Appell an Ex-Linken-Abgeordnete: "Mandat weiter ausüben"

Mitglieder der Linken, ehemalige Mitglieder und Aktivisten wenden sich gegen Abgabe der Mandate. Programms von 2011 soll vertreten werden. Hier der Apell im Wortlaut.

Parallel zur angekündigten Gründung einer neuen Partei durch die ehemalige Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und weitere Abgeordnete haben am heutigen Montag knapp zwei Dutzend Mitglieder und ehemalige Mitglieder die Abgeordneten aus dem Wagenknecht-Lager in einem offenen Brief aufgefordert, ihr Mandat zu behalten.

Unterzeichnet ist das Schreiben, das Telepolis und der Berliner Zeitung vorab vorlag, unter anderem von dem Kassler Politikwissenschaftler und Friedensforscher Werner Ruf sowie dem Leipziger Linken-Politiker Volker Külow.

Nicht erst Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen hätten verdeutlicht, in welche existenzielle Krise sich die Linkspartei gebracht habe, heißt es in dem Schreiben an die "liebe Sahra" und die "lieben mitstreitenden Abgeordnete in der Bundestagsfraktion", das auf der Seite der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik veröffentlicht werden soll.

Zentraler Appell an die Wagenknecht-Anhänger in der Fraktion: "Wir möchten Euch bitten, Euer Mandat als Bundestagsabgeordnete unbedingt weiter auszuüben und im Bundestag auch weiterhin aktiv im Sinne des Erfurter Grundsatzprogramms der Linken zu wirken, wenn es zu einer Trennung bzw. der Auflösung der Bundestagsfraktion der Partei kommen sollte."

Telepolis dokumentiert den Brief in voller Länge:

Offener Brief an Abgeordnete: "Existenzielle Krise der Partei Die Linke"

Liebe Sahra, liebe mitstreitende Abgeordnete in der Bundestagsfraktion,

wir sind sehr besorgt über die derzeitige gesellschaftliche und politische Situation in Deutschland. Nicht erst die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben deutlich gemacht, in welche existenzielle Krise sich die Partei Die Linke gebracht hat.

Wir möchten Euch bitten, Euer Mandat als Bundestagsabgeordnete unbedingt weiter auszuüben und im Bundestag auch weiterhin aktiv im Sinne des Erfurter Grundsatzprogramms der Linken zu wirken, wenn es zu einer Trennung bzw. der Auflösung der Bundestagsfraktion der Partei kommen sollte.

Die Führung der Linken und ihr Funktionärskader haben viele Positionen dieses Programms verlassen, auf dessen Grundlage wir diese Partei gegründet haben bzw. in sie eingetreten sind. Das ist ein entscheidender Grund dafür, dass die Partei nicht nur einen rekordverdächtigen Aderlass an Wählern zu verzeichnen hat, besonders an das Nichtwählerlager, sondern auch einen Rekord an Austritten. Es fehlt eine wirkliche linke Kraft, die konsequent für Frieden, Völkerverständigung, soziale Gerechtigkeit, für Meinungsfreiheit und demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten und gegen Kapitaldominanz wirkt.

Denn nicht die Ziele des Erfurter Parteiprogramms, das maßgeblich von Oskar Lafontaine mit geprägt wurde, sind schuld an der derzeitigen Misere, sondern die Abwendung entscheidender Teile der Nomenklatur der Linken, die heute in und mit ihr Politik und Karriere zu machen versuchen.

Frauen bekommen keine besseren Chancen in diesem Land, nur weil man sie mit dem Placebo der geschlechtergerechten Sprache abspeist. Es geht darum Fluchtursachen zu bekämpfen und nicht die Utopie von Offenen Grenzen zu propagieren, während man selbst mit Waffenexporten Kriege anheizt und Fluchtursachen schafft.

Menschenrechte werden nicht geschützt indem man einen Wirtschaftskrieg führt, der Menschen in den sanktionierten Ländern Medikamente verweigert oder sie (wie aktuell im Falle Afghanistans) verhungern lässt, während man damit im eigenen Land den wirtschaftlichen und sozialen Niedergang forciert (wie im Fall Russland). Und schließlich: Wer, wie die Ampelparteien, den Krieg (z.B. in der Ukraine) als Mittel der Politik, Waffenlieferungen und Aufrüstung akzeptiert und sogar feiert, wendet sich nach rechts.

Gerade in der jetzigen Zeit, in der die Friedensfrage wieder grimmige Aktualität erlangt, werden die Wichtigkeit und auch die Erfolgspotentiale der Erfurter Positionen deutlich. Historisch waren PDS und Linke immer dann auch elektoral stark, wenn ihre Stimme in Kriegszeiten klar und deutlich war. Das war 1990 so, das war 1998 so, das war 2004 so. Das wäre auch jetzt so, gäbe es Personen an der Spitze der Partei, die das wollten und könnten.

Ihr, liebe Abgeordnete, seid diejenigen in unserer Partei, die sich gegen alle Schwierigkeiten für die friedenspolitischen Inhalte unseres Grundsatzprogramms, für Positionen wie "Keine Waffenlieferungen in Konfliktgebiete", "Nato überwinden durch ein neues System Kollektiver Sicherheit in ganz Europa", "Fluchtursachen bekämpfen", "Stopp der Gewalt durch Wirtschaftssanktionen", und Meinungsfreiheit weiterhin stark machen.

Dafür unser Dank.Bitte seid für uns Linke in- und außerhalb der Linken, die wir für diese Positionen im ganzen Land politisch aktiv sind, auch weiterhin unsere konsequente Stimme. Weil wir wollen, dass die Inhalte des Erfurter Programms auch weiter im Bundestag formuliert werden, möchten wir Euch bitten, einer evl. Aufforderung, Euer Mandat abzugeben, nicht Folge zu leisten.

Ihr Mandat abgeben müssten im Gegenteil diejenigen Linken, die in der Vergangenheit immer wieder gegen ihr eigenes Parteiprogramm gehandelt haben und es weiter tun.

Die Unterzeichner

Unterschriften (Stand 22.10.):

• Isabell Casel, Sprecherin Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden/ int. Politik der Linken

• Prof. Werner Ruf, Ehrenmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung

• Anja Mewes, Vorsitzende Friedensglockenverein Berlin

• Bernd Mewes, Vorstand des Deutschen Friedensrates

• Volker Külow, Sprecher Liebknechtkreis Sachsen

• Cornelia Barth, LV Bremen, ehem. Landessprecherin, Bundessprecherrat Sozialistische Linke

• Helga Lemme, Mitglied im Trägerverein der Bewegung 'Aufstehen', Ex.Mitglied

• Peter Kebsch, LV Sachsen, Leipzig

• Andreas Uhlig, Sprecher der LAG Frieden der Linken Sachsen, SV Dresden

• Benjamin Keckeis, Sprecher der SL Sachsen, SV Dresden

• Bernd Lachmann KV Potsdam-Mittelmark, Bündnis für Frieden

• Dr. Dittmar Zwingerling, LV Brandenburg

• Andreas Richter LV Brandenburg, Liebknechtkreis

• Frank Müller, LV Brandenburg, Liebkechtkreis

• Marvin Kappe, LV Brandenburg, Liebknechtkreis

• Jenny Meyer, LV Brandenburg, Liebknechtkreis

• Karin Kulow, LV Berlin, Gesprächskreis Frieden der Rosa-Luxemburg-Stiftung

• Jürgen Vogelsang, LV Sachsen, Kommunistische Plattform, Chemnitz

• Torsten Schleip, DFG-VK Leipzig

• Hauke Dressel stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Rat der Stadt Frechen.

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