An ihrer Ukraine-Politik droht die Europäische Union zu zerbrechen

Seite 2: Die EU isoliert sich außenpolitisch

Mit der Ukraine Resolution und der Nominierung von Kallas zur EU-Außenbeauftragten scheint die Europäische Union nun die USA als die dominierende Pro-Kriegspartei im Ukraine-Krieg abzulösen. Nur wird sich die EU damit außenpolitisch weiter isolieren. Denn in der Welt stehen die Zeichen anders.

Die USA hatten schon unter Präsident Biden begonnen, sich aus dem Ukraine-Krieg zurückzuziehen und die Verantwortung dafür zunehmend auf uns Europäer abzuschieben.

Die Entscheidungen beim Nato-Gipfel in Washington und das neu eingerichtete Koordinationszentrum für die militärische Unterstützung der Ukraine in Wiesbaden sind dafür Anzeichen (wie auch die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland).

Sollten im November Trump-Vance die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen, wissen wir schon, dass sie, über die Köpfe der Europäer hinweg, sich mit Putin verständigen würden, um diesen Krieg zu beenden.

Aber auch eine Harris-Walz-Präsidentschaft wird sich zunehmend internen Problemen widmen und weniger Interesse an einer Fortführung des Ukraine-Krieges haben, auch um sich stärker auf die Konfliktregion im Nahen Osten und die Auseinandersetzung mit China konzentrieren zu können.

Vor allem werden die USA versuchen, die enormen Kosten dieses Krieges – und der Frieden könnte noch teurer werden – auf Europa abzuwälzen.

Hinzu kommt, dass der geforderte europäische Zusammenhalt in der Konfrontation mit Russland immer mehr Risse bekommt, und dass das eine gemeinsame Außenpolitik in der Frage des Ukraine-Krieges zunehmend unmöglich machen wird.

Der Grund liegt nicht nur in der abweichenden Haltung Ungarns, der Slowakei und im Ansatz nun auch Italiens, sondern auch darin, dass in vielen EU-Ländern politische Parteien, die für einen Verhandlungsfrieden eintreten, einen immer größeren Zulauf erhalten.

Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA könnte sich dieser Trend zugunsten einer friedlichen Konfliktlösung noch verstärken. Hintergründig könnte hier auch ein weitverbreitetes Misstrauen gegenüber einer zunehmenden militärischen und politischen Führerschaft Deutschlands eine Rolle spielen.

Aber die weitaus größte außenpolitische Herausforderung für ihre Kriegspolitik erwächst der EU vom sogenannten Globalen Süden. Am stärksten manifestiert sich das in der rasanten Entwicklung der Brics+ Staaten, die schon heute mit 45 Prozent der Weltbevölkerung und 37 Prozent der Weltwirtschaftsleistung die EU mit 5,5 Prozent der Weltbevölkerung und 14,5 Prozent der Weltwirtschaftsleistung weit in den Schatten stellen.

Nun suchen 30 weitere Länder Mitglieder der Brics+ zu werden, darunter sogar das Nato-Land Türkei. Die Brics-Staaten teilen die Kriegshaltung der EU nicht und sind durchweg für eine Verhandlungslösung. Es ist daher von großer symbolischer Bedeutung, dass das nächste Gipfeltreffen der Brics-Staaten unter der russischen Präsidentschaft im russischen Kasan im Oktober – also schon in zwei Monaten – stattfinden wird.

Wir könnten dort Zeuge einer wirklichen epochalen Zeitenwende werden, einer Zeitenwende, die die EU, in ihrer eigenen Überheblichkeit, weitgehend ignoriert. Bei allen Großmachtfantasien einer Kommissionspräsidentin von der Leyen sollte uns doch klar sein, dass Europa schon längst nicht mehr das Zentrum der Welt ist und wir demographisch, wirtschaftlich und teilweise technologisch in der Welt zurückfallen. Da hilft dann auch keine Militarisierung der EU.

Eine friedlichere Außenpolitik wäre wohl eine bessere Option. Nur dürfte Frau Kallas mit ihrer extremen Anti-Russland- und Pro-Kriegshaltung, dafür wohl die denkbar ungünstigste Besetzung sein.

Die EU schadet sich nur selbst

Mit der Entscheidung, weiterhin ausschließlich auf Krieg zu setzen und sich diese Politik auch noch parlamentarisch bestätigen zu lassen, hat die Europäische Union ihren politischen Spielraum drastisch eingeschränkt und sich selbst geopolitisch ins Abseits gesetzt.

Und obwohl der Ukraine-Krieg von existenzieller Bedeutung für die Zukunft ganz Europas ist, wird die EU bei der Lösung dieses Konfliktes wohl dadurch keine Rolle spielen. Damit verliert die EU auch an Einfluss darüber, wie eine zukünftige Friedensregelung in Europa aussehen könnte.

Unabhängig davon, wie man die Schuldfrage des Ukraine-Krieges einschätzt, ist das eine unsägliche politische Dummheit, die verhängnisvolle Konsequenzen nicht nur für die Menschen in der Ukraine, sondern eben auch für die Menschen in der EU haben wird.

Dass die Europäische Union auch nach zweieinhalb Jahren eines der brutalsten Kriege auf europäischen Boden mit hunderttausenden an Toten immer noch nicht in der Lage ist, sich von den USA zu emanzipieren und eine eigenständige alternative Friedenspolitik für Europa zu formulieren, wird den europäischen Gedanken, der auf Frieden in Europa fußt, völlig zerstören. Die Europäische Union könnte so an ihrer martialischen Ukraine Politik zerbrechen.

Michael von der Schulenburg, ehemals Assistant Secretary-General (ASG), arbeitete 34 Jahre für die Vereinten Nation und kurz die OSZE in Führungspositionen in Entwicklungs- und Friedensmissionen in vielen Krisenregionen dieser Welt, u.a. in Afghanistan, Iran, Irak, Pakistan, Haiti, Somalia, Syrien und Sierra Leone (siehe www.michael-von-der-schulenburg.com). Er hat viel zu Fragen von Krieg und Frieden, nicht-staatlichen bewaffneten Akteuren und UN-Reformen publiziert. Er ist heute Mitglied des Europaparlaments für das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Ruth Firmenich ist Politikwissenschaftlerin. Sie war 20 Jahre lang Büroleiterin von Sahra Wagenknecht und ist Gründungsmitglied der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht. Seit 2024 ist sie Mitglied des Europäischen Parlaments und arbeitet dort gemeinsam mit Michael von der Schulenburg zu Fragen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.