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15 Jahre Telepolis: Ein Loblied auf das Forum

Telepolis wird 15 Jahre alt - Grund genug, um einmal die bunte Forengemeinde zu feiern, die TP erst ausmacht

Der gemeine TelePolis-Autor (TPA), oftmals eine Untergruppe des gemeinen TP-Redakteurs, ist eine missverstandene Spezies. Er sucht Nähe, kann diesen Wunsch jedoch nur schlecht artikulieren und versucht es daher über den Umweg des Artikelschreibens.

Hoffnungsvoll schaut der TPA dann in das Trashpolis [1]-Forum zu seinem Artikel, um dort ein wenig Zuwendung zu erhalten.. Die Hege und Pflege des gemeinen TP-Autors ist nicht wirklich schwer. Zu bedenken sind allerdings personenspezifische Unterschiede, auf die bei der Pflege des TPA geachtet werden muss.

Sprich-mich-an!

Allgemein leidet der gemeine TPA darunter, dass er viel zu selten angesprochen wird - und wenn, dann oft übertrieben korrekt, also mit "Herr/Frau..."- , was ihm wiederum das Gefühl geben kann, nicht wirklich willkommen zu sein. Umso wichtiger ist es für ihn also, dass er in Foren bei seinem Namen [2] oder Nicknamen genannt wird. Liebevolle Veränderungen [3] seines Namens schätzt er besonders, ebenso eigenkreierte Verben [4], die seinen Namen und seine Eigenschaften gebührend würdigen.

Der gemeine TPA zeigt, dass er dieser Zuwendung bedarf, jedoch auf verschiedenste Weise. Wie eine Pflanze, die traurig die Blätter hängen lässt, so weist auch der TPA gewisse Symptome der Vernachlässung auf, wenn er zu wenig gehätschelt wird. Anhand diverser Warnsignale kann der Forennutzer erkennen, dass sein Lieblingsautor sich in einer emotionalen Notlage befindet und entsprechend reagieren.

Florian Rötzer

Der Meister der im Nirvana verschwindenden, sich in sich selbst verirrenden Satzserpentinen, der Indiana Jones des Sätzedschungels, der König des Langsatzes, schwächelt ab und an - dann zeigt der Schwimmer der telepolischen Hydrokultur auf "Gießen". Reaktion auf die Bewässerung aus dem Forum sind kurze prägnante Sätze, nachvollziehbare, schlüssige Gedankengänge und nicht zuletzt fehlende Grammatik- und Rechtschreibfehler. Leider wird dies im Forum zuweilen missverstanden und nicht genug gewürdigt; kurzsichtig ist dann die Rede von "Besserung" oder davon, dass "sich der TPA Rötzerus endlich mal zusammengerissen hat".

Dabei wird der untergründige Ernst der Lage vollkommen unterschätzt, der gemeine Langsatz-TPA bleibt mit seiner Verzweiflung allein und hofft, sich demnächst wieder zu alter Form aufzuraffen.

Rüdiger Suchsland

Ein Film, in den so viele nach eigener Beurteilung mit größtem Vergnügen gesehen und toll gefunden haben, wird nicht gut bewertet? Das Ende eines Filmes wird nicht seziert wie ein Regenwurm in Biounterricht? Ein ganz schlechtes Zeichen beim 1-A-Faschismusindikator [5], der regelmäßig mit einem lauten "Ping" auch beim letzten Bambi-Film noch anschlagen würde.

Fehlt dem TPA Suchslandus die Kraft zu spoilern, so schwindet automatisch auch die Aufmerksamkeit des Forums. Sonst stürzt es sich mit Verve auf dessen Spoilertum und kritisiert es, wohlwissend, dass Rüdiger Suchsland seine Sehnsucht nach Forumsliebe nur unzureichend mit dem ständigen Hinweis kaschieren kann, dass eine Filmkritik eben kein Trailer ist und insofern auch das Ende eines Filmes miteinbeziehen muss. Das liebevolle Spoilergeplänkel [6] ist für den TPA Suchslandus wie Balsam auf den tippwunden Fingern und ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Hege und Pflege artgerecht funktionieren.

