20 verlorene Jahre

Seite 3: Verlorene Jahrzehnte

Die entlarvende "Pars pro toto"-Dämonisierung Putins schaukelt sich immer mehr zu einer russophoben Hysterie hoch, die letztlich nur ein Spiegelbild der Probleme des Westens ist. Das Mindestattribut an Abschätzigkeit, mit der Putin heute bezeichnet werden muss, ist "Autokrat".

In normale Sprache übersetzt, heißt es aber wahrscheinlich nur: Er hat Autorität. Eine Eigenschaft, die auf seiner Bildung, Intelligenz und Integrität beruht, von der westliche Politiker nur träumen können. Von mehr als jedem anderen kann man von Putin behaupten, dass er die besten Interessen seines Volkes verfolgt: Er hat Russland aus dem Chaos der 1990er-Jahre geführ,4, die Ausplünderung durch westliche Konzerne verhindert (was ihm nie verziehen werden wird), Politik und wirtschaftliche Macht getrennt

.

Natürlich ist dieses riesige Land nicht frei von Problemen, vieles ist noch von unten her korrupt. Der Westen ist korrupt von oben, allen voran die Biden-Familie. Jeder mit wachen Sinnen sieht heute, wie Rüstungs-, Energie-, Finanz- und Pharmaindustrie die großen Weichen in der Politik stellen und nicht die Bürger. Wahrscheinlich schämen sich einfach die meisten hiesigen Politiker, weil sie sehen, dass Putin es besser macht.

Vielleicht wird die hier dargestellte Sicht der Dinge manchem ungewöhnlich erscheinen. Wer jedoch bereit ist, Putin nach seinen ungefilterten Taten und Worten im Original zu betrachten, wird sich schwerlich dem Bild anschließen können, dass heute von ihm in vielen Medien gezeichnet wird.

Die seit dem 25. September 2001 vergangenen zwanzig Jahre werden einmal als eine verlorene Zeit gelten, in der eine europäische, möglicherweise globale Friedensordnung hätte entstehen können. Stattdessen wurde in Europa die Zugehörigkeit zum US-Imperium, das sich in einer offensichtlichen moralischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise befindet, immer mehr spürbar.

Anmaßungen der USA wie die Sanktionen gegen Nord Stream 2 wurden zur Normalität. Schlimmer noch ist aber, dass sich langsam über der Geschichte ein Informationsnebel auszubreiten scheint, den man früher, in umgekehrter Ost-West-Richtung, als Vorhang kannte.

Viel verschwindet aus dem Netz, Youtube findet manches nicht mehr, was die westlichen Darstellungen der Lüge überführte. Der Diskurs wird oberflächlich, geschichtslos, ohne große Zusammenhänge, transatlantische Nibelungentreue blockiert das Denken.

Eine Sache ist es, politisch abhängig zu sein, eine andere, die Mentalität von Vasallen anzunehmen. Leider ist dies in dem Land auf dem Vormarsch, in dem Friedrich Schiller einst das Konzept des speaking truth to power erfand. Putin erinnerte uns 2001 an die europäische Kultur. Wir scheinen sie vergessen zu haben.

Dr. Alexander Unzicker ist Physiker, Jurist und Sachbuchautor. Sein Buch Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur - Anleitung zum Selberdenken in verrückten Zeiten erschien 2019 im Westend-Verlag.