EZB simuliert trotz Bankturbulenzen den Normalzustand

Europäische Zentralbank, Februar 2023. Bild: Norbert Nagel/CC BY-SA 4.0

Zentralbank hält an der erwarteten Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte fest, obwohl damit die Probleme im Bankensektor verschärft werden und die Konjunktur weiter belastet wird.

Bevor es zu den neuen Bankenpleiten und Turbulenzen an den Finanzmärten kam, die mit der Credit Suisse (CS) auch in Europa angekommen sind, war eine weitere Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) um 50 Basispunkte erwartet worden.

Nach den Turbulenzen am Mittwoch um die CS, war spekuliert worden, dass die EZB die Leitzinsen entweder nur um 25 Basispunkte erhöht oder die Erhöhung ganz ausfallen lässt. Die Frankfurter Notenbank ist aber wegen des deutlichen Zinsabstands zu den USA unter Druck. Die US-Notenbank (Fed) hatte gerade angekündigt, die Inflationsbekämpfung wieder zu verstärken.

So befand sich die Europäische Zentralbank in einer Zwickmühle. Würde sie von der angekündigten Linie abweichen, würde sie gleichzeitig einräumen, dass auch sie die Lage dramatischer einschätzt, als die Sprachregelung in der EU offiziell zugibt? Schließlich hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz wie andere gerade erst erklärt, dass sich die Anleger keine Sorgen machen müssten.

Unterschied zum Dollar-Raum verringern

Auch der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung sah die EZB, aber auch die US-Notenbank (Fed), die nächste Woche über einen neuen Zinsschritt entscheidet, vor einem Dilemma. Clemens Fuest meinte, die EZB stehe "vor der Abwägung Inflationsbekämpfung versus Wahrung der Finanzstabilität".

Sollte sie jetzt vom angekündigten Kurs abweichen, gäbe sie "ein problematisches Signal" von Besorgnis aus, würde aber die Lage der Banken erleichtern.

Die EZB will aber die viel zu spät eingeleitete Inflationsbekämpfung vorantreiben. Sie hat die Leitzinsen um weitere 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent erhöht, um den Unterschied zum Dollarraum zu verringern und damit auch die Kapitalflucht zu begrenzen.

Die Anhebung "steht im Einklang mit seiner Entschlossenheit, eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Zwei-Prozent-Ziel sicherzustellen", wird von der Bank in einer Pressemitteilung erklärt.

"Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig"

Da sie die Turbulenzen nicht ausklammern kann, behauptet sie:

"Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide."

Das hatte der Fed-Chef Jerome Powell auch kurz vor den neuen Bankenpleiten der jüngsten Zeit noch erklärt. Die werden nur von der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 übertroffen, die damals die weltweite Finanzkrise ausgelöst hatte.

Auch die EZB-Chefin Christine Lagarde simuliert jetzt den Normalzustand. Das hat sie auch bei der Inflationsentwicklung lange getan und ist damit vor die Wand gefahren.

Allerdings, was Fuest schon angedeutet hat, verschlechtert der Zinsentscheid die Lage von angeschlagenen Banken ebenso weiter, wie er weiter bremsend auf die Konjunktur wirkt. Denn einen Teil der neuen Bankenprobleme in den USA kann man auch der zu forschen Leitzinserhöhungen durch die Fed zuschreiben, wie wir hier ausführlich erklärt haben.

Das Problem ist nicht, dass Leitzinsen erhöht werden. Das Problem ist, dass die Notenbanken zu lange damit gewartet haben, erst damit begannen, als das Kind schon im Brunnen lag. Deshalb mussten sie angesichts einer ausufernden Teuerung forsch vorgehen, womit aber neue Problemfelder aufgerissen werden. Die EZB hat sogar noch länger gewartet und sogar erst auf die Kapitalflucht reagiert.

Banken werden jetzt stärker belastet

Nun mutlos nicht wenigstens das Tempo aus den Leitzinserhöhungen herauszunehmen, ist genauso gewagt von Lagarde, wie es ihr Versuch über lange Zeit war, die Inflationsentwicklung auszusitzen. Denn die Banken werden jetzt stärker belastet.

Die neue Erhöhung wird zwar dabei helfen, die Inflation mittelfristig zu bremsen, aber kurzfristig wird sie die Wirtschaften weiter auf den Rezessionspfad schicken, was auch die Banken wiederum belasten dürfte.

Im letzten Quartal 2022 ist die deutsche Wirtschaft schon um 0,4 Prozent geschrumpft. Für das erste Quartal 2023 sieht es ähnlich aus. Das ifo-Institut geht davon aus, dass es zu einem "weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,2 Prozent im ersten Quartal" kommt, womit Deutschland offiziell in der Rezession wäre. Ob es im weiteren Verlauf des Jahres wieder zur Erholung kommt, kann bezweifelt werden.

Erwartet wird, dass "ab Jahresmitte steigende Reallöhne die Binnenkonjunktur stützen werden". Bisher müssen die Menschen Reallohnverluste "wie nie zuvor hinnehmen".