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Adidas und Habeck im Faktencheck: Von wegen Standort Deutschland

Deutsches Kultobjekt im globalisierten Kapitalismus: Adidas-Statue im Miyashita Park in Tokyo (Sommer 2023). Foto: ォィèȮ慬歐 / CC BY-SA 4.0

Image vs. Jobs: Wo der Sportartikelkonzern hauptsĂ€chlich produzieren lĂ€sst – und warum der Unterschied zu Nike nicht wesentlich ist.

Neben der Farbe Pink war es einer der Aufreger der Woche, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den AusrĂŒster wechselt und die Nationalmannschaft somit bald nicht mehr fĂŒr Adidas, sondern fĂŒr Nike Reklame lĂ€uft.

Das Handelsblatt hat unter Berufung auf Branchenkreise berichtet, dass sich Nike das Engagement beim DFB mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kosten lĂ€sst, nachdem Adidas bislang 50 Millionen Euro jĂ€hrlich an den Verband gezahlt haben soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (GrĂŒne) hat daraufhin einen Mangel an "Standortpatriotismus" beklagt [1].

Adidas: Ein StĂŒck deutscher IdentitĂ€t?

Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten fĂŒr mich immer zusammen. Ein StĂŒck deutscher IdentitĂ€t. Da hĂ€tte ich mir ein StĂŒck mehr Standortpatriotismus gewĂŒnscht.

Robert Habeck

Worum geht es hier genau? Um einen Namen und ein GefĂŒhl oder um reale ArbeitsplĂ€tze in Deutschland?

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab seinen Senf dazu: "Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Stattdessen ein US-Unternehmen? Halte ich fĂŒr eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein StĂŒck Heimat vernichtet", schrieb Lauterbach auf der Plattform X.

DFB-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Andreas Rettig reagierte verĂ€rgert – und nach eigener Aussage erstaunt. "Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen. Das muss ich ehrlich sagen, ist eine neue QualitĂ€t", sagte er dem Sportformat ran. [2] Die Angebote seien "nicht ansatzweise vergleichbar" gewesen, so Rettig.

Deutsche Kult-Trikots aus Kambodscha

Vom "Standort Deutschland" ist allerdings oft im Zusammenhang mit ArbeitsplĂ€tzen die Rede. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Produktionsstandorte von Adidas: Als Hauptzulieferland fĂŒr Bekleidung nennt der Konzern mit Verwaltungssitz in Herzogenaurach in seinen GeschĂ€ftsberichten fĂŒr 2022 und 2023 Kambodscha.

Im Jahr 2022 haben wir 91 Prozent unserer GesamteinkÀufe an Bekleidung aus Asien bezogen (2021: 91 Prozent). Kambodscha ist hier mit 22 Prozent der Gesamtproduktion das wichtigste Zulieferland (2021: 21 Prozent), gefolgt von Vietnam mit 17 Prozent (2021: 15 Prozent) und China mit 17 Prozent (2021: 20 Prozent).

Global Operations - adidas GeschÀftsbericht 2022 [3]

Adidas-Treter aus Indonesien

Als wichtigstes Zulieferland fĂŒr Schuhe wurde fĂŒr 2022 Indonesien genannt und 2023 Vietnam. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr nach Firmenangaben 97 Prozent der Adidas-Schuhe in Asien produziert [4].

Die Produktion ist dort schlicht billiger, auch wenn sich der Konzern zunehmend bemĂŒht, nicht als Ausbeuter [5] dazustehen und sich nach eigenen Worten "fĂŒr faire Arbeitspraktiken und sichere Arbeitsbedingungen" einsetzt.

Abgesehen von den BeschĂ€ftigten der Zulieferbetriebe hat Adidas selbst nach eigenen Angaben weltweit rund 59.000 Mitarbeitende, davon die meisten im Einzelhandel und insgesamt nur 24 Prozent im Wirtschaftsraum "EMEA", was im US-Sprachgebrauch fĂŒr Europa (englisch Europe), Naher Osten (aus US-Sicht Mittlerer Osten: Middle East) und Afrika steht.

Emissionen in Asien: Adidas schont deutsche Klimabilanz

Bis 2050 will der Konzern klimaneutral sein – was auch wegen der Transportwege eine Herausforderung ist, wenn Asien die weltweite "Werkbank" bleibt und ein Großteil der Produkte in westlichen LĂ€ndern verkauft wird. Aber immerhin muss Habeck die Emissionen, die bei der Produktion in asiatischen LĂ€ndern entstehen, nicht in Deutschland verbuchen, nur weil dort eine deutsche Firma zum Teil fĂŒr deutsche Kunden produzieren lĂ€sst.

An Standortpatriotismus fehlt es allerdings auch der US-Firma Nike [6]: Ihre Schuhe stammten 2023 ĂŒberwiegend aus Vietnam (50 Prozent), Indonesien (27 Prozent) und China (18 Prozent).


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https://www.heise.de/-9664248

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kritik-am-dfb-wechsel-zu-nike-gehoeren-adidas-und-schwarz-rot-gold-zusammen-19605148.html
[2] https://www.ran.de/sports/fussball/europameisterschaft/news/dfb-wechselt-von-adidas-zu-nike-andreas-rettig-kritisiert-populistische-politiker-357365
[3] https://report.adidas-group.com/2022/de/konzernlagebericht-unser-unternehmen/global-operations.html#:~:text=Im%20Jahr%202022%20haben%20wir%2091%20%25%20unserer%20Gesamteink%C3%A4ufe%20an%20Bekleidung,(2021%3A%2020%20%25).
[4] https://report.adidas-group.com/2023/de/konzernlagebericht-unser-unternehmen/global-operations.html
[5] https://www.oikos-institut.de/wp-content/uploads/2023/08/Factsheet-adidas.pdf
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250150/umfrage/verteilung-der-standorte-der-nike-zulieferer-nach-laendern/