"Bioplastik", Bedarf an fossilem Strom und Tierwohl

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne.

Lässt sich mit Biokunststoffen das Plastikproblem lösen?

Auf Kritik stieß der Artikel "Wie die Plastik-Verseuchung beendet werden kann – jenseits von Recycling" von Hans-Josef Fell. Fell bemängelt darin, dass bislang viel zu wenig getan wird, um die Plastikflut einzudämmen. Recyclingquoten wären zu gering, angeblich recyceltes Plastik würde illegal im globalen Süden deponiert und Plastik aus Erdöl trage zum globalen CO2-Ausstoß bei.

Eine echte Lösung würden dagegen nur Kunststoffe aus biologischen Materialien darstellen.

Nach der Nutzungsdauer können Biokunststoffe kompostiert werden und den Humus oder Algendünger bilden, aus dem neue Pflanzen und Algen für die Kunststoffproduktion wachsen. Selbst weggeworfene Biokunststoffe würden in der Landschaft oder im Meer einfach verrotten.

Hans-Josef Fell

Dieser These setzt ein User entgegen:

(...) Bioplastik (BP) ist nicht umsonst unbeliebt. Es steht vielfach in seiner Herstellung direkt in Konkurrenz mit Nahrungsmitteln. Bio-PE z.B. baut genauso wenig ab wie "fossiles" PE und kostet aus Alkokol hergestellt – ein Vielfaches.

Solange auf der ganzen Welt Öl als Grundstoff so billig ist wie jetzt, wird es keine Verbreitung von BP geben.

M.E. viel sinnvoller wäre es, durch KlimaClubs und CO2-Abgaben Öl angemessen zu verteuern – und dadurch chemisches (Pyrolyse) und stoffliches Recycling wirtschaftlich zu machen. (…)

Unter dem Label "Biokunststoffe" laufen zunächst unterschiedliche Dinge:

Biokunststoffe sind entweder biobasiert oder bioabbaubar oder beides. Biobasiert bedeutet, dass das Material oder Produkt (teilweise) aus Biomasse, z.B. Mais, Zuckerrohr oder Cellulose, erzeugt worden ist. Bioabbaubar beschreibt einen biochemischen Prozess, in dem in der Umwelt vorhandene Mikroorganismen das Material in natürliche Substanzen wie z. B. Wasser, Kohlendioxid und mikrobielle Biomasse umwandeln.

Fraunhofer Umsicht, 2018

Was im Umkehrschluss bedeutet, dass es auch Kunststoffe aus biologischen Materialien gibt, die aber nicht vollständig abbaubar sind. Hinzu kommt, dass nach derzeitiger Definition biobasierte Kunststoffe nicht zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen müssen, sie können auch einen geringen fossilen Anteil enthalten.

Wer schon einmal versucht hat, angeblich kompostierbare Müllbeutel auf dem Komposthaufen im Garten verrotten zu lassen, weiß, dass das nicht richtig funktioniert, bzw. sehr lange dauert. Beim Umweltbundesamt ist zu lesen:

Bei den Normen zur industriellen Kompostierbarkeit wird ein Abbau unter den Bedingungen einer großtechnischen Kompostierungsanlage geprüft. In solchen Kompostierungsanlagen werden beispielsweise Temperaturen von weit über 60°C erreicht, was bei Komposthaufen im Garten in der Regel nicht der Fall ist. Nur unter diesen Bedingungen erfolgt der mikrobiologische Abbau der Tüten schnell und zuverlässig.

Die Hoffnung, dass weggeworfenes Plastik in der Landschaft verrottet, ist daher bislang wohl nur ein schöner Traum. An verschiedenen Stellen ist zudem zu lesen, dass zerfallendes Bioplastik kein Pflanzendünger und nicht humusbildend ist. Bestenfalls löst sich das Ganze aber in CO2 und Wasser auf.

Bislang ist der Anteil von Bioplastik an der globalen Plastikproduktion gering, daher auch der für die Rohstoffe benötigte Flächenbedarf. Würden erdölbasierte Kunststoffe in jetzigen Größenordnungen jedoch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, dann sähe das ganz anders aus.

"Würde der gesamte globale Kunststoffbedarf durch Bioplastik ersetzt, ginge das mit einem Flächenbedarf von knapp 5 Prozent der weltweiten Anbaufläche einher. Dies entspräche 75 Millionen Hektar Land, also mehr als der doppelten Fläche Deutschlands", schreibt die Deutsche Umwelthilfe 2021.