PR-Desaster für "Letzte Generation": Fällt jetzt die Klimakatastrophe aus?

Wo Großkonzerne es krachen lassen, fällt individueller Verzicht schwer. Wer im Rampenlicht steht, muss aber bei Inkonsequenz auf Häme gefasst sein. Symbolbild: LN_Photoart auf Pixabay (Public Domain)

Thailand-Reise zweier "Klimakleber" wird Steilvorlage für Klimaschutz-Bremser. Auch viele Umweltbewegte dürften sich ärgern. Warum die Gruppe trotzdem private Inkonsequenzen duldet.

Zwei "Klimakleber" haben mit ihrer Thailand-Reise – aus der die Bild einen Bali-Urlaub machte – eine Diskussion über Doppelmoral ausgelöst und den Klimaschutz-Bremsern eine Steilvorlage geliefert. Einer "schwänzte" dafür angeblich sogar seine Gerichtsverhandlung, die gegen ihn wegen zivilen Ungehorsams angestrengt worden war. Unabhängig von den nicht ganz korrekten Details waren Häme, Spott und Skandalisierung natürlich vorhersehbar.

Mehr noch: Es war klar, dass dieses Reiseverhalten als "Argument" dienen würde, so zu tun, als hätten sich auch der Weltklimarat und der UN-Generalsekretär das eigentliche Problem nur eingebildet. Tenor: Wenn sogar diese nervigen jungen "Klimakleber" Flugreisen unternehmen, kann es ja nicht so schlimm sein.

In einem Social-Media-Beitrag der CDU, den unter anderem deren Parteichef Friedrich Merz auf Twitter teilte, wird mit Verweis auf den Vorfall sogar indirekt gefordert, beim Klimaschutz internationale Vereinbarungen zur Emissionsminderung weiterhin mutwillig zu brechen und auf baldige technische Lösungen zu hoffen: "Auch Straßenkleber können beruhigt in den Urlaub fliegen - denn die Herausforderungen des Klimawandels lösen Ingenieure, nicht Ideologen", heißt es in dem Tweet.

Die Klimainitiative "Letzte Generation" weist immer wieder auf die gefährlichen Kippelemente im Klimasystem hin, die schon sehr bald überschritten sein könnten. Dabei beruft sie sich auf Erkenntnisse des Weltklimarats, die nicht durch persönliche Schwächen einzelner Aktivisten relativiert werden.

Durch solche gerät sie aber nicht nur öffentlich in Erklärungsnot – es dürften sich auch innerhalb der Gruppe einige über den Interkontinentalflug geärgert haben; und das nicht nur, weil er nun politisch und medial ausgeschlachtet werden kann, sondern auch, weil andere aus der Klimabewegung tatsächlich seit Jahren schweren Herzens auf Fernreisen verzichten. Das "richtige Leben im falschen" und seine Grenzen sind dort ein Dauerthema.

Verständnis für "negative Gefühle"

Die "Letzte Generation" äußert in einer Stellungnahme vom Donnerstag Verständnis für "negative Gefühle", die das Verhalten ihrer Mitstreiter ausgelöst hat, unterscheidet aber zwischen Menschen, die sich aus ihrer Sicht zu Recht ärgern und solchen, die im Glashaus sitzen.

Dass Mitglieder von Parteien oder Interessengruppen, die Klimaschutz in großem Stil bremsen, nun so tun, als habe sich das Problem erledigt, weil die Mahnenden und Warnenden privat nicht alle konsequent sind, wird in der Stellungnahme scharf zurückgewiesen.

Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden – gerade bei ökologisch bewusst lebenden Menschen –, wenn Protestierende der Letzten Generation in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so.


Aus dem Statement "Doppelmoral und Klimakollaps" / Stellungnahme der "Letzten Generation"

Ausdrücklich verboten sind private Flugreisen allerdings für Mitglieder der Gruppierung nicht. Sie legt auch ihren Schwerpunkt nicht auf Appelle für ein besseres individuelles Konsumverhalten und verurteilt dafür nicht Einzelpersonen, sondern fordert politische Maßnahmen gegen die Umwelt- und Klimazerstörung.

Vielleicht gerade, weil Umweltbewegte die Angst kennen, am Ende nur die Dummen zu sein, wenn sie individuell auf etwas verzichten, während Superreiche mehrmals im Jahr im Privatjet den Kontinent wechseln, ein Großteil der Mittelschicht SUV fährt, die Autoindustrie von der Politik gehätschelt wird und fossile Großkonzerne das Wirtschaftssystem dominieren.

Zu den Details aus dem Bericht des Boulevard-Blatts erklärte die "Letzte Generation" am Donnerstag:

Ein Mensch, der gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen demonstrierte, sollte am Dienstag in Stuttgart vor Gericht stehen. Mit dem Gericht abgesprochen, blieb er diesem fern. Er befindet sich aktuell in Thailand, um dort mit seiner Freundin viele Monate zu bleiben.

("Doppelmoral und Klimakollaps" / Stellungnahme der "Letzten Generation")

"Dass sich das verändert, muss politisch beschlossen werden"

Individuelles Verhalten sei nicht unwichtig, "im Gegenteil", erklärt die Gruppe.

Hier in Deutschland gehört ein großer Teil der Menschen zu den reichsten Prozenten der Welt, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben und beitragen. Dass sich das verändert, muss politisch beschlossen werden. Der entschlossene, friedliche und gemeinsame Protest hierfür ist in Anbetracht der Kürze der Zeit unabdingbar, um die Katastrophe aufzuhalten.

Sich politisch gegen den Klimakollaps zu engagieren, geht oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun. Insbesondere beeinflusst es auch nicht, wie richtig oder falsch Forderungen an die Bundesregierung sind.

Aber falls irgendein Zweifel bestand, ob Menschen, die Fleisch essen, Auto fahren oder Langstreckenflüge machen, mit uns gegen den Verfassungsbruch der Regierung auf die Straße gehen können, dann möchten wir den hiermit ausräumen: Ja!

("Doppelmoral und Klimakollaps" / Stellungnahme der "Letzten Generation")

Das ist nun für Teile der politischen und medialen Öffentlichkeit eine Ungeheuerlichkeit. Und was dann folgt, können interessierte Kreise natürlich als "Whataboutismus" abtun:

Ist es keine Doppelmoral, "Klimakanzler" zu sein und Lützerath abzubaggern? Ist es keine Doppelmoral, Klimaschutz wichtig zu finden, aber in Bayern keine Windkraftanlagen haben zu wollen?

Ist es keine Doppelmoral, in der Klimakrise den Autobahnausbau als Lösung zu verkaufen? Das Rasen auf den Autobahnen als Freiheit zu sehen, eine Freiheit, für die andere mit ihrem Leben bezahlen müssen?

("Doppelmoral und Klimakollaps" / Stellungnahme der "Letzten Generation")

Letztendlich wird die Thailand-Reise zweier "Klimakleber" nichts an der Lageeinschätzung derjenigen ändern, die bisher die beginnende Klimakatastrophe ernst genommen haben. Wer bisher entschlossen war, sie so lange wie möglich zu verdrängen – oder sogar ein Youtube-Video kennt, das sie angeblich widerlegt –, wird sich durch die persönliche Inkonsequenz einzelner "Klimakleber" darin bestätigt fühlen. Bei Unentschlossenen und innerlich Zerrissenen können Verdrängungswillige und Lobbyisten vermutlich mit ihrer Häme punkten.

Schön wäre es, wenn sich das Problem dadurch tatsächlich erledigt hätte. Aber den Naturgesetzen sind solche Inkonsequenzen egal.