Antibiotika in der Massentierhaltung: Die Zeitbombe tickt weiter

"Social Distancing" geht nicht in der Massentierhaltung. Antibiotika sind gegen Viren machtlos, halten aber Bakterien in Schach - solange die nicht resistent werden. Foto: Maqi / CC-BY-SA-3.0

Strengere Vorsorge gegen multiresistente Keime scheitert im Europaparlament. Es bleibt bei schwammigen Plänen

Weltweit sind Bakterien auf dem Vormarsch, die gegen den Einsatz von Antibiotika resistent sind - mit erheblichen Folgen auch in der Europäischen Union und in Deutschland. Etwa jede fünfte Resistenz, die beim Menschen in der EU festgestellt wurde, hat ihre Ursache in der Viehzucht, wo Antibiotika präventiv ins Futter gemischt werden, damit auf engem Raum zusammengepferchte Tiere nicht reihenweise erkranken, während sie zum Teil in ihren eigenen Exkrementen stehen.

Doch wirtschaftliche Interessen scheinen stärker zu sein als die Gesundheit der Menschen: Am Donnerstag scheiterte der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling mit seinem Anliegen, strengere Regeln für die Antibiotika-Behandlung von Tieren durchzusetzen.

Häusling und der Umweltausschuss des EU-Parlaments wollten erreichen, dass künftig fünf Gruppen von Antibiotika vor allem für Menschen vorbehalten sein sollten. Nur in Ausnahmefällen hätten sie an einzelne, kranke Tiere verabreicht werden dürfen. Damit sollte der massenhafte Einsatz dieser Stoffe in der Tiermast beendet werden, um Resistenzen vorzubeugen.

Kriterien statt Verbote

Im Europaparlament fand sich allerdings keine Mehrheit für dieses Anliegen. Zuvor gab es einen Proteststurm, an dem sie unter anderem der Verband praktizierender Tierärzte beteiligt hatte. Dieser hatte eine Unterschriftenaktion gegen diese Pläne gestartet - und viele Tierhalter beteiligten sich daran. Hunde, Katzen und andere Tiere könnten künftig möglicherweise nicht mehr adäquat behandelt werden, bemängelte der Verband.

Nun bleibt es bei den schwammigen Plänen der EU-Kommission. Diese sehen keine konkrete Liste von Stoffen vor, die künftig bei Tieren verboten sein sollen. Stattdessen gibt es jetzt drei Kriterien für die Auswahl künftiger Reserveantibiotika: eine hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit, das Risiko einer Resistenzübertragung und ein "nicht-essenzieller" Bedarf in der Tiermedizin.

Am Dienstag hatte noch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) an die Parlamentarier appelliert: Das EU-Parlament solle "die Mahnung der Bundesärztekammer und anderer Humanmedizinerinnen und -mediziner ebenso wie wissenschaftliche Erkenntnisse ernst nehmen", sagte DUH-Agrarexpertin Reinhild Benning. Die tödliche Gefahr zu bannen gelinge nur, wenn der Einsatz von Reserve-Antibiotika im Futter ganzer Tiergruppen unterbunden werde.

Mit resistenten Keimen belastetes Fleisch ist legal verkäuflich

Dabei verwies die DUH auf eine Studie aus den Niederlanden. Laut dieser Studie stammen knapp 19 Prozent der bei Menschen festgestellten Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika oder sogar Reserve-Antibiotika von Lebensmitteln, allen voran Fleisch.

In Deutschland und in der EU sei es aber legal, Fleisch zu verkaufen, auf dem sich antibiotikaresistente Keime befinden - und Grenzwerte gebe es bei diesen Belastungen nicht, heißt es weiter. Die DUH hatte für eine Untersuchung Stichproben genommen. Beim Putenfleisch der Haltungsstufe 2 war demnach fast jeder dritte Testkauf mit resistenten Keimen belastet.

Erreger, die gegen Antibiotika resistent sind, sind keine Bagatelle. Offiziellen Angaben zufolge erkranken jedes Jahr rund 670.000 Menschen an sogenannten multiresistenten Erregern (MRE) und es sterben jedes Jahr 33.000 Menschen durch sie. In Deutschland erkranken nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) jedes Jahr 54.500 Menschen an MRE - rund 2.400 erliegen den Infektionen.

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