Alternativlose USA: Jenseits von Biden und Harris gibt es nur krasse Irrationalisten?

Robert Kennedy Jr. Bild (2007): Daniel Schwen / CC BY-SA 4.0

Bei den Demokraten sorgt ein Kandidat mit berühmten Namen für Aufmerksamkeit: Robert F. Kennedy Jr. Warum das ein Zeichen für eine gefährliche Entwicklung ist und was dies über die politische Psyche in den USA sagt.

Die US-Präsidentschaftswahlen 2024 rücken näher und damit die Frage: Ist Joe Biden wirklich alternativlos? Gibt es Kandidaten, die den Amtsinhaber und den "liberalen Konsensus" herausfordern und auffrischen können?

Nicht nur Europäer schütteln den Kopf, ein 80-Jähriger als Kandidat der großen liberalen Partei, ist das der neue Vatikan? Auch US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner blicken ratlos auf die große, weite Prärie: im ganzen Land kein anderer?

Doch sagen manche, da gibt es einen. Und seine Fan-Base wächst angeblich. Es ist ein Mann mit einem berühmten Namen: Robert F. Kennedy glaubt der Kandidat zu sein, der für das liberale Establishment gefährlich werden könnte.

Mag sein, dass er recht hat. Das hat mehrere Gründe. Einer liegt in der Schwäche des jetzigen Führungsteams. Der 80 Jahre alte Präsident hatte im April bekannt gegeben, sich 2024 erneut um das Amt des Präsidenten bewerben zu wollen.

Sollte Joe Biden die Wahl gewinnen, wäre er am Ende seiner Amtszeit stolze 86 Jahre. Damit scheint eine Präsidentschaft von Kamala Harris, der Ex-Staatsanwältin aus der Bay-Area, nicht unwahrscheinlich.

Präsidentin Kamala Harris

Doch was hat die 58-Jährige außer ihrer verhältnismäßigen Jugend gemessen an Biden, dessen Ausfälle sich häufen, anzubieten?

Ihre Zeit im Weißen Haus ist bisher nicht von politischen Erfolgen gekrönt. Während der aktuelle Präsident zumindest einen Teil seiner Wahlversprechen verwirklichen konnte, wurden Harris bisher gerne die unangenehmen politischen Themen zugeschoben – wie die humanitäre Krise an der südlichen Grenze der USA.

Diese Dynamik zwischen Biden und seiner Vize-Präsidentin hat nicht zu Harris Beliebtheit bei der Wählerschaft beigetragen. Obgleich dem Weißen Haus sicherlich ein Teil der Schuld an Kamala Harris mangelndem politischem Profil in der aktuellen Regierung in die Schuhe geschoben werden kann, eine starke Kandidatin auf das oberste Amt im Weißen Haus ist sie nie gewesen.

Als Harris ihre Präsidentschaftskampagne 2019 bei vier Prozent in den Umfragewerten beendete, gelang ihr etwas, von dem andere nur träumen: Sie wandelte diese klare Absage der Wählerschaft in eine Vizepräsidentschaft um.

Jedoch schien es Harris bisher unmöglich, diese Chance für die Entwicklung einer soliden politischen Persona zu nutzen. Selbst aus dem eigenen Lager wurden immer wieder Stimmen laut, die Harris Regierungsfähigkeit anzweifelten, wie die New York Times schon vergangenen Februar berichtete.

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen 2024 drängt also die Frage auf, ob die Demokraten ihrer Wählerschaft wirklich keine besseren Kandidatinnen anzubieten haben als einen immer seniler wirkenden Joe Biden und eine allgemein unbeliebte Kamala Harris.

Robert F. Kennedy sucht die Bresche

In diese Bresche will nun Robert F. Kennedy springen, doch was hat der Demokrat, außer seinem berühmten Familiennamen anzubieten?

Auf den ersten Blick ist es seine Opposition zum "Washington-Konsensus" – allerdings geht Kennedy da sehr weit, so weit, dass er sehr nah an Verschwörungs-Narrativen dran ist.

Das war nicht immer so, zumindest nicht immer so deutlich. Der jetzt 69-Jährige zeigte sich etwa 2016 als lautstarker Kritiker an der Beteiligung der USA am Bürgerkrieg in Syrien und somit als eine willkommene Abwechslung zum Einheitskurs der außenpolitischen Eliten im State Department.

