Atlantik-Brücke hui, China-Brücke pfui

Chinas Premierminister in Berlin zu Gast. Bereits im Vorfeld gerieten China-Lobbyisten ins Visier von Medien und Politik. Warum das fragwürdig ist.

Der Ukraine-Krieg sei nur ein Vorspiel zu einem größeren Konflikt, sagte US-Admiral Charles A. Richard im November letzten Jahres. Er meinte einen Krieg zwischen den USA und China.

Es ist nicht selten, dass Generäle derart aus ihrer Schule plaudern, besonders wenn sie kurz vor ihrem Ruhestand Lektionen verbreiten: "Und es wird nicht lange dauern, bis wir in einer Weise auf die Probe gestellt werden, wie wir es schon lange nicht mehr erlebt haben." Charles A. Richard führte bis Dezember 2022 das United States Strategic Command. Er steht mit dieser Auffassung nicht alleine.

Dachte man lange Zeit, dass Wirtschaftsbeziehungen Kriege verhindern, so hat diese Anschauung nach Lage der Dinge viel politisches Gewicht verloren. Seit dem Ukraine-Krieg werden die Töne schriller, es gibt eine neue Härte und mit ihr eine Neigung zu militanten Frontstellungen, die militärische Schule hat ihre Stunde, wie sich das in neuen Konzepten zur Sicherheitspolitik manifestiert.

Wirtschaftspolitik wird generalstabsmäßig angegangen, Entspannungspolitik war früher, ist nur mehr softe Nostalgie?

Das betrifft nicht nur das Verhältnis zu Russland, sondern auch das Verhältnis zu China. Misstrauen dominiert jetzt. Der veränderte Ton zeigt sich etwa, wenn es um die deutsche China-Lobby geht.

Die China-Brücke

So berichtete der Tagesspiegel vor drei Jahren bei allen skeptischen Einwendungen gegenüber China (Menschenrechtsverletzungen, staatliche Repression, Desinformation, Spionage) noch mit positiven Einschätzungen über den neu gegründeten Verein China-Brücke.

"Wir brauchen mehr China-Kompetenz", wird der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich, damals führendes Mitglied des Lobby-Vereins in der Unterzeile wiedergegeben. Im Bericht vom 6. Juni 2022 liest man, dass ein solches Netzwerk "längst überfällig" sei, China sei "eine der aufstrebenden Mächte". Die Aussage stammt von Alexander Kulitz, der seinerzeit FDP-Fraktionssprecher für Außenhandel war.

Jetzt ist Alexander Kulitz kein Bundestagsabgeordneter mehr und seine Besonderheit – dass er auch Mitglied der "Atlantik-Brücke" (an der sich die Namensgebung des prochinesischen Lobbyverbands ausrichtete) ist –, nimmt sich nun noch sonderlicher aus.

Denn jetzt wird der Akzent anders gesetzt. "Wie deutsche Politiker sich für Chinas Regime starkmachen", heißt es nun im Untertitel des aktuellen Berichts des Tagesspiegel zur China-Brücke.

Man kann sich kaum vorstellen, dass ein ähnlicher Unterton angeschlagen würde, wenn über Aktivitäten der Mitglieder der Atlantik-Brücke berichtet wird. "Was genau der Verein macht, bleibt im Dunkeln", heißt es bezeichnend an einer Stelle.

Herausgestrichen werden die chinesischen Interessen, die auf eine ungebührliche Einflussnahme abzielen, die Macht der chinesischen KP ("Schlüsselrolle bei chinesischen Einflussoperationen"), auch der Vorwurf, dass dies der chinesischen Propaganda dienlich sein könnte, unterliegt dem Bericht über die China-Brücke.

Angeführt werden im Bericht auch Politiker, die zwar nicht zur China-Brücke gehören – Sigmar Gabriel (der übrigens eine maßgebliche Rolle bei der Atlantik-Brücke spielt) und Rudolf Scharping von der SPD sowie Sevim Dagdelen von der Linkspartei –, die sich aber für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China starkgemacht haben.

