Abhörverpflichtungen bringen holländische Internetprovider in Schwierigkeiten

Ein Drittel der holländischen Internetprovider könnte durch die hohen Kosten der Abhörverpflichtungen in den Konkurs getrieben werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Holländische Internetprovider kündigten letzte Woche an, dass es ihnen nicht möglich sei, ihre Verpflichtungen im Rahmen der gesetzlich erlassenen Abhörerfordernisse zu erfüllen. Am 15. April läuft die Frist ab. Doch technische Probleme und hohe Kosten lassen es fraglich erscheinen, ob die Systeme bis dahin abhörtauglich sein werden.

Das neue Telekommunikationsgesetz, das am 15.Dezember 1998 in Kraft trat, erweiterte die Verpflichtung zur Bereitstellung von Abhörmöglichkeiten von Telefongesellschaften auf Internet Service Provider (ISPs) und andere Telekommunikationsdienstleister. Den ISPs wurde eine zeitlich begrenzte Ausnahme von den Abhörverpflichtungen eingeräumt, doch bis zum August 2000 hätten sie ursprünglich alle Vorschriften erfüllen sollen. Den Providern war das zuwenig Zeit, um sich auf die Installation der notwendigen Geräte vorzubereiten, darüberhinaus waren auch die technischen, finanziellen und juristischen Konsequenzen noch nicht geklärt.

Die vorgeschriebenen Abhöranforderungen waren eine Kopie der Anforderungen, wie sie in internationalen Abkommen formuliert worden waren. Weder die Provider noch die Regierung wussten, wie diese Anforderungen in die Praxis umgesetzt werden sollten. Viele ungelöste Details verblieben in den Protokollen der "Partial Organisation for Interception" (eine spezifisch eingesetzte Körperschaft zwischen der Regierung und den Marktteilnehmern unter der Kontrolle des Ministeriums für Transport und Wasserwege).

A Eisner von der Holländischen Vereinigung der Internetprovider (NLIP) sagte, "es gibt weltweit nur drei in den USA ansäßige Firmen, die Abhörgeräte für das Internet anbieten. Es wird mindestens noch zwei Jahre dauern, bis passende Abhörgeräte entwickelt sind".

Unterschiedliche Standards

Meinungsverschiedenheiten gibt es auch bezüglich der zu nutzenden Abhörprotokolle. Der "Judicial Tap Standard" (JTS), welcher derzeit benutzt wird, kommt mit abgehörten Daten aus Hochgeschwindigkeitsnetzen wie ATM und XDSL nicht klar. Das Protokoll, das vom "European Telecommunication Standardisation Institute" (ETSI) entwickelt wurde und das in ganz Europa zur Anwendung kommen soll, erfüllt die holländischen Anforderungen nicht. Der Standard ist auch nicht in der Lage, schnelle Internetverbindungen anzuzapfen.

Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU über das europäische Abhörprotokoll ziehen sich hin. Holländische Unternehmen zeigen wenig Begeisterung für die Idee, ihre Systeme kompatibel zu dem JTS-Abhörstandard zu machen, wenn aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb weniger Jahre ein neues Abhörprotokoll vorgeschrieben werden wird, das wiederum technische Veränderungen und finanzielle Investitionen erfordert.

Staatssekretär De Vries aus dem Ministerium für Transport und Wasserwege sagte vor einem Jahr, im Februar 2000, dass ein gemeinsames europäisches Protokoll nicht in Sicht sei. Deshalb würden weiterhin nationale Regelungen gültig sein. Den holländischen ISPs wurde nocheinmal ein Jahr Aufschub zur Lösung der Probleme gewährt.

Letzte Woche gaben die Provider aber bekannt, dass auch die neue Frist unrealistisch sei. Sie sagten, es gäbe noch immer keine klaren Spezifikationen, in welcher Form der abgefangene Internet-Traffic an die Polizei weitergegeben werden solle. Deshalb könnten die Hersteller von Abhörequipment die entsprechenden Installationen nicht entwickeln. "Diese Unentschiedenheit resultierte in einem Mangel an relevanten Angeboten, aus denen die Provider hätten auswählen können", behaupten die ISPs in einem Schreiben an das Ministerium für Transport und Wasserwege.

Sie verweisen auch auf die Unterschiede zwischen den niederländischen und den europäischen Abhörstandards für Internet:

"Die holländische Regierung hat sich entschieden, eine Abhörverpflichtung zu einem Zeitpunkt implementieren, an dem der europäische Abhörstandard noch nicht feststeht. Die meisten anderen europäischen Länder warten auf diesen Standard, bevor sie ihre Provider dazu zwingen, ihre Systeme abhörfähig zu machen."

Die holländischen Provider fürchten auch, dass ihre internationale Wettbewerbsposition geschwächt wird:

"Die holländischen ISPs müssen die anfänglichen Kosten der Entwicklung eines Abhörstandards tragen, wobei es immer noch das Risiko gibt, dass der niederländische Standard sich vom europäischen Standard unterscheiden wird".

Die holländischen ISPs sind der Ansicht, dass die Kosten für die Abhörverpflichtung zu hoch sind. Sie müssen die gesamten Kosten für die Abhöraufgaben selbst tragen. "Das wird von katastrophalen Auswirkungen auf den holländischen Markt sein", sagen die ISPs. "Ein Drittel der ISPs wird ihre Geschäftstätigkeit infolge der hohen Abhörkosten einstellen".

Die holländische Organisation Bits of Freedom, die über den Schutz der Privatsphäre wacht, warnt, dass die Abhörverpflichtungen für ISPs zu einem Anstieg der Überwachung führen werden. Statistiken zeigen, dass die Zahl der Abhöraktionen angestiegen ist, seitdem Mobiltelefone abhörbar geworden sind. Jahrelang war die Zahl der angezapften Telefone mit ca. 3000 gleichbleibend. Doch im Jahr 1998, als es erst zwei Mobiltelefongesellschaften gab, stieg die Zahl der abgehörten Nummern auf 10.000. Daraus schließt Bits of Freedom, dass neue Kommunikationstechnologien zu mehr Überwachung führen.