13 Jahre Haft für Solidarität
Der ehemalige Bürgermeister eines italienischen Dorfes wurde zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt
Riace ist ein kleines Bergdorf im süditalienischen Kalabrien, das seit Ende der 1990er-Jahre solidarisch Geflüchtete aufgenommen hat. Das Dorf und sein Bürgermeister Domenico Lucano wurden dafür weltweit bekannt.
Mehrere Hundert Schutzsuchende lebten in Riace, das zuvor durch die Abwanderung junger Menschen vom Aussterben bedroht war. Kleine Vereine und Kooperativen schufen Arbeitsplätze für Einheimische und Geflüchtet in Werkstätten, die alte Handwerkskünste der Weberei, Töpferei, Stickerei, Glas- und Holzverarbeitung wiederbelebten und die Produkte an Touristinnen und Touristen verkauften.
Auch die Betreuung der Zugereisten brachte Arbeit für die Bevölkerung. All dies verlief nicht konfliktfrei, brachte dem Dorf aber über Jahre einen bescheidenen Aufschwung.
Der Bürgermeister setzte sich engagiert für diejenigen ein, die es in sein Dorf verschlagen hatte. Er sagte nie nein, auch wenn die Behörden ihm viele – vielleicht manchmal zu viele Geflüchtete schickten.
Es gab finanzielle Unterstützung vom Staat und von der EU für die Aufnahme der Schutzsuchenden, dies war für Lucano jedoch nie das Motiv, sondern für ihn stand die Menschlichkeit im Vordergrund. Sie war ihm auch wichtiger als die Bürokratie, und wenn es nötig war, ging er kreativ und im Sinne der Betroffenen mit den Fördergeldern um.
Aber dann schlug – unter Innenminister Salvini – die Repression zu. Im Oktober 2018 wurde Lucano verhaftet, dann aus Riace verbannt und durfte sein Dorf nicht mehr betreten.
Mitte dieser Woche nun wurde Domenico (Mimmo) Lucano zu 13 Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt, berichtet der britische Guardian am Donnerstag. Der Verurteilte sei erschüttert gewesen.
Nach seiner Verbannung hatte es fast ein Jahr gedauert, bis er wieder zurückkehren konnte. Ihm wurde Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen, und dass er die Fördermittel für die Aufnahme von Geflüchteten nicht ordnungsgemäß verwendet hätte. Auch viele weitere solidarische Bewohnerinnen und Bewohner von Riace wurden angeklagt.
Seither fanden mehrere Gerichtsprozesse statt. Immer wieder gab es in Kalabrien, in ganz Italien und auch europaweit Solidaritätsaktionen für Riace. 2017 bekam Domenico Lucano für sein Engagement den Dresdner Friedenspreis.
Lucano setzte sich weiterhin für Geflüchtete ein, auch als er nicht mehr Bürgermeister war. So sorgte er beispielsweise für den Weiterbetrieb der Werkstätten, gegen alle behördlichen Schikanen. 2019 konnte eine kleine Ölmühle in Betrieb genommen werden, Einheimische und Zugezogene fanden in der Ernte und Produktion von Olivenöl bezahlte Arbeit.
"Mir fehlen die Worte, das habe ich nicht erwartet", habe Lucano nach der Verurteilung gesagt, und: "Ich habe mein Leben damit verbracht, Ideale zu verfolgen, ich habe gegen die Mafia gekämpft, ich habe mich auf die Seite der Letzten gestellt, der Flüchtlinge. Und ich habe nicht einmal das Geld, um die Anwälte zu bezahlen. Heute ist für mich alles zu Ende. Es gibt keine Gerechtigkeit."
Das Urteil ist ein Triumph der Rechten und es vereitelt Lucanos Kandidatur bei den kommenden Regionalwahlen. Salvini frohlockt. Lucano will Berufung einlegen.