Allianz der "ethnischen Säuberung"?
Der alte und der designierte neue Bundeskanzler. Foto: Juergen Nowak / shutterstock.com
Israelische Tageszeitung blickt mit Bedenken auf Wahlerfolge von CDU/CSU und AfD. Warnung vor einer "fehlgeleiteten" Staatsräson, die völkerrechtswidrigen Expansionismus befördert.
Blicke von außen, Blicke von innen. Auch wenn die sogenannte Brandmauer nicht zu bröckeln scheint und eine Große Koalition sich als das wahrscheinlichste Ergebnis der Regierungssondierungen abzeichnet, hat die Bundestagswahl 2025 die politischen Verhältnisse in Deutschland zugunsten (rechts-)konservativer Kräfte verändert.
Der Wahlerfolg der CDU/CSU als größte Partei unter dem mutmaßlich künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) haben auch internationale Beobachter aufhorchen lassen, weil sie tiefgreifende Auswirkungen auf den Nahost-Konflikt und das Verhältnis Deutschlands zu Israel vermuten.
Die Positionen von Union und AfD
Die CDU/CSU spricht sich seit Langem für die Unterstützung Israels aus. So forderte die Unionsfraktion die Ampel-Regierung im vergangenen Oktober auf, das Existenzrecht und die Sicherheit Israels "mit aller Kraft zu schützen", einschließlich der "Lieferung von Waffen zur Verteidigung gegen den islamistischen Terror", und ungeachtet völkerrechtlicher Bedenken.
Die AfD scheint dagegen eine kritischere Haltung gegenüber Waffenlieferungen an Israel einzunehmen. So äußerte Co-Parteichef Tino Chrupalla zwar scharfe Kritik an den 2024 von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigten Waffenlieferungen und argumentierte, dass solche Maßnahmen nicht zur Deeskalation beitragen würden.
Allerdings sollen Chrupallas Äußerungen Medienberichten zufolge innerhalb der Partei größtenteils mit Unmut aufgenommen und gar als "linker, pazifistischer Unfug" bezeichnet worden sein.
Über die parteipolitischen Grabenkämpfe bezüglich der militärischen Unterstützung Israels und die Debatte innerhalb der deutschen Bevölkerung, die darüber entbrannt ist, hat Telepolis an anderen Stellen berichtet.
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Einen sorgenvollen Blick auf eine drohende "unverhältnismäßige Unterstützung" Israels hat vor dem Hintergrund des rechtskonservativen Aufschwungs kürzlich die israelische Zeitung Ha’aretz geworfen, die das Vorgehen der Regierung Netanjahu in der Region zum Teil mit scharfer Kritik begleitet.
Im November 2024 warf die israelische Regierung ihrerseits dem Medium eine einseitig pro-palästinensische Haltung vor und kündigte die Zusammenarbeit mit Haaretz auf.
Staatsräson "fehlgeleitet"
In einem Artikel vom 23. Februar 2025 stellt die Zeitung aus Tel-Aviv-Jaffa heraus, dass nicht nur die "Rechtsextremen" ("far right"), sondern auch die Regierung Netanjahu zu den "wahren Gewinnern" der Bundestagswahl zähle.
Auch das Versprechen des CDU-Fraktionschefs Merz, er werde "alles tun", um sicherzustellen, dass Premierminister Netanyahu Deutschland besuchen könne, obwohl der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen ihn wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen erlassen hat, stößt dem Autoren David Issacharoff negativ auf.
Ebenso erwähnt werden dabei die – im Gegensatz zu jenen von SPD und Grünen – positiven Äußerungen des Fraktions-Vizen Johann Wadephul (CDU) zur USA und der "Übernahme von Verantwortung" im Nahen Osten, die Haaretz als Unterstützung der mutmaßlichen, umstrittenen Umsiedlungspläne der Trump-Regierung interpretiert.
