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Amri: Bundesregierung blockiert Aufklärung

Sattelzug, mit dem Anis Amri, den Anschkag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verübte. Bild: Emilio Esbardo / CC BY-SA 4.0

Untersuchungsausschuss des Bundestages: Der Konflikt um V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Umfeld des Attentäters wird schärfer

Die parlamentarische Aufklärung des Terroranschlages auf dem Breitscheidplatz in Berlin gerät zum Schlachtfeld. Im Zentrum steht aktuell die Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und dessen Quellen im näheren oder weiteren Umfeld des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri.

Die Bundesregierung mischt sich massiv in die Arbeit des Bundestagsgremiums ein und will verhindern, dass die Abgeordneten BfV-Verantwortliche befragen können. Das hat auch den Untersuchungsausschuss selbst entzweit. Die Abgeordneten von Union und SPD, die auch die schwarz-rote Regierung stützen, übernehmen zum Teil deren Argumente. Bereits einmal haben die Oppositionsparteien Linke, FDP und Bündnisgrüne vor dem Bundesgerichtshof gegen die Ausschuss-Mehrheit von CDU/CSU und SPD geklagt. Weitere Klagen könnten folgen.

Irgendetwas muss beim Einsatz dieser Quelle oder Quellen [des BfV] im Umfeld der Fussilet-Moschee oder von Anis Amri so im Argen liegen, dass die Bundesregierung hier diesen Blockadekurs fährt.

Martina Renner (Linke)

Warum konnte eine Person wie Anis Amri, die so im Fokus der Sicherheitsbehörden stand, von der man so viel wusste, diesen Anschlag begehen?

Konstantin von Notz (Grüne)

Der Aufklärungswille der Bundesregierung ist reine Fassade.

Katharina Willkomm (FDP)

Bei allem Aufklärungswillen darf der notwendige Quellenschutz nicht vernachlässigt werden.

Volker Ullrich (CSU)

Aus den Stellungnahmen von Abgeordneten vor Beginn der ersten Ausschuss-Sitzung nach der Sommerpause am 13. September.

Verletzte und Angehörige von Opfern des Anschlages zeigten sich erschüttert über das Auftreten der Regierungsvertreter

Drei Untersuchungsausschüsse der Parlamente in Nordrhein-Westfalen, Berlin und des Bundestages befassen sich mit dem Anschlag, dem am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen zum Opfer fielen und bei dem Dutzende verletzt wurden. Nach dem letztlich immer noch ungeklärten Terrorkomplex NSU samt der demonstrativen Zerknirschung und Reuebekundung der Sicherheitsbehörden verwundert die Kompromisslosigkeit und Energie umso mehr , mit der diese Sicherheitsbehörden nun erneut gegen die Aufklärung eines Terrorkomplexes vorgehen. Ihr Vertuschungswille scheint noch größer zu sein. Auffällig ist die offene Patronage der Bundesregierung, die sie genießen.

Die erste Sitzung des Bundestagsausschusses lieferte dazu reichhaltiges Anschauungsmaterial. Zum ersten Mal war eine Vertreterin des BfV als Zeugin geladen. Verletzte und Angehörige von Opfern des Anschlages, die den Sitzungstag verfolgten, zeigten sich erschüttert über das Auftreten der Regierungsvertreter, die zig-fach bei Fragen von Abgeordneten intervenierten und die Beantwortung unterbinden wollten. Das verletzt die Opfer erneut und deprimiert sie, weil es ihr Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Instanzen zerstört.

Bundesregierung und Bundesamt für Verfassungsschutz haben das Parlament belogen

Um die Brisanz zu verstehen, muss man zunächst zurück in die Zeit unmittelbar nach dem Anschlag vom Dezember 2016. Anfang Januar 2017 richtete die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Darin heißt es unter anderem: "Welche Erkenntnisse hatte das BfV wann zu Anis Amri? Welche Maßnahmen wurden seitens des BfV wann und insgesamt wie lange in Bezug auf Anis Amri veranlasst? Wurde Anis Amri vom BfV überwacht, und wenn ja, wann und mit welchen Mitteln? Wurden im Umfeld Anis Amris in welchem Zeitraum V-Leute des BfV eingesetzt?" Und auch folgende Frage stellte die Grünen-Fraktion damals: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Anis Amri je selbst als V-Person oder sonstiger Informant des BfV geführt wurde?"

Die Antwort: Das BfV habe mit dem Fall Amri nie etwas zu tun gehabt. Er sei ein reiner Polizeifall und Sache der Landeskriminalämter von Nordrhein-Westfalen und Berlin gewesen.

Diese Antwort war unwahr, wie man heute weiß. Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis sich das durchsetzte. Bundesregierung und Bundesamt für Verfassungsschutz haben das Parlament schlicht belogen.

Das wiederholte sich sogar ein paar Monate später im Abgeordnetenhaus von Berlin. Auch dem Sonderermittler des Senates, Bruno Jost, teilte [1] der Inlandsgeheimdienst der BRD im Mai 2017 mit, "er habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu Amri besessen und auch keine Informationsbeschaffung zu Amri betrieben".

Im Mai 2018 wurde dann bekannt [2], dass das BfV in der Fussilet-Moschee in Berlin und damit im unmittelbaren Umfeld von Amri eine Quelle sitzen hatte.

Politisch war damit nun auch das Bundesinnenministerium Horst Seehofers für den Sachverhalt verantwortlich. Gegenüber einem Betroffenen, der bei dem LKW-Anschlag verletzt wurde, bestritt das Ministerium aber noch Ende Juni 2018 seine Zuständigkeit. Der Mann bat in einer Email um "ein persönliches Gespräch mit Herrn Seehofer", damit sich der für eine lückenlose Aufklärung einsetze. In der Email-Antwort des Ministeriums, die Telepolis lesen konnte, heißt es, Seehofer und das Bundesministerium des Innern (BMI) seien nicht die richtigen Ansprechpartner. Alles, was vor dem Terroranschlag passiert sei, habe "im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer NRW und Berlin" gelegen. Und seit dem Anschlag sei der Generalbundesanwalt zuständig. Der wiederum unterstehe dem Bundesminister der Justiz.

Damit folgte das BMI weiterhin der längst überholten Version, der Anschlag sei eine Sache von NRW und Berlin. Die Email ist im übrigen unpersönlich gehalten und von einem namenlosen "Bürgerservice" des Ministeriums unterzeichnet. Es ist ein Dokument der Respektlosigkeit einer Regierung gegenüber den Anschlagsopfern .

Dass die Vertreter des BMI im Untersuchungsausschuss (UA) des Bundestages so hartnäckig gegen das Fragerecht der Abgeordneten intervenieren, muss angesichts dessen nicht mehr erstaunen. Zumindest Namen tragen sie dort.

In der Sommerpause zeitigte die Affäre um das BfV und seine Quelle dann im Wochentakt immer bizarrere Ergebnisse. Heraus kam, dass BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen gegenüber dem Innensenator von Berlin, Andreas Geisel (SPD), im März 2017 darauf gedrängt [3] haben soll, die Existenz der Quelle in der Moschee zu verschleiern - was letztlich ein Jahr lang auch gelang.

"Korrekturbitten" oder "Drohbriefe" an die Presse?

Dann erfuhr man, dass das Maaßen-Amt ebenfalls Anfang 2017 unter Einsatz von Rechtsanwälten versuchte, gegenüber Medien Einfluss auf die Berichterstattung bezüglich eines möglichen V-Mannes im Falle Amri zu nehmen. "Korrekturbitten" nannte das Maaßen. Der "Tagesspiegel" spricht von "Drohbriefen an die Presse":https://www.tagesspiegel.de/politik/geheimdienst-affaeren-verfassungsschutz-praesident-liess-berichte-zu-amri-spitzel-unterdruecken/22999444.html [4]. Aber auch das funktionierte wohl bei verschiedenen Medien.

Souveränität sieht anders aus. Offensichtlich leiden der Bundesverfassungsschutz und sein Chef unter Kontrollverlust. Die Praxis der Verschleierung der zahllosen Widersprüche zunächst im NSU-Komplex und nun im Amri-Komplex scheint nicht mehr so reibungslos zu funktionieren wie in der Vergangenheit.