Twister

Ein positiv gestimmter Artikel aus der Feder der stets winselnden, nun aber hammerhart jaulenden ALG II-Nervschreiberin? Kritik an ALG II-Empfängern selbst? Hier herrscht roter Alarm. Nur bei stetiger Betreuung ist gesichert, dass auch weiterhin der lamentierende Unterton herrscht, der zur notwendigen Aufmerksamkeit im Forum führt. Der TPA Hammerus versinkt gerne in Weltschmerz, wo er sich dann gemeinsam mit der aufjaulenden Forumsnutzerschar im Leid um bedrohte Väter und arme ALG II-Kinder suhlt. Optimismus steht im krassen Gegensatz zu seinem normalen Verhalten und kann daher nur als schlechtes Zeichen gesehen werden - hier hilft dann nur, wie in allen anderen Fällen auch, die geballte Forenmacht, die dem TPA wieder mit Namensverballhornungen und diversen Anfeindungen, harscher Kritik und genervter Abokündigungsandrohung zeigt, dass er weiterhin geliebt wird.

Dies sind jedoch nur einige Unterarten und es ist festzustellen, dass die Foren"community" im Allgemeinen die artgerechte Betreuung des gemeinen TPA recht zuverlässig sicherstellt. Dabei gehen einige Forennutzer so weit, ihre eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um die des TPA zu erhalten. Geradezu masochistisch lesen sie jeden Artikel und Blogbeitrag des TPA - wissend, dass sie unter den Folgen leiden werden -, nur um diesen zu kommentieren und damit dem TPA wieder ein paar Tröpfchen des benötigten Aufmerksamkeitsdüngers zukommen zu lassen. Es bedarf eines großen Kraftaufwandes, um, unter selbstlosen Einsatz der eigenen Kräfte, der Bedürftigkeit des gemeinen TPA geschuldete Pflegedienste zu leisten - und dafür sei dem Forum gedankt.

Ich weiß was...

Was das Telepolisforum ausmacht, sind die vielen Informationen, die dort zusammengetragen werden. Trotz einer eher moderaten Löschpolitik sind die vielen Forierenden (wie man wohl in Neudeutsch sagen würde) bzw. Forenten und Forerpel keineswegs immer so aggressiv wie andere Enten [7]. Gerade auch bei polarisierenden Themen ist es jedoch sehr oft das Forum selbst - und nicht der Artikel oder der Blogbeitrag -, welches das Interesse der Forennutzer wachhält. Viele Beiträge sind, egal ob man ihnen nun zustimmt oder nicht, voller Gedankengänge, die das bisherige Thema erweitern oder mit einem anderen verknüpfen.

Beim Thema "Männer" etwa und der Frage der Verhütung zeigten sich manche, denen sofort Frauenhass attestiert wird, dann auch als diejenigen, die die Finger in offene Wunden legen. Warum gibt es keine Pille für den Mann? [8] fragte beispielsweise Yossarian recht zutreffend und insbesondere der Aspekt der Pharmafirmen und der Prostitution ließ hier aufmerken.

Beim Thema "Kinderschutz" sind es insbesondere Z und angelwing, die immer wieder emsig neue Infos über "Kinderschutzorganisationen" und Verknüpfungen zur Politik beisteuern, so wie bei der Kapitalismusthematik demon driver stets mit harscher Kritik zu finden ist, systemverwalter bei chemischen Threads mit Sachkenntnis und Analysen aufwartet und bei den ALG II-Themen sich auch immer öfter die "üblichen Verdächtigungen" einfinden (Tom_ und Co., die auch mit dem Thema privat zu tun haben, weil sie beispielsweise ALG II-Empfänger betreuen).

Dies sind jedoch nur einige willkürlich heraus"gepickte" Forennutzer - natürlich gibt es eine Vielzahl von ihnen, die bei ihren Stammthemen durch interessante und weiterführende Informationen, sachliche Analysen und Bewertungen dazu beitragen, dass Themen auch weiterhin verfolgt und vertieft werden - da dem Autor eine bestimmte Entwicklung gar nicht bekannt ist.

Der Sprung auf die Homepage

Die Blogbeiträge und Artikel sind oft nur kurze Anreißer für Themen, die dann im Forum weiterentwickelt werden. Oft genug führen die Forenkommentare auch zu weiteren Artikeln. In nicht wenigen Fällen sorgen sie für diese Denkanstöße [9] oder Updates [10].

Mancher Forent reicht auch einen Artikel bei TP ein und mutiert auf diese Weise dann vom Forenkommentator zum Artikelschreiber oder Thema eines Artikels. Link auf /tp/autor/maritawagner/default.html, Link auf /tp/autor/klausheck/default.html, alionsonny [11] sind nur einige Beispiele dafür.

Was mir so passiert ist...

