Atomkraft: Frankreich beschleunigt Fahrt in eine Sackgasse

Gesetz zum schnelleren Bau neuer AKW beschlossen: enorm teuer und riskant. In Deutschland sind Strompreise nach Abschaltung nicht gestiegen.

Bevor es um das Atomstromland Frankreich geht, zunächst eine gute Nachricht für deutsche Verbraucher. Die bringt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, mit Blick nach Bayern sarkastisch auf den Punkt: "Ich fürchte, Markus Söder muss jetzt ganz stark sein …"

Denn der bayerische Ministerpräsident hatte wiederholt prophezeit, mit der Abschaltung der letzten drei Atommeiler würden die Strompreise steigen. Söder wirbt kräftig für die Atomkraft als "Brückentechnologie".

Die Realität sieht anders aus, wie auch der frühere CSU-Heimatsender, jetzt mit deutlich unabhängigeren Tönen, verkündete. Der Bayerische Rundfunk (BR) titelte gerade: "Ein Monat Atomausstieg: Der Strom wurde sogar billiger."

Zitiert wird vom BR die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, Barbie Kornelia Haller: "Die Auswirkungen (der Abschaltung; Einf. d. A) sind extrem gering." Laut Haller wurde mehr Strom aus Erneuerbaren eingespeist als im Winter.

Experten hatten immer wieder erklärt, dass der schwer regelbare Atomstrom die Netze verstopft und dafür sorgt, dass Wind- und Solaranlagen immer wieder abgeregelt werden müssen. Auch Bruno Burger, der am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) die Datenbank Energy Charts betreut, kommt im BR-Beitrag zu Wort. Er meint, dass der Effekt der drei Atomreaktoren so klein sei, dass man ihn nur schwer erkennen könne.

Das Wetter hat viel größeren Einfluss als die drei Kernkraftwerke, und auch unsere Nachbarländer haben einen viel größeren Einfluss auf den Strompreis.

Bruno Burger, ISE

Damit zu Frankreich. Denn dass die drei Uraltmeiler in Deutschland im Winter weiter im Reservebetrieb waren, hatte mit der Situation dort zu tun. Für die Stromversorgung in Deutschland waren sie unnötig.

Atompark liefert nur wenig Strom

Frankreich musste aber im Winter Strom von Nachbarländern importieren, um den befürchteten Blackout abzuwenden.

Der Atompark liefert weiterhin nur gut die Hälfte der möglichen 61 Gigawatt. Da sich die Dürre-Situation fatal entwickelt, werden wohl wie im vergangenen Jahr alsbald Reaktoren wieder abgeschaltet oder umweltschädlich nur heruntergeregelt, damit sie nicht auch noch zu Stromfressern werden.

Im Südwesten des Landes ist die Trinkwasserversorgung nicht mehr gesichert, Schwimmbäder dürfen nicht mehr gefüllt, Autos nicht gewaschen und sogar Planschbecