Angriff auf Nachdenkseiten: Als die "Zeit" Journalismus zu bewerten versuchte
Seite 2: Was kann man Lesern zumuten?
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Kann man das den Lesern nicht zumuten, weil sie eben nicht mündig und klug sind, sondern allzu aufnahmebereit für Propagandakost?
Ist dies das Bild der lesenden Bürger in einer lebendigen Demokratie, dass sie nur Medien lesen sollen, die ein TÜV-Siegel von Demokratieexperten bekommen, die Platzanweisungen verteilen, damit das Haus sauber bleibt?
Nähe zu Verschwörungsmythen
Es geht Linden aber nicht nur um Propaganda für das autoritäre und repressive russische System, sondern auch um eine von ihm vorgeworfene Nähe der Nachdenkseiten zu Verschwörungstheorien, so wie er sie detektiert hat.
Seinen Beobachtungen nach stehen die Nachdenkseiten mit Verschwörungstheorien zu 9/11 und neuerdings zum Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen im Bunde.
Lindens Argument: Beide Male werde eine These vertreten, wonach die US-Regierung im September 2001 und die israelische Regierung Anfang Oktober 2023 trotz Warnungen der Geheimdienste nicht mit nötigen Gegenmaßnahmen reagiert hätten. Das ist bis dahin ein Vorwurf, der auch in Medien kursiert, die zum akzeptierten Kanon gehören.
Die Begründungen dazu unterschieden sich, da teilen sich die Ansichten - in Parallelwelten. So wird die Passivität von einigen mit folgender Absicht erklärt: Weil die Attacke der politischen Agenda der Regierungen zupass gekommen sei.
Im aktuellen Fall des massenmörderischen und unglaublich brutalen Massakers der Hamas, begangen an Menschen in Israel, zitiert Linden Albrecht Müller, einen der Gründer der Nachdenkseiten:
Man kann davon ausgehen, dass Israel die Vorbereitung auf die Angriffe aus dem Gazastreifen wahrgenommen hat. Israel hat diese Vorbereitungen und dann auch die palästinensische Militäraktion vermutlich hingenommen, um nach den Angriffen einen weltweit publizierten und akzeptierten Grund dafür zu haben, im Gazastreifen aufzuräumen.
Albrecht Müller, zitiert nach Markus Linden
Dass israelische Geheimdienste gewarnt haben, war auch eine Nachricht bei Ha’aretz, aber der Schluss, dass "Israel diese Vorbereitungen und dann auch die palästinensische Militäraktion vermutlich hingenommen" hätten, um "aufzuräumen", findet sich nicht in dem Medium Ha‘aretz, das als sehr regierungskritisch einzuordnen ist und wegen seiner scharfen Kritik von der Regierung Netanjahu und Anhängern diskreditiert wurde.
(Ergänzung: Solche Unterstellungen wie von Müller finden sich ausgearbeitet etwa bei apolut, wo man von unterstellten Konspirationen zwischen der Israel und dem WEF ausgeht, nach dem Motto "wer im Hintergrund die Fäden zieht", - deutsche Mondscheinsonaten.)
Raunende Spekulationen
Das ist seitens Albrecht Müllers pure, raunende Spekulation. Er fällt immer wieder mal durch eigenartige Interventionen auf. Etwa durch die Unterzeichnung des "Neuen Krefelder Appells" im November 2021 mit dem Titel: Den Kriegstreibern in den Arm fallen.
Dort stehen Sätze, die durchaus als anschlussfähig für Verschwörungsmythen sehen kann, wenn diese Nähe in den Fokus gerückt wird.
Aber die Machthaber dieser Welt führen Kriege auch an neuen, andersartigen Fronten. Unter dem Deckmantel der Pandemie-Bekämpfung wird das Leben von Milliarden Menschen gefährdet. Das betrifft vor allem Länder der so genannten "Dritten Welt". Allein in Indien hat der Lockdown nach Angaben der "World Doctors Alliance" Millionen Menschenleben gekostet. Eine noch größere Gefahr geht von der "Impf"-Kampagne aus – für Milliarden von Menschen. Dahinter steht die Strategie des "Great Reset" des Forums der Superreichen, das sich "Weltwirtschaftsforum" nennt (…).
Neuer "Krefelder Appell"
Und die Meinungsfreiheit?
Es geht dem Autor dieser Zeilen aber nicht darum, kritisierbare, überreizte Inhalte der Nachdenkseiten gegenüber der Kritik Lindens in Schutz zu nehmen.
Der Autor ist da inhaltlich, – konkret, was die erwähnten Aussagen von Müller über Israel wie auch zum "Deckmantel" Pandemie-Bekämpfung betrifft, aber auch an anderen Stellen –, überhaupt nicht einverstanden, sondern findet sich auf der Gegenseite.
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Vielmehr geht es ihm darum, dass solche Platzanweisungen, wie sie Markus Linden mit seinem Propaganda-Vorwurf macht, ihrerseits in die Kritik zu nehmen sind. Weil sie den Ausschluss von anderen Sichtweisen versuchen, weil sie von oben herab mit Lesern umgehen, als handele es sich um ABC-Schüler, die es nötig haben, vom Medien-Lehrerzimmer darüber belehrt zu werden, was sie lesen dürfen.
Das ist neben Rufschädigung des Magazins, die einer Cancel-Kultur sehr nahe kommt, da sie wirtschaftliche und berufliche Konsequenzen für eine Konkurrenz auf dem Markt der Meinungsbildung hat, eine abfällige Unterschätzung der Lesekompetenz von Mediennutzern.