Ausschussmitglieder vor allem von FPD, Linken und Bündnisgrünen wollen den V-Mann-Führer der BfV-Quelle in der ehemaligen Fussilet-Moschee vorladen und befragen. Die Moschee wurde nach dem Anschlag von Amts wegen geschlossen. Ob für die Quelle heute eine unmittelbare Gefahr besteht, ist deshalb mehr als fraglich.

Dennoch macht das Bundesinnenministerium genau das geltend: Durch die Vernehmung des Quellenführers könnte das Vertrauensverhältnis zur Quelle gestört und laufende Operationen gefährdet werden. Eine Argumentation, unüberprüfbar und wie ein Joker jederzeit gegen Aufklärungsbemühungen einsetzbar.

Damit wäre der Untersuchungsausschuss Schachmatt gesetzt. Vor allem die drei Fraktionen FDP, Linke und Grüne überlegen deshalb, auch in diesem Falle vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Das umso mehr, als die Bundesregierung nicht nur den V-Mann-Führer der Fussilet-Moschee-Quelle nicht vom Ausschuss befragen lassen will, sondern, so die Abgeordnete Martina Renner (Linke), auch in Frage stelle, dass ein BfV-Referatsleiter als Zeuge gehört werden könne. "Das gab es noch nie", sagte Renner gegenüber der Presse, "das ist ein Novum und kam weder im NSU-Komplex noch in anderen Untersuchungsausschüssen vor."

Die Befragung der BfV-Zeugin mit dem Arbeitsnamen "Lia Freimuth"

In der Schärfe des Konfliktes kann man zugleich ein Zeichen sehen für die Wahrheit, die sich dahinter verbergen muss. Das wurde schließlich auch in der Ausschusssitzung bei der Befragung der BfV-Zeugin mit dem Arbeitsnamen "Lia Freimuth" deutlich. Die 33-Jährige arbeitet seit zehn Jahren im Bundesamt. Sie ist nicht mit der Führung von Quellen betraut, sondern mit der Analyse und Auswertung eingehender Informationen von Quellen, die im militant-islamistischen Bereich Personen bespitzeln.

Darunter eben auch den Tunesier Anis Amri, der mutmaßliche Attentäter vom Breitscheidplatz. Im Januar 2016 habe sie sich erstmals mit Amri beschäftigt, so die BfV-Auswerterin. In der Folge führte sie sowohl eine Personenakte als auch eine Sachakte zu ihm. Sämtliche Informationen zu Amri landeten auf ihrem Schreibtisch. Sie bestätigte auch, dass sie - mindestens vier - Aufträge zur Informationsbeschaffung über Amri an die Beschaffungsabteilung, die die Quellen führt, gegeben habe. Damit widersprach sie der Amtsauskunft vom Mai 2017 gegenüber dem Berliner Sonderermittler Bruno Jost, "das BfV habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu Amri besessen und auch keine Informationsbeschaffung zu Amri betrieben" (siehe oben).

Interessant wäre gewesen zu erfahren, ob diese Auskunft damals selber von ihrem Schreibtisch ausgegangen war. Möglich ist es, denn bei der Erstellung von Antworten des Amtes auf parlamentarische Anfragen zum Fall Amri, war sie maßgeblich beteiligt, wie sich im Laufe der mehrstündigen Befragung ergab. Also auch bei den Antworten auf die Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion.

Und bereits in das Behördenzeugnis des BfV über Amri vom Januar 2016 war die Auswerterin "Lia Freimuth" involviert. Der erste Entwurf sei durch sie erfolgt. Außerdem räumte sie ein, dass BfV-Präsident Maaßen sich nach dem Anschlag mündlich von ihr hat briefen lassen. Überall, wo Maaßen nach dem Anschlag offiziell Rede und Antwort stehen musste, war die Auswerterin beteiligt: Bei dessen Auftritt im Innenausschuss des Bundestages, wie in der nachrichtendienstlichen Lagebesprechung im Bundeskanzleramt. Eine ganz zentrale BfV-Mitarbeiterin und Zeugin also. Auch, als das Gemeinsame Terrorismus-Abwehr-Zentrum (GTAZ) sich mit Amri beschäftigte, war sie dabei - insgesamt fünf Mal.

