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Abschluss COP28: Wie die USA mit dem Finger auf China zeigen

US-Außenminister Antony J. Blinken bei einer Veranstaltung auf der UN-Klimakonferenz COP 28 in Dubai Anfang Dezember. Bild: US-Regierung / Public Domain

Energie und Klima – kompakt: US-Vertreter werfen Beijing vor, zu wenig zu tun. Was ist davon zu halten? Und was ist mit dem "sauberen" Frackinggas aus den USA?

Am Persischen Golf, in den Vereinten Arabischen Emiraten, neigt sich die diesjährige UN-Klimakonferenz dem Ende entgegen. In den letzten Tagen wurde kräftig gerungen, ob der Ausstieg aus Kohl und vor allem Erdöl und Erdgas in der unverbindlichen Abschlusserklärung erwähnt werden soll.

Eine Heerschar von nicht ganz 2.500 [1] Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie tummelt sich zwischen den fast 100.000 Delegierten [2], um genau das zu verhindern.

Vertreter der am härtesten vom Klimawandel betroffenen Länder sind deutlich weniger in den Konferenzsälen und Vorzimmern zu finden. Dabei haben sie allen Grund, für die Interessen ihrer Staaten einzutreten.

Schäden zwischen 100 und 580 Milliarden US-Dollar entstehen jährlich in ihren und anderen Entwicklungsländern durch Unwetter, Dürren und andere Folgen der globalen Klimaveränderungen, schreibt [3] die britische Zeitung Guardian.

Immerhin wurde in Dubai nach jahrelangen Diskussionen endlich ein Fonds beschlossen, der diese Verluste und Schäden abdecken soll. Allerdings haben die reichen Länder – also die Hauptverursacher der Klimakrise – erst 700 Millionen US-Dollar an Zahlungen zugesagt.

100 Millionen US-Dollar hat Deutschland angeboten. – Man vergleiche dies mit den über 60 Milliarden Euro, die in Deutschland laut Umweltbundesamt [4] (UBA) jährlich an umweltschädlichen Subventionen aufgewendet werden.

Frankreich und Italien haben mit jeweils 108 Millionen US-Dollar etwas mehr für den Fonds versprochen und die Vereinten Arabischen Emirate weitere 100 Millionen US-Dollar, so der Guardian. Von den USA wurden hingegen erst 17,6 Millionen US-Dollar versprochen. Stattdessen gab es aus der Washingtoner Ecke mal wieder wohlfeile Ermahnungen an China.

Dessen Klimaschutzziele seien nicht so stark, wie sie sein sollten, ließ David Turk, Washingtons stellvertretende Minister für Energiefragen gegenüber dem Sender CNN [5] verlauten. Das ist von einem Mitglied der US-Regierung in der Tat eine gewagte Aussage.

Immerhin waren in keinem anderen Land die sogenannten historischen Emissionen so groß wie in den USA. Und zwar mit großem Abstand.

Konkret geht etwa ein Sechstel des in den letzten 200 Jahren in der Atmosphäre angereicherten Kohlendioxids (CO2) auf ihr Konto, während der Anteil des vielfach größeren Chinas nur ein rundes Zehntel beträgt.

Außerdem haben in den USA, nach dem das Problem in den 1970er-Jahren erkannt wurde, die Emissionen noch über mehrere Jahrzehnte zugenommen. 1992 war in der UN-Klimaschutzrahmenkonvention [6] verabredet worden, dass die Industriestaaten bis zum Jahre 2000 auf das Niveau von 1990 stabilisieren sollten, um sie danach zu reduzieren. Den Entwicklungsländern sollte mit dem Vorangehen der reicheren Länder mehr Raum für ihre wirtschaftliche Entwicklung gegeben werden.

Methanemissionen und andere Wahrheiten

Doch passiert ist herzlich wenig, außer dass in Osteuropa infolge des Auseinanderfallens des Ostblocks und der damit verbundenen Wirtschaftskrise die Emissionen stark schrumpften. Die USA vertraten auf den seit 1995 stattfindenden jährlichen UN-Klimakonferenzen die Ansicht, dass die entsprechende Formulierung in der Konvention (Artikel 4 2.(b)) nicht bindend sei, und die anderen Industrieländer schlossen sich dieser Lesart nur allzu gerne an.

Im Ergebnis stiegen die CO2-Emissionen in den USA bis zum Jahre 2005 weiter. Erst als der Boom der Frackinggas-Industrie die alten Kohlekraftwerke zu verdrängen begann, ging auch der CO2-Ausstoß zurück.

