2G für Supermärkte: Hessen macht den Vorreiter
Wie war das noch mit dem Zugang zur Grundversorgung, der für alle offen bleiben muss?
Die 2G-Option auch für Supermärkte? Das Unglaubliche wird wahr. Laut einer Mitteilung der hessischen Staatskanzlei vom vergangenen Dienstag, die über die Verlängerung der bestehenden Coronavirus-Schutzverordnung bis zum 7. November Bescheid gibt, wurden neue Regelungen festgelegt:
So wird beispielsweise auf Wünsche aus der Branche hin die bestehende 2G-Option auf den gesamten Einzelhandel ausgeweitet: Es steht den betreibenden Personen frei, nur noch Geimpfte und Genese in ihren Geschäften zu empfangen und dann auf Abstands- und Maskenpflicht zu verzichten.
Hessische Staatskanzlei, 12. Oktober 2021
Es hat etwas gedauert, dann dämmerte es dem News-Zirkel: Könnte dies auch für Supermärkte und Discounter - für Aldi, Lidl und Rewe gelten?
Eine rhetorische Frage, wie sich heute herausstellt: Auch Supermärkte können beschließen, keine Ungeimpften mehr einzulassen, so die Auskunft der hessischen Staatskanzlei, von der mehrere Medien berichten, allen voran die Bild-Zeitung mit der Überschrift: 2G-Hammer in Hessen, "Supermärkte dürfen Ungeimpfte aussperren".
Das wird nicht überall so gesehen, das Framing macht den Unterschied: "Könnte es sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher schon bald ohne Mundschutz einkaufen dürfen?", heißt es in einem Bericht der Frankfurter Rundschau (FR). Hier schaut man auf die Lockerung, die den "Wünschen aus der Branche" (Hessische Staatskanzlei) entsprechen. Aber wie war das noch mit dem Zugang zur Grundversorgung, der für alle offen bleiben muss? Für alle gewährleistet sein muss?
Die hessische Staatskanzlei wimmelt ab, mit einem Seitenhieb, den Kinder von ihren Eltern kennen - "das heißt dann aber auch...":
Wir gehen davon aus, dass diese Option eher nur tageweise genutzt wird und Geschäfte des alltäglichen Bedarfs davon keinen Gebrauch machen werden. Das heißt dann aber auch, dass ohne 2G weiter die Abstands- und die Maskenpflicht gelten.
Hessische Staatskanzlei, 12. Oktober 2021
Alles nicht so schlimm? - mit dieser Botschaft wehrt auch der genannte Bericht der (FR) ab, der ähnlich in den Medien der ganzen Ippen-Gruppe zu lesen ist. Erst wird hochgerechnet, dann heruntergespielt.
Sollten Supermärkte wie Aldi, Lidl, Edeka oder Rewe von der 2G-Option Gebrauch machen, könnten rund 35 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nicht mehr in den großen Supermarkt-Ketten einkaufen gehen.
FR
Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich.
FR
Wie viele Supermärkte und Läden werden sich dieser Regelung anschließen? Das ist allerdings nur ein Teil der Fragen, die sich mit den neuen Regelungen auftun, die anderen heißen: Wie werden Kunden und die Öffentlichkeit, was wiederum auf die Kunden zurückwirkt, darauf reagieren? Ist das die Bestätigung der Befürchtung derer, die schon länger vor einer de-facto-Impfpflicht warnen? Die befürchten, dass der Impfausweis zu einem Zugangsmodell wird, dessen Anwendungen in kleinen Schritten ausgeweitet wird, um die Öffentlichkeit an die Aushöhlung der Grundrechte zu gewöhnen?
Wahlmöglichkeiten
Rechtlich wird in der Sache "2G-Option für Einzelhändler" in mehreren Berichten auf einen Beschluss der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main verwiesen. Am 29. September entschied das Gericht, dass eine Einzelhändlerin, die eine "Verkaufsstelle zur Ausstellung und Vertrieb von Grills, Grillzubehör sowie Produkten in Zusammenhang mit dem Thema Grillen" betreibt, laut Anordnung der Richter "vorläufig von der 2G-Regelung Gebrauch machen darf".
Das Gericht hat die einstweilige Anordnung erlassen, weil es erhebliche rechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von Verkaufsstätten und ähnlichen Einrichtungen von der sogenannten 2G-Regelung im Sinn des § 21 der Corona-Schutz-Verordnung hat (des Landes Hessen vom 22. Juni 2021, Anm. d. A.). (…)
Diese Ungleichbehandlung des Einzelhandels zu anderen Angeboten und Veranstaltungen werde nicht hinreichend begründet. Der Verordnungsgeber habe es versäumt, darzulegen, aus welchem Grund ausgerechnet und einzig Verkaufsstätten und ähnliche Einrichtungen von der 2G-Regelung ausgenommen werden sollten.(…)
Aufgrund dieses Begründungsdefizits bestünden auch erhebliche Zweifel daran, dass die Regelung des § 26a CoSchuV mit dem Gleichheitsgrundsatz folgend aus Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu vereinbaren sei. Danach sind dem Gesetzes- und Verordnungsgeber nicht jegliche Differenzierungen und damit mögliche Ungleichbehandlungen verwehrt; allerdings bedarf es für ihre Rechtfertigung der Darlegung von Sachgründen, die die Zielsetzung der Differenzierung und die Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahmen nachvollziehbar machten.
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen sei nicht erkennbar, warum der Einzelhandel, der ausweislich der vorgelegten Einschätzung des Robert-Koch-Instituts nur auf sehr niedrigem Niveau das Infektionsgeschehen beeinflusse, von der Anwendung des 2G-Modells ausgeschlossen werden solle.
Verwaltungsgerichtsbarkeit Hessen
Der Handelsverband begrüßt die Entscheidung der hessischen Staatskanzlei, die sich auf das genannte Urteil stützen kann. Es sei gut, wenn Händler die Wahlmöglichkeit haben, wie sie mit 2G oder 3G umgehen, so der Hauptgeschäftsführer Stefan Genth des Handelsverband Deutschland (HDE)
"Es ist gut, wenn die Händler die Wahlmöglichkeit haben, wie sie mit dem Thema 2G oder 3G als Zutrittsvoraussetzung zu ihren Geschäften umgehen möchten", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zuvor hatte Hessen bereits ein 2G-Optionsmodell im Einzelhandel eingeführt, das auch Supermärkte in Anspruch nehmen können.
Und die Wahlmöglichkeiten der Kunden? Zweitrangig?
Genth glaubt an Grenzen des Machbaren:
Wichtig ist, dass das freiwillig bleibt, denn eine 2G- oder 3G-Pflicht beim Einkauf wäre in der Praxis gerade für Geschäfte mit hoher Kundenfrequenz wie bei Lebensmitteln oder Bekleidung nicht umsetzbar.
Stefan Genth