Diese hätten sich in Trumps Äußerungen, "Besitz" von Gaza ergreifen zu wollen und der Absicht zur Umbildung des dicht besiedelten Landstreifens in eine "Riviera des Nahen Ostens" niedergeschlagen, die der US-Präsident zuletzt durch ein KI-Video untermalte.
Trumps ambivalente Haltung zu einer möglichen Kolonisation des Westjordanlandes haben internationale Medien außerdem als mögliche Absage an die Zwei-Staaten-Lösung interpretiert, welche die CDU/CSU laut ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 "unterstützen" will.
Den von der Unionsfraktion wiederholt vollzogenen Rekurs auf die "Staatsräson" bewertet Ha’aretz vor diesem Hintergrund als "eine gefährlich fehlgeleitete und überholte Sichtweise Israels (...) , das nicht existentiell bedroht ist, wie die letzten 15 Monate gezeigt haben."
Das steht im Gegensatz zu den Erklärungen der Netanjahu-Regierung, die nicht nur die Attacken der Hamas, sondern auch den Anspruch auf einen palästinensischen Staat als solchen für eine Bedrohung hält.
Expansionismus in der Kritik
"Israel wartet nicht auf Trump", heißt es im Ha‘aretz-Artikel weiter. Als Beleg für eine Politik der "ethnischen Säuberung" führt die Zeitung die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Israel Katz an, wonach rund 40.000 Palästinenser aus Flüchtlingslagern im Westjordanland "evakuiert" worden seien, und Katz geschworen habe, dass Israel sie "nicht zurückkehren lassen wird".
Zusätzlich dazu kündigte Katz an, dass sich eine neu eingerichtete Stelle seines Ministeriums damit befassen werde, Palästinensern die Ausreise aus dem Gazastreifen zu ermöglichen.
Nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad hat Benjamin Netanyahu die Besetzung der entmilitarisierten Zone in den Golanhöhen durch die israelischen Streitkräfte angeordnet. Laut Netanyahu soll die Anordnung lediglich eine "vorübergehende defensive Position" absichern, bis eine geeignete Regelung gefunden ist.
Dennoch verglich der israelische Premier, dessen Ahnen sich zu den sogenannten revisionistischen Zionisten zählten und dessen Partei die Kolonisierung der Westbank fordert, während seiner Korruptionsverhandlung im Dezember 2024 den Sturz des Assad-Regimes mit dem Sykes-Picot-Abkommen, der Aufteilung des Nahen Ostens durch die französischen und britischen Kolonialisten, aus denen das sogenannte Mandatsgebiet Palästina entstand, aus dem später Israel hervorging.
Gleichzeitig scheinen sich israelische Stimmen zu mehren, die Gebietsansprüche über die existierenden Grenzen hinaus fordern. So fragte die Jerusalem Post in einem mittlerweile gelöschten Artikel, ob Libanon zu Israels "versprochenem Gebiet" gehöre, was auf heftige Kritik stieß.
Ebenso veröffentlichte die Times of Israel einen mittlerweile ebenfalls gelöschten Kommentar über Israels wachsende Bevölkerung und den Bedarf an "Lebensraum", einem Begriff, der mit den Juden mordenden Nationalsozialisten verbunden ist.
Das Online-Magazin MintPress News deutet solche Vorstöße zusammen mit dem Vorgehen der israelischen Regierung so, dass das einst als antisemitische Verschwörungstheorie bezeichnete Konzept eines "Groß-Israel", welches Teile des Libanon, Syriens, Jordaniens und Ägyptens umfasst, in der Öffentlichkeit zunehmend an Popularität gewinnt.
Das US-amerikanische Medien-Bewertungsportal Media Bias/Fact Check wertet MintPress News als "unzuverlässige Quelle", die in der Vergangenheit durch eine Nähe zu Russland, dem ehemaligen Assad-Regime und einer anti-israelischen Haltung aufgefallen sei.
Die These von Mintpress News zu untermauern, scheint hingegen auch die Gedenkzeremonie für einen rechtsextremen Aktivisten, bei dem der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich an einem Rednerpult stand, dessen Front ein Wappen "Groß-Israels" zierte.