A License to Kill

Seite 2: Friedensbesorgte

Die spiegelbildliche Krux der Kriegsmoral zeigt der angefeindete Brief von Schwarzer et al. Wo Bellizisten monieren, dass den politischen Absichtserklärungen zu wenig entschlossene Taten folgen, fürchten Friedensbesorgte, dass unbedachtes Handeln die guten Absichten der Politik durchkreuzen könnte:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir begrüßen, dass Sie bisher so genau die Risiken bedacht hatten. […] Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern.

Diesem Lob schließt sich ein bedingtes Einverständnis mit der ukrainischen Kriegsführung und ihrer Sprachregelung an:

Wir teilen die Überzeugung, dass es eine prinzipielle politisch-moralische Pflicht gibt, vor aggressiver Gewalt nicht ohne Gegenwehr zurückzuweichen.

Wie seine Kritiker verfremdet der Brief den Krieg und seine Kalkulationen zu einer ethischen Frage, führt sogar eine prinzipielle Pflicht zur Gegenwehr an, die offenbar etwas Höheres ist als die ordinäre Verpflichtung zum Waffendienst per Gesetz – und man wüsste hier wieder gerne, welches Subjekt für diesen edlen Imperativ zuständig ist.

Dann aber kommt dieser Hochwert mit anderen seiner Art in Konflikt: "Doch alles, was sich daraus ableiten lässt, hat Grenzen in anderen Geboten der politischen Ethik." Eine davon betrifft "Zerstörung und menschliches Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis."

Das "irgendwann" bringt zum Ausdruck, dass die Ethiker das von ihnen unterstellte "erträgliche Verhältnis" zwischen Widerstandspflicht und Misere gar nicht angeben können und trotzdem daran festhalten, dass der Krieg im Leid eine bindende Schranke habe.

Ob sie ein staatlich berechnetes Waffenstillstands- oder Friedensangebot damit verwechseln, für das eigene und fremde Opfer eine reine Kalkulationsgröße darstellen? Eine weitere Grenze bestehe sogar in einem "kategorischen Verbot", nämlich dem, "ein manifestes Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt" einzugehen.

Erneut fragt sich, welches unbekannte Wesen dieses unbedingte Gesetz erlassen hat und ob hier nicht eine Fehlinterpretation des staatlichen Dilemmas mit dem nicht beherrschten Atomkrieg vorliegt. Und weil "moralisch verbindliche Normen" aus unerfindlichen Gründen "universaler Natur" seien, falle die "Entscheidung über […] die weiteren 'Kosten' an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung [keineswegs] ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung". Damit kriegt auch das westliche Patronat über die Ukraine noch einen friedensmoralischen Auftrag.

Das ist die derzeit radikalste Kriegskritik, die es halbwegs in die Mainstream-Medien schafft. Solche ideelle Zutraulichkeit zur freiheitlichen Staatenwelt schützt Emma und Kollegen freilich nicht vor der beschriebenen Anfeindung durch die Haubitzen-Fraktion mit den robusteren Idealen, die sie mit dem Verdacht belegt, die fünften Kolonne Moskaus zu sein.