Apfel-Schock: Ernten brechen ein, Preise explodieren

Apfel, aufgeschitten, 26 Prozent

Apfelernte 2024 bricht dramatisch ein. Nur 734.000 Tonnen erwartet – 26 Prozent unter Durchschnitt. Warum bleiben so viele Bäume leer?

Die deutschen Obstbaubetriebe erwarten in diesem Jahr eine weit unterdurchschnittliche Apfelernte von rund 734.000 Tonnen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge werden voraussichtlich rund 26 Prozent weniger Äpfel geerntet als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. So wird für dieses Jahr mit 596.700 Tonnen die niedrigste Apfelernte seit 2017erwartet.

Bundesweit umfasst der Apfelanbau aktuell eine Fläche von 33.000 Hektar. Davon befinden sich 11.600 Hektar anteilig in Baden-Württemberg (Bodenseeregion) und 8.400 Hektar in Niedersachsen. Sachsen ist mit 2.300 Hektar das drittgrößte Apfelanbaugebiet. In Niedersachsen hatten Obstbauern von Mai bis Juni mit diversen Schädlingen zu kämpfen: So nagte sich die Apfelbaum-Gespinstmotte durch das Blätterwerk von Apfelbäumen.

Im Alten Land werden Frostschäden an Apfelblüten häufiger

Nach einem milden Winter blühten die Apfelbäume so früh wie nie, erklärte die Obstbauversuchsanstalt im Alten Land (Landkreis Stade). Danach wurde es noch einmal kalt, und der Frost schädigte die Blüten. Die frühen Apfelsorten wurden bereits Ende Juli bzw. Anfang August geerntet.

Insgesamt gab es weniger Äpfel als in den Vorjahren. Regional unterscheiden sich die Erträge, doch manche Obstbauern gehen von Einbußen um die 30 Prozent aus. Einige Obstbaubetriebe mussten jedoch Hagelschäden hinnehmen.

Obstbauern in östlichen Bundesländern sollen entschädigt werden

Erhebliche Ernteausfälle von bis zu 90 Prozent gegenüber dem zehnjährigen Durchschnitt gab es vorwiegend in den südöstlichen Bundesländern. So können Sachsens Obstbauern bei Äpfeln und Birnen so gut wie keine Erträge vermelden: Auch bei Pflaumen oder Pfirsichen gab es nahezu Totalausfall.

Die sächsische Landesregierung versprach den Obstbauern schnelle finanzielle Hilfe. In Sachsen-Anhalt gingen zwischen 70 und 100 Prozent der Ernten verloren. Betroffene können eine Entschädigung bis zu 40 Prozent des entstandenen Schadens beantragen. Die monetären Verluste lägen bei 25 Millionen Euro.

Brandenburg: Ertragsausfälle von mehr als 80 Prozent

Brandenburg rechnet mit einer Erntemenge von 3.200 Tonnen Äpfeln. Es erwartet den niedrigsten Ertrag pro Hektar seit 1991. Im vergangenen Jahr wurden noch 18.000 Tonnen geerntet. In Brandenburg führen die sandigen Böden in Kombination mit dem relativ trockenen Klima häufig zu Wassermangel. In manchen sehr trockenen Jahren werden zwar viele, aber kleinere Früchte geerntet.

Relativ gute Ernten am Bodensee

Am Bodensee und in Oberschwaben rechnen die Obstbauern mit etwa 247.000 Tonnen Äpfeln. Das sind 13 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, erklärt Manfred Büchele vom Kompetenzzentrum Obstbau in Bavendorf (Kreis Ravensburg).

Zum Vergleich: Im ertragreichen Jahr 2022 waren es 258.000 Tonnen. In manchen Lagen am Bodensee und in Oberschwaben allerdings litten die Obstplantagen unter Frostschäden oder späteren Pilzkrankheiten. Zwar rechne man auch auf den Streuobstwiesen im Hinterland der Bodenseeregion mit einer guten Ernte.

Allerdings hat auch hier die Qualität wegen des Regens und der kühlen Witterung im Frühjahr teilweise gelitten. In manchen Regionen gab es sogar einen Totalausfall durch Sturm und Hagel.

Höhere Preise, um Verluste auszugleichen?

Die norddeutschen Obstbauern hoffen, dass der Preis für Äpfel hochgeht, um Verluste auszugleichen. Auch die Obstbauern am Bodensee und in Oberschwaben hoffen, dass sich die geringere Erntemenge positiv auf ihre Erlöse auswirkt. Die Landwirte in der Region könnten in diesem Jahr pro Kilo Äpfel doppelt so viel bekommen könnten, statt 30 bis zu 60 Cent, schätzt Obstbau-Experte Manfred Büchele.

Voraussetzung für die höheren Erzeugerpreise sei eine gute Qualität der Äpfel. Ihm zufolge müssten sich die Preissteigerungen nicht zwingend an der Kasse im Supermarkt bemerkbar machen.

Der durchschnittliche Ladenverkaufspreis dürfte um rund zehn Prozent zulegen und in der Regel die Marke von zwei Euro pro Kilo überschreiten, erklärt hingegen Helwig Schwartau von der Agrarinformationsgesellschaft (AMI). Für Verbraucher werde zwar ein ausreichendes Angebot zur Verfügung stehen, es müssen jedoch rund 100.000 Tonnen mehr als üblich importiert werden, schätzt der Marktexperte.