Doch es sind nicht nur die Fachinfos, die das Forum auszeichnen - auch die Ansammlung persönlicher Erfahrungen und Hinweise gehören dazu. Beim Thema ALG II etwa, das stets die Gemüter hochkochen lässt, wird so oft zum Thema Ernährung geschrieben, dass sich unter den Forumsbeiträgen eine Menge Rezepte finden, die auf eigene Erfahrung beruhen. So wie im Forum zu den Videocharts auch immer wieder die privaten Lieblingsvideos angepriesen werden und sich dann so manche Perle findet.

Gerade durch diese Anregungen wird das Forum zu einer Art Marktplatz des Wissens, der Erfahrungen und Ideen - was auch erklärt, wieso die Marktbereinigung vor einiger Zeit (alte Foren löschen) zu einem solchen Aufschrei führte. Digitales Vergessen hin oder her, durch die Löschung alter Foren verschwinden auch viele liebgewonnene Kommentare oder auch Zeitzeugnisse aus dem Blickfeld.

Heisefreundschaften

Auch die soziale Komponente ist durchaus vorhanden. Zwar gibt es die diversen Themenschlammschlachten und Trollereien, Stalkereien und Pöbeleien, aber dabei sollte nicht vergessen werden, dass sich durch Forenkommentare auch ein Austausch ergeben kann, der einigen persönlich geholfen hat. Der auch zu Freundschaften und Bekanntschaften im realen Leben führte - ganz ohne Datenstriptease zu langfristigen "Heisefreundschaften", so dass gerade auch nächtens private Plaudereien nicht selten sind.

Von Arnolds, Odefs und Schmopas - ein kleines ABC der Forenten

Wer das Forum seit vielen Jahren frequentiert, der stellt fest, dass sich, wie in anderen Foren auch, längst einige typische Forenspezies entwickelt haben, die immer wieder auftreten. Ein kleines ABC der Forenten (rein persönlich erstellt, daher ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Arnolds

Benannt nach Arnold Schwarzenegger und seinem legendären "I´ll be back" (aus dem Terminator-Film) verbrennen die Arnolds oft schneller ihre Accounts als andere die Zweige beim Osterfeuer. Wie ein Phoenix erheben sie sich dann aus der Account-Asche und freuen sich, wenn sie diesen Trick auch durch ein "reloaded" oder eine ähnliche Markierung verlautbaren können.

Natürlich ist sowohl den anderen Forenenten wie auch den Forenadmins klar, dass es sich im Endeffekt nur um Nachahmungstäter des berühmten Freiherrn von Gravenreuth handelt, dass ein dauerhaftes Hausverbot im Forum sowieso umgangen wird und insofern das "ätsch, ich bin wieder da" nur dem Ego des Forenten selbst nutzt, aber dies wird charmant überspielt und dem Arnold sein Erfolgserlebnis gegönnt.

Cibies

Die Cibies (clever, but busy) sind sozusagen die Besserwisser im Zeitdruck. Durch ihre Perfektion sind sie permanent beschäftigt, weshalb ihr wertvolles Wissen leider nur wenigen übermittelt wird, so dass der Rest zum Scheitern verurteilt ist.

Die Cibies können alles - ihre Anzeigen würde man niemals einfach so zu den Akten legen, jede Verfassungsbeschwerde hätte Erfolg, eine Partei würden sie quasi mit links gründen, während sie mit rechts noch schnell ein neues Gesellschaftssystem entwerfen und all die Niederlagen vor Gericht und in der Öffentlichkeit ließe sich mit ihnen vermeiden, wenn sie nicht so beschäftigt wären. Allerdings schaffen sie es glücklicherweise noch, dem geneigten Forumnutzer zu erläutern, dass sie zu beschäftigt sind.

Flaunties

Nach dem englischen "to flaunt" (zur Schau stellen) agiert der Flauntie wie ein Pfau, der sein Rad schlägt. Das Thema des Artikels ist ihm im wesentlichen egal, dafür ist es ihm umso wichtiger, zu betonen, dass er zur Elite zählt.

Beim Thema "zu wenig Sex" erzählt er von seiner sexy Freundin, bei ALG II von seiner Identität als Leistungsträger, und wenn es um Kleidung geht, verlinkt er auf seine neu gekauften Schuhe aus Italien.