Die Antworten mussten der Verfassungsschützerin meist regelrecht abgerungen werden. Die Vertreter des Bundesinnenministeriums, die im Untersuchungsausschuss sitzen, intervenierten gut 40 Mal gegen Fragen von Abgeordneten. In vielen Fällen wurden die Antworten in der öffentlichen Sitzung verweigert. Sie sollten später in eingestufter Runde unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen.

Darunter die, wie viele Quellen das BfV im extremistisch-islamistischen Bereich führt. Die Auswerterin "Freimuth" hat es, wie sich ergab, mit etwa 500 Zielpersonen auf diesem Feld zu tun. Eine überraschende Dimension, die auch einen Eindruck von der möglichen Anzahl von Spitzeln geben kann. Mit einer Handvoll ist es da sicher nicht getan. Unter den 500 vom BfV beobachteten Personen wiederum sind welche, mit denen Anis Amri in Kontakt stand. Die Namen zu nennen, wurde in der öffentlichen Sitzung verweigert.

Dann wollte die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic wissen: "Wurde Anis Amri vom BfV mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht?"

Antwort BfV-Zeugin "Lia Freimuth": "Das ist nicht von meiner Aussagegenehmigung gedeckt."

Mihalic/UA: "Das ist eine grundsätzliche Frage: Wurden nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt?"

Widerspruch von der Regierungsbank, die Frage dürfe nicht beantwortet werden.

Mihalic/UA: "Das ist eine geschlossene Frage: Wurde Amri mit nachrichtendienstlichen Mitteln vom BfV überwacht - ja oder nein?"

BfV-Zeugin: "Das ist nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt."

Armin Schuster, Ausschussvorsitzender, CDU: "Wollen Sie es gar nicht beantworten oder nur in diesem Format, öffentlich, nicht?"

BfV-Zeugin: "In diesem Format nicht."

Einwurf Regierungsbank: "Die Zeugin kann mit Ja oder Nein antworten."

BfV-Zeugin: "Dann: ja!"

Im Klartext: Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln könnte eine Telefonüberwachung, aber auch der Einsatz von Spitzeln gewesen sein.

"Ich habe das Aufregerecht"

Zeugenaussagen, die das bisherige Auskunftsverhalten einer Bundesbehörde im Falle eines terroristischen Anschlages mit zwölf Toten Lügen strafen. Dazu zählt auch die übrige Informationspolitik des BfV. Denn dass das Amt, das mit dem Fall Amri nichts zu tun gehabt haben will, tatsächlich Sach- und Personenakten zu dem späteren Attentäter führte, verwundert einige Abgeordneten.

Irene Mihalic/UA: "Es gibt also eine Personenakte zu Amri im BfV: Haben wir die bekommen?"

Vertreterin Bundesinnenministerium: "Selbstverständlich haben sie die."

Mihalic/UA: "Ich kenne die Akte nicht."

Vertreter BMI: "Wir haben sie noch vorzulegen."

Mihalic/UA: "Also haben wir sie noch nicht."

Konstantin von Notz, Grüne: "Warum ist sie noch nicht da?"

BMI-Vertreter: "Weil wir noch nicht liefern müssen. Sie haben auf unser Schreiben nicht reagiert."

Von Notz/UA: "Ich bitte um Mäßigung im Ton. Wenn ich zu liefern habe und habe nicht geliefert, wäre ich als Regierung im Haus des Parlamentes zurückhaltender!"

Martina Renner, Linke: "Der Beweisbeschluss hätte bis Ende April 2018 erfüllt sein müssen. Warum ist die Akte nicht da?"

Von Notz/UA: "Sie sind verfristet!"

Armin Schuster, Ausschussvorsitzender, CDU: "Herr Notz, Sie haben nicht das Rederecht!"

Von Notz/UA: "Ich habe das Aufregerecht!"