Preissteigerungen für Fruchtsäfte, Apfelweine, Obstkonserven

Der Preis für Apfelsaft liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aktuell um 33 Prozent höher als 2020, der für Orangensaft sogar 57 Prozent.

Wegen der Preissteigerungen wurde bereits im Vorjahr weniger Fruchtsaft und -nektar getrunken. Die Unternehmen müssten sich mit höheren Preisforderungen an den Handel wenden, wenn sie keine roten Zahlen schreiben wollen, erklärt Christoph Freitag, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Obst, Gemüse und Kartoffel verarbeitenden Industrie. Betroffen sind Hersteller von Apfelmus und Apfelmark, von Konfitüre, Marmeladen, Obstkonserven und fruchthaltigen Brotaufstrichen.

Auch die Keltereien haben Probleme, an ausreichend Obst zu kommen. Für die Produktion sei es schwierig, an Äpfel für ein Jahr zu gelangen. Die Früchte müssten aus anderen Regionen bezogen werden. Dafür müsse man tiefer in die Tasche greifen, klagt Ralf Walther vom Verband der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien.

Ernteverluste bei Pflaumen, Zwetschen, Kirschen, Erdbeeren

Die Pflaumen- und Zwetschenernte wird mit 37.100 Tonnen voraussichtlich um rund 18 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre von 45.000 Tonnen liegen. Bereits im Vorjahr wurden mit 43.800 Tonnen vergleichsweise wenig Pflaumen und Zwetschen geerntet.

In Rheinland-Pfalz erwarten die Obstbauern mit 6.600 Tonnen eine um 40-prozentige geringere Erntemenge verglichen mit dem Zehnjahresdurchschnitt. Nur in Baden-Württemberg, der bundesweiten größten Anbaufläche von Pflaumen und Zwetschen, wird mit 21.700 Tonnen (ein Plus von 30 Prozent) eine überdurchschnittliche Ernte erwartet.

In Berlin-Brandenburg umfasst die Pflaumenernte nur 184 Tonnen. Damit wird der Negativrekord von 1996 um fast 60 Prozent unterschritten. Bei der Erdbeerenernte in Brandenburg meldete die Behörde im Juli einen Ernterückgang um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr.

Bundesweit werden aktuell auf einer Fläche von 4.100 Hektar Pflaumen und Zwetschen für den Marktobstanbau erzeugt. Auch im Kirschenanbau fielen die Ernten in den Bundesländern und regional unterschiedlich aus. In Brandenburg lagen die Ernteverluste bei 80 Prozent. Laut Bayerischen Landesamt für Statistik belief sich die Kirschenernte in Bayern auf rund 19.300 Dezitonnen – 31 Prozent weniger als im Vorjahr.

Was hat der Klimawandel mit den Ernteausfällen zu tun?

Im Frühjahr führten auftretende Spätfröste und Hagelschlag in vielen Obstanlagen zu Frostschäden und einem schlechten Fruchtansatz. Später beeinträchtigten regional feuchtkühle Witterung und ein regenreiches Frühjahr die Fruchtentwicklung und begünstigten das Auftreten von Krankheiten, Schädlingsbefall bis zu Totalausfällen.

Aufgrund der immer milderen Winter blühen die Bäume immer früher im Jahr. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es erneut frostig wird. Zwar benötigen Gehölze, um zeitig auszuschlagen, einen gewissen Kältereiz. Doch je früher die Bäume austreiben, desto anfälliger werden sie für Spätfröste. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie von 2019.

Ein weiterer entscheidende Faktor ist Wasser. Nicht in allen Regionen ist es zu jeder Zeit ausreichend verfügbar. Um die Schwankungen bei Hitze und Frost auszugleichen, benötigten immer mehr Obstbauern Bewässerungsanlagen, erklärt Helwig Schwartau (AMI). Aufgrund des Klimawandels müsse man sich darauf einstellen, dass in den kommenden Jahren in Europa weniger Obst produziert werde, ist der Agrarmarktexperte überzeugt.

Aktion "Gelbes Band": Früchte zum Ernten freigeben

Äpfel, Birnen, Pflaumen, Mirabellen, Beeren und Zwetschgen: In manchen Jahren biegen sich von Spätsommer bis Herbst die Sträucher und Bäume vor lauter Früchten. Baumbesitzer kommen mit dem Pflücken nicht mehr hinterher. Viel Obst bleibt einfach liegen und vergammelt.

Obstbaumbesitzer, die nicht selbst ernten können oder wollen, können den Stamm des Baumes mit einem gelben Band versehen – als Signal, dass der markierte Baum für Selbstpflücker "freigegeben" ist. Auf diese Weise können sich Menschen kostenlos mit gesundem Obst versorgen – für den eigenen Bedarf.

Gestartet wurde die Obsternteaktion vom Landkreis Esslingen (Baden-Württemberg). Inzwischen beteiligen sich viele weitere Regionen an der Aktion. Ob der eigene Landkreis an der Aktion teilnimmt, können Obstbaumbesitzer auf ihrer Gemeinde erfragen. Detaillierte Hinweise finden sich hier.