. Können sie kein Erdgas einführen, kann sich die Lage der Bevölkerung deutlich verschlechtern.

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