Mindestens fünf Spitzel im Umfeld von Amri

Besonders hartnäckigen Widerstand gegen die Fragen der Ausschussmitglieder leistete die Regierungsbank, wenn es um weitere islamistische Gefährder und mögliche Erkenntnisse des BfV geht. Darunter Bilel Ben Ammar und Habib Selim, die mit Amri im Juli 2015 nach Deutschland eingereist sein sollen. Ben Ammar stand nach dem Anschlag unter Mordverdacht, er wurde inhaftiert und im Ermittlungsverfahren "City" des Bundeskriminalamtes als Beschuldigter geführt. Jedoch: Aus diesem Verfahren heraus hat ihn die Bundesanwaltschaft am 1. Februar 2017 nach Tunesien abschieben lassen. Sein Aufenthaltsort soll nicht bekannt sein.

Von der BfV-Zeugin erfährt man, dass Ben Ammar, Selim und eine dritte Person ebenfalls auf der Tagesordnung im GTAZ standen. Das war bisher nicht bekannt. Von sich aus haben die vielen Behördenvertreter, die in den Untersuchungsausschüssen zum GTAZ befragt wurden, das nicht mitgeteilt.

Auch die Nennung weiterer Namen wie beispielsweise Sabou S., Sabri Ben H. oder Ahmed J. wollten die Regierungsvertreter im Bundestagsauschuss am liebsten unterbinden. Der mögliche Grund: Sie führen zu zwei Operationen von Sicherheitsbehörden, über die bisher wenig bekannt ist: Einem Ermittlungsverfahren des BKA mit dem seltsamen Namen "Eisbär" sowie einem "Gefahrenabwehr-Vorgang" namens "Lacrima". "Lacrima" ist Italienisch und bedeutet "Träne".

Das könnte darauf hindeuten, dass es Spuren des mutmaßlichen Attentäters Amri gibt, die nach Italien führen. Dort hatte der Tunesier nach seiner Flucht vier Jahre in Haft gesessen. Von dort kam er im Juli 2015 nach Deutschland. Mit falschen italienischen Personalpapieren wurde er im Juli 2016 an der deutsch-schweizer Grenze erwischt. Nach Italien begab sich Amri nach dem Anschlag in Berlin. In Italien fand er den Tod. Und von Italien aus war auch der Lastwagen gestartet, den Amri zur Tatwaffe machte.

Was wussten polizeilicher Staatschutz und Verfassungsschutz über Anis Amri? Die Zahl der Spitzel, unter denen er sich bewegt hatte, wird größer: Da ist die "V-Person 01/Murat" des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, die derart eng an ihm dran war, dass sie ihn mindestens einmal von NRW nach Berlin gefahren hat. In der Fussilet-Moschee in Berlin agierten [5] der jetzt entlarvte V-Mann des BfV sowie ein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Berlin.

In der fundamental-islamistischen Gruppe der DIK-Moschee in Hildesheim um den Prediger Abu Walaa, zu der sowohl Amri als auch die VP 01 in Kontakt standen, hatte, wie im August 2018 die Bundesanwaltschaft mitteilte, außerdem ein "jordanischer Geheimdienst" einen Agenten plaziert: den 33-jährigen deutschen Staatsangehörigen Alexander B. Und im September 2018 erfuhr man, dass eine Kontaktperson eines der fünf Angeklagten der Abu-Walaa-Gruppe ebenfalls für das LKA von NRW tätig war: Der frühere Präsident einer inzwischen verbotenen Rockergruppe. Summa summarum: Bis dato mindestens fünf Spitzel im Umfeld von Amri - ein regelrechtes Geheimdienst-Gewimmel, das sich da abzeichnet.

Am 27. September setzt der Bundestagsausschuss seine Arbeit fort. Dabei soll es erneut um das BfV gehen.


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[1] https://www.heise.de/tp/features/Da-waren-es-schon-drei-V-Leute-im-Umfeld-von-Anis-Amri-4051931.html
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article176406285/Anschlag-Breitscheidplatz-Verfassungsschutz-hatte-einen-V-Mann-in-Amris-Moschee.html
[3] https://www.tagesschau.de/inland/amri-verfassungsschutz-101.html
[4] https://www.tagesspiegel.de/politik/geheimdienst-affaeren-verfassungsschutz-praesident-liess-berichte-zu-amri-spitzel-unterdruecken/22999444.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Da-waren-es-schon-drei-V-Leute-im-Umfeld-von-Anis-Amri-4051931.html