Er hinterfragte die US-Unterstützung von islamistischen Milizen im Kampf gegen den Machthaber Assad. Laut Kennedy handelte die USA in Syrien nicht aus humanitären, sondern aus rein energiepolitischen Interessen.

Alternative zu politischen Eliten

Damals wie heute wurden kritische Stimmen am außenpolitischen Kurs der USA wahlweise als Agenten Russlands oder Verschwörungstheoretiker abgetan, wie zuletzt auch Seymour Hersh am eigenen Leib erfahren musste.

Der Investigativ-Journalist, der auch im Syrienkonflikt die Machenschaften einiger US-Akteure genauer in den Blick nahm, wurde Ziel von Spott und Hohn seiner Kollegen, als er einen Artikel veröffentliche, in dem er die Biden Regierung anklagte, die Sprengung der Nord Stream 2 - Pipeline in Auftrag gegeben zu haben.

Das Echo auf Hersh in westlichen Leitmedien zeigt, wer gegen den Strom des liberalen Konsenses schwimmt, muss, wenn er sich exponiert, mit einer härteren Reaktion rechnen als diejenigen, die unter dem Baldachin des Konsenses die ein oder andere Angelegenheit nicht so genau nehmen.

Dies gilt zum Beispiel für Journalisten und Medien, die lügnerische Täuschungen in der Vorbereitung zum US-Einmarsch, den Irak-Krieg-Lügen auf den Leim gegangen sind und sie verbreitet haben. Ausgerechnet die große alte Dame des US-Journalismus, die New York Times tat sich unrühmlich hervor.

Aber auch US-Politiker, die Verbrechen des US-Militärs decken, mussten bisher nie wirklich mit Konsequenzen rechnen. Ein Paradebeispiel dafür wäre etwa Elliot Abrams, der einst in El Salvador im Namen des Antikommunismus Massaker an der Zivilbevölkerung geflissentlich übersah, und später während einer Untersuchung dieser Ereignisse vor dem Kongress log.

Abrams, wurde schon unter Donald Trump zum Spezialbeauftragten für Venezuela berufen. Nun kündigte Präsident Joe Biden letzten Montag seine Absicht an, Elliot Abrams für die parteiübergreifende Beratende Kommission der Vereinigten Staaten für öffentliche Diplomatie nominieren zu wollen (AP).

Dass Akteure wie Abrams sowohl unter Biden als auch unter Trump immer einen Platz nahe der Macht finden, lässt schnell den Eindruck einer in sich geschlossenen Herrscherclique entstehen, die sich ausschließlich durch äußere politische Labels wie "liberal" und "konservativ" unterscheidet.

Donald Trump repräsentierte für viele seiner Wählerinnen vor Beginn seiner Amtszeit eine Alternative zu diesen politischen Eliten in der Hauptstadt. Jetzt haben die Demokraten mit Robert F. Kennedy auch einen sogenannten Populisten mit verschwörungstheoretischen Tendenzen, – also ihren ganz eigenen Trump.

Grenzwertige Überzeugungen

Robert F. Kennedy pflegt und exponiert sich mit vielen grenzwertigen Überzeugungen. Dass er die CIA für den Tod seines Onkels, den ehemaligen Präsidenten John F. Kennedy, verantwortlich hält, ist dabei nicht der große politische Skandal und Außenseitertum.

Damit entspricht Robert F. Kennedy Jr. der Meinung der Mehrheit in der US-Bevölkerung, die nicht glaubt, dass der einstige Präsident Opfer eines Einzeltäters wurde.

Ein sehr viel krasseres und problematischeres Licht auf den Biden-Herausforderer wirft, dass er eine Verschwörungstheorie verbreitet, wonach Impfstoffe gegen Coronaviren entwickelt wurden, um Menschen mit Mikrochips zu kontrollieren.

Außerdem verbreitet Kennedy die gefährliche und falsche Vorstellung, der Konsum verschreibungspflichtiger Antidepressiva würden mit Schießereien in Schulen in Verbindung stehen. Das ist eine politische Streubombe.