Naiv?

Nahegelegt wird der Leserschaft eine Parallele zu einer Fehleinschätzung der Politik gegenüber Russland. So wird der frühere Bundesinnenminister Friedrich (und frühere Vorsitzende der China-Brücke) mit der Aussage zitiert, dass eine gegenseitige Abhängigkeit "nicht negativ sein muss", und mit der Klage über eine Tendenz, "Wirtschaftsbeziehungen politisch zu instrumentalisieren". Dazu heißt es im Text:

Viele Äußerungen von Chinas Lobbyisten in Deutschland erinnern an die bis Februar 2022 verbreitete Haltung gegenüber Russland.

Tagesspiegel

Bewegen sich diese Politiker auf einer falschen Fährte, sind sie zu naiv, zu blind, sehr wirtschaftlichen Interessen verpflichtet, wie es der aktuelle Tagesspiegel-Artikel anklingen lässt? Was ist mit "Wandel durch Annäherung"? Das Medium steht mit seinen Warnungen nicht alleine.

Vor zwei Jahren berichtete auch das Handelsblatt kritisch über die China-Brücke und warnte vor "chinesischen Verhältnissen" in der Lobby-Arbeit.

Blinder Fleck

Nun ist China ein völlig anderes System als das US-amerikanische Politiksystem, die staatliche Repression war in der Corona-Krise brachial, die Warnungen haben gute Gründe. Doch steckt hinter den Warnungen vor einer Einflussnahme Pekings eine Blindheit gegenüber dem, was im westlichen Lager ebenso üblich ist. Ein blinder Fleck, was eigene Handlungen betrifft.

Wenn die deutsche Außenministerin Baerbock vor chinesischen Abhöraktionen warnt, so gibt es dafür empirische Evidenz. Die gab es aber auch über US-amerikanische Abhöraktionen, die auch Freunde, wie die frühere Bundeskanzlerin Merkel oder die französische Regierungsspitze einschlossen. Und, wie französische Politiker kürzlich aus ihren Erfahrungen berichteten, auch Unternehmen, die Konkurrenz der westlichen Partner.

Nicht zu vergessen sind auch die Enthüllungen, mit denen Snowden vor Jahren über große Abhöraktionen US-amerikanischer Geheimdienste die Welt schockierte.

Das ist der deutschen Außenministerin keine Erwähnung wert.

Das ist keine gute Ausgangsvoraussetzung für eine intelligente Sicherheitspolitik, die damit zu rechnen hat, dass China zu einer wirtschaftlichen Führungsnation wird, die Europas Wirtschaft braucht.

Die Konkurrenz

"In Berlin wird sich Regierungschef Li mit einer anderen deutschen China-Politik auseinandersetzen müssen", schreibt die Tagesschau zu den deutsch-chinesische Regierungskonsultationen. Ob dabei auch an Entspannung in der Zusammenarbeit, an Wandel durch Handel, gedacht wird?

Die chemische Industrie in Deutschland, so las man neulich, setzt "voll auf China".

Derzeit besucht der chinesische Premierminister Li Qiang mit neun Regierungsvertretern Deutschland. Es geht um Wirtschaftspolitik. Danach reist er nach Frankreich. Man kann davon ausgehen, dass er in Paris auf eine Art empfangen wird, die ihn nicht öffentlich brüskiert. Die Wirtschaftsbeziehungen zu China sind Frankreich wichtig.

Auch die USA legen offensichtlich großen Wert auf gute Beziehungen, die sich geschäftlich auszahlen. Außenminister Anthony Blinken sprach mehr als fünf Stunden lang mit dem Chef der chinesischen Diplomatie, Qin Gang. Danach speisten sie zusammen.

Es ging auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit. US-Unternehmen möchten mehr Engagement in China.