Der Flauntie agiert dabei oft anonym, so dass nicht klar ist, ob es sich bei ihm tatsächlich um den Herrn oder die Dame aus gutem Hause mit viel Geld, sexy Partnern, Klunker und Superauto handelt oder doch nur um einen Troll - das ist dem Flauntie aber auch egal, ihm reicht es, seine Vorzüge anzupreisen wie geschnitten Brot. Dabei zeigt er auch oft Parallelen zum "Schmopa" (schmerzlosem Opa), der jedoch andere Aspekte in den Vordergrund stellt.

Odefs (Opfer der Frauen)

Die Odefs treten oft quasi im Rudel auf. Insbesondere bei Themen, die sich um den Feminismus oder Frauen im allgemeinen drehen, sind die Odefs sofort vor Ort, um ihr Opfertum sowie die Geschichte ihrer Opferung zu erläutern. Sie sind quasi das Leichenrudel, das den Weg des Feminismus markiert - finanziell ausgenommene Männer, die ihre Kinder viel zu selten sehen dürfen und außerdem mit dem "neuen Stecher" der Ex auskommen müssen. Die Odefs allerdings als Jammerlappen anzusehen, greift zu kurz.

Rechtschreibfehler-Sucher

Sie besitzen die faszinierende Fähigkeit, innerhalb kürzester Zeit (oft nur Sekunden), Rechtschreib- oder Grammatikfehler festzustellen und stellen diese dann aus wie in einem Museum. Der RSFS benötigt hierbei die Aufmerksamkeit - zwar könnte er die Tipp- und sonstigen Fehler auch per Mail übermitteln und so dafür sorgen, dass ggf. schnell korrigiert wird, damit würde jedoch die Trophäe wegfallen, die er als erfolgreicher Jäger an die virtuelle Wand hängt. Ein fehlerfreier Artikel wird von ihm höchst selten goutiert, dafür sind gerade die nächtens eingestellten Blogbeiträge oft ein Quell der Freude für ihn.

Schmopa (Schmerzloser Opa)

Der Schmopa (er kann natürlich auch weiblich sein, dies scheint jedoch seltener vorzukommen) ist der Inbegriff des Menschen, der in seiner Jugend jeden Tag in abgetragenen Shorts, zerlöcherten Hemdchen und barfuß 100km zur Arbeitsstätte gelaufen ist und 100 km zurück. Zu essen gab es oft genug Kartoffelschalensuppe und geraucht wurde Zeitungspapier. Manchmal wurde auch ein Stein geschleckt, um den Speichelfluss anzuregen, weil nichts zu essen da war, Schläge hagelte es natürlich auch und gekümmert hat man sich auch kaum um ihn.

Aber immerhin konnte er noch in dem blütenfrisch riechenden Dorf herumtollen (ca 3 Minuten pro Tag, folgt man seinen Schilderungen) und zu einem glücklichen Menschen heranwachsen, anders als all die degenerierten Wohlstandsopfer, die wegen des vielen Essens zu fett sind, die meckern, wenn sie keine Busverbindung zum nächstgelegenen Ort haben (sind doch nur 40 km), und überhaupt verweichlicht sind.

Zählt man die Gesamtheit der Schmopas zusammen, so muss man zu dem Schluss kommen, dass etliche Menschen, die bereits im Ersten Weltkrieg tätig waren, nunmehr nicht nur noch leben, sondern auch im Netz extrem aktiv sind. Dem Schmopa geht es nicht einmal darum, seine eigene Härte in den Vordergrund zu stellen, nein, er will nur klarmachen, wie gut wir es heutzutage alle haben, wie gut es allen geht, und wie wenig wir dies zu schätzen wissen.

Natürlich ist dies nur eine kurze Liste der typischen Forenfrequentierer, bei der Vielzahl der Forenteilnehmer ist es kaum möglich, hier weitgehend umfassend alle aufzulisten. Es gibt noch die, die immer gerne ihren Lieblingsautor in Liebe oder Hass verfallen sind, sämtliche Artikel lesen, nur um stets wieder ihre harsche Kritik zu verfassen; diejenigen, die letztendlich ihre kleinen Privatfehden mit anderen Nutzern ausfechten; diejenigen, die gerne einmal Persönliches über den Autor einfließen lassen, auch um ihn zu diskreditieren; die, die stets gerne auf "ihr" Lieblingsthema kommen, egal wie unpassend es in Bezug auf einen Artikel auch ist und und und. Eines jedoch muss man ihnen allen lassen: Langweilig sind sie nie.

Es wurde aber auch Zeit, dass ihr darüber berichtet

Die Erwartungshaltung gegenüber Journalisten und Redakteuren ist nicht nur bei Telepolis hoch: Jegliche als wichtig erachtete Meldung soll in Echtzeit recherchiert, kommentiert und veröffentlicht werden, wobei alle Autoren und Redakteure zeitgleich alle Foren durchschauen, dort an der Diskussion teilnehmen und Rechtschreib- wie Grammatikfehler korrigieren sollen. Alles natürlich 24/7, denn ein Journalist schläft nie ;)

Dass eine solche Erwartung bei einer solch kleinen Redaktion wie Telepolis nicht befriedigt werden kann ist logisch, führt aber in den Foren oft genug zu harschen Kommentaren.

Du liest ja nie, was im Forum steht

Auch die Erwartung hinsichtlich des Mitlesens im Forum ist groß. Alle Forenbeiträge sollen in Bezug auf Fehlermeldungen, auf Nachfragen, auf Ergänzungen und Berichtigungen anderer abgeglichen und möglichst schnell beantwortet werden. Auch hier kann die Realität mit der Erwartung nicht mithalten, so dass schnell der Eindruck entsteht, dass weder die Autoren noch die Readakteure sich mit dem Forum im Allgemeinen befassen.

Allerdings ist dies neben der Zeitfrage auch eine Frage der persönlichen Leidensfähigkeit, denn neben den harmlosen Unzufriedenen tauchen leider in steten Abständen auch jene auf, die vor persönlichen Angriffen nicht zurückschrecken und so manchen Autoren mit dünnem Fell nicht nur schlaflose Nächte, sondern auch massive Depressionen (von den Folgen hinsichtlich ihres persönlichen Lebens mal abgesehen) einbrachten.

Die dunkle Seite

Auch die gibt es. Von Beleidigung über "virtuelles Stalking" bis hin zur offenen Drohung ist im Forum alles schon dagewesen und so manche Schlammschlacht im Forum wird per Mail weitergeführt. Die Motive des Stalking werden schöngefärbt - mal geht es darum, den Autoren vor "Problemen" zu schützen, die er durch vermeintlich falsche Artikel bekommen könnte, mal wird freundlich, aber bestimmt, darauf hingewiesen, dass schon andere Autoren ihre Probleme hatten und es doch schade wäre, wenn der- oder diejenige den gleichen Weg gehen würde.

Diese Art von Stalking ist keineswegs eine Lappalie, wird aber gerne als Meinungsäußerung bzw. als legitimes Mittel im Umgang mit Journalisten angesehen. Einfach ausgedrückt: Wer als Journalist einen Artikel schreibt, hat nach Meinung mancher Forumsnutzer keine Privatsphäre mehr verdient, sondern steht 24/7 als Nachrichtenrecherchierer, -schreiber, als Forumkontrolleur und nicht zuletzt als Spielball für die oft nachtaktiven Forenten, die sich verbal austoben wollen, zur Verfügung.

Gerade bei kontroversen Themen, wie die rund um den Islam, ALG II, GEZ, Urheberrechte oder Artikeln, die sich mit einer Partei befassen, ist die Quote der bisweilen stark unter die Gürtellinie gehenden Kommentare hoch. Dadurch, dass TP ein Forum bietet, welches nicht im Vorgriff bereits moderiert wird, sondern lediglich auf Abruf bestimmte Forenkommentare durchschaut, bewertet und ggf. löscht, sind Verbalinjurien öfter mal vertreten, doch muss fairerweise gesagt werden, dass auch die Anzahl derer, die bereit sind, hier Paroli zu bieten, hoch ist. Dies stärkt nicht zuletzt auch den Autoren den Rücken, wofür etliche (ich zähle mich ausdrücklich dazu) sehr dankbar sind.

Ausblick

Seit Telepolis das Licht der Welt erblickte, ist auch die Redaktion einem steten Wechsel unterworfen gewesen. Sieht man einmal vom Chefredakteur, Florian Rötzer, ab, so ist vom ursprünglichen Team der Redakteure (Webmaster Joachim Schlesener und Grafiker Michael Schuberthan ausgenommen) niemand mehr da - Armin Medosch, der einst TP mitbegründete, verließ das Magazin 2002, Wolf-Dieter Roth und Michaela Simon 2007. Mittlerweile besteht das Redaktionsteam aus dem Chefredakteur sowie Peter Mühlbauer und Thomas Pany - und auch die Schar der freien Autoren, die schreiben, hat sich gewandelt.