Allerdings entweicht durch das Fracking viel Methan [7] in die Atmosphäre. Das ist dort zwar nach etwas mehr als zwölf Jahren schon zur Hälfte abgebaut – ganz anders als CO2, das über viele Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt –, aber ein einzelnes Methan-Molekül ist wesentlich wirksamer als sein CO2-Gegenstück.

Umgerechnet auf 100 Jahre beträgt der Faktor 25, bezogen auf 20 Jahre sogar 72, schreibt das UBA [8].

Im vergangenen Jahr berichtete The New Scientist [9] von einer Studie, die mittels Satellitendaten errechnet hatte, dass in den US-Bundesstaaten Texas und New Mexico 3,5 bis 3,7 Prozent des Gases bei der Förderung in die Atmosphäre entweicht.

Werden diese Verluste berücksichtigt, dann ist das Verbrennen von Frackinggas deutlich schlimmer für das Klima, als das von Kohle. Selbst wenn man bedenkt, dass die US-Kraftwerke besonders veraltet sind.

Diese haben nach Angaben [10] des US-Energieministeriums nur einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 33 Prozent. In China müssen Kohlekraftwerke hingegen, wenn sie ihre Betriebserlaubnis nicht verlieren wollen, je nach Größe einen Wirkungsgrad von 39,6 bis 40,9 Prozent [11] haben, und die neuen Anlagen, über deren Bau sich Turk beschwert, sind noch ein bisschen besser.

China, dessen Pro-Kopf-Emissionen immer noch weit unter denen der USA liegen, setzt die Kohle also viel effizienter ein. Aber natürlich kann man sich über den Bau neuer Kohlekraftwerke Sorgen machen. Dabei ist jedoch die Frage letztlich, in welchem Umfang die neuen Anlagen in Zukunft überhaupt genutzt werden können, wenn Solar- und Windstrom der Vorrang gegeben wird.

Schon 2021 hatten Kohlekraftwerke in China nur eine durchschnittliche Auslastung von 4448 Stunden [12]. Ein gewöhnliches Jahr hat 8760 Stunden, sie standen also die Hälfte der Zeit still.

Und in Zukunft wird das vermutlich noch öfter vorkommen, denn China baut Solar- und Windenergie in einem nie zuvor gesehenen Tempo [13] aus und konnte zugleich durch den Ausbau der Netze deren Ausnutzung optimieren.

Vermutlich werden die neuen Kraftwerke in Zukunft daher nur noch rentabel wirtschaften können, wenn ihnen, wie geplant, ein zusätzlicher Bonus dafür gezahlt wird, dass sie gegebenenfalls als Lückenbüßer einspringen können. Die Absicherung gegen Versorgungslücken scheint denn auch das Hauptmotiv für die neuen Kraftwerke zu sein.

Aber wie ihr Einsatz und damit die Emissionen ausfallen, wird letztlich davon abhängen, ob das hohe Tempo des Solar- und Windenergieausbaus beibehalten wird, wie es einige Beobachter vorhersagen [14].


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9570651

Links in diesem Artikel:
[1] https://time.com/6342799/fossil-fuel-lobbyists-cop28/
[2] https://www.carbonbrief.org/analysis-which-countries-have-sent-the-most-delegates-to-cop28/
[3] https://www.theguardian.com/environment/2023/dec/06/700m-pledged-to-loss-and-damage-fund-cop28-covers-less-than-02-percent-needed
[4] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_143-2021_umweltschaedliche_subventionen.pdf
[5] https://www.cnbc.com/2023/12/04/chinas-emissions-targets-not-robust-enough-us-energy-chief-says.html
[6] https://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf
[7] https://www.theguardian.com/environment/2023/mar/06/us-methane-gas-leak-fracking-jackson-township-pennsylvania
[8] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase
[9] https://www.newscientist.com/article/2241347-fracking-wells-in-the-us-are-leaking-loads-of-planet-warming-methane/
[10] https://www.energy.gov/fecm/transformative-power-systems
[11] https://www.sustainable-carbon.org/chinas-coal-plants-new-efficiency-benchmarks/
[12] https://chinaenergyportal.org/en/2021-electricity-other-energy-statistics-preliminary/
[13] https://www.pv-magazine.com/2023/11/28/renewables-helping-china-to-halve-power-prices-compared-to-us-europe/
[14] https://www.rystadenergy.com/news/china-s-solar-capacity-surges-expected-to-top-1-tw-by-2026