Link auf /tp/autor/adriankupfer/default.html hat seit seinem Dreiteiler über die "Knalltüten des Fernsehens, zum Platzen gebracht" nicht mehr geschrieben, dafür sind neue Autoren hinzugekommen, Link auf /tp/autor/silvioduwe/default.html beispielsweise, Link auf /tp/autor/thomasdudek/default.html oder Link auf /tp/autor/hansschmid/default.html, um nur drei zu nennen.

Dadurch, dass TP zwar über einen Stamm von "ständigen Mitarbeitern" verfügt, aber Artikel von jedermann annimmt (nicht mit Veröffentlichen verwechseln - nur ist man Artikelvorschlägen und eingereichten Manuskripten gegenüber sehr offen), ist dieser stetige Wechsel von Autoren und Themen etwas, das TP auch von anderen Redaktionen unterscheidet.

Aber ganz ketzerisch gefragt: Was wird nach Florian Rötzers Weggang werden? Irgendwann wird ja der 58jährige Chefredakteur den Posten räumen und dann Platz für einen neuen Redakteur schaffen. Geht man nach dem Forum, dann bieten sich da schon mindestens 20-30 Leute an, die sowieso viel geeigneter wären als die bisherigen Redakteure, insofern wäre es doch empfehlenswert, sich dort umzuschauen und neue Autoren dort auszuwählen (auf Redakteure verzichten wir einfach). Nein, es muss keineswegs durch eine Forumumfrage geschehen, aber die eindeutig vorhandenen Qualitäten der diversen Forierenden sollte man nicht übersehen, auch wegen der Pageimpressions.

Statt schreibender Redakteure setzt man dann einfach auf kurze und knappe Artikel durch günstige freie Mitarbeiter, die sich schon durch ihre Eloquenz [12] ausgezeichnet haben. Die Länge der Artikel sollte Tweetlänge nicht überschreiten, so dass die Rezeptoren nicht überfordert werden, auch an der Art und Weise der Berichterstattung muss noch gearbeitet werden - allzulange Wörter, unbekannte Fremdwörter oder allzu intellektuell wirkende Wortschöpfungen sollten außen vor bleiben.

Alternativ wäre es auch möglich, den bisherigen Autoren einfach entsprechende Forenten als Co-Autoren an die Hand zu geben. Birgit Gärtner [13] und Simplicio [14] wären eines der möglichen Autorenpaare, die sicherlich für hohe Klickraten sorgen könnten. Doch um die Qualität der "Kurzartikel" zu sichern, die sich dann endlich auch auf dem ringgroßen Display anzeigen lassen, wäre es immens wichtig, jemanden zu finden, der im Falle des Falles dann die Artikel vorab kurz und knapp bewertet.

Und hier kann es wirklich nur einen geben, der diesen Job übernimmt, da sich dieser bereits seit langem durch seine wohlformulierte, knappe Art und Weise der Kritik [15] qualifiziert hat.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Besucheransturm-zum-Auftakt-der-Games-Convention-198348.html
[2] https://www.heise.de/news/Offboard-Navigation-kostenlos-156929.html
[3] https://www.heise.de/news/Visual-Studio-2008-lernt-Deutsch-184532.html
[4] https://www.heise.de/news/Media-Center-Software-TVcentral-wird-eingestellt-189578.html
[5] https://www.heise.de/news/Markt-fuer-Online-Auktionen-waechst-rasant-36745.html
[6] https://www.heise.de/news/Gewinnwachstum-bei-Swisscom-192845.html
[7] http://www.youtube.com/watch?v=dc5Ho1AfAaQ
[8] https://www.heise.de/news/EU-Kommissarin-will-mehr-Telecom-Wettbewerb-durch-weniger-Auflagen-136604.html
[9] https://www.heise.de/news/T-Mobile-Austria-verzichtet-auf-450-MHz-Netz-184969.html
[10] https://www.heise.de/news/T-Mobile-Austria-verzichtet-auf-450-MHz-Netz-184969.html
[11] https://www.heise.de/tp/features/In-den-Faengen-der-Evangelikalen-3387125.html
[12] https://www.heise.de/news/Linux-Kongress-2005-im-hohen-Norden-163209.html
[13] https://www.heise.de/tp/features/Jammernde-Vaeter-3386481.html
[14] https://www.heise.de/news/Erster-autostereoskopischer-LCD-Fernseher-vorgestellt-Update-200329.html
[15] http://www.heise.de/foren/suche/?q=1A%20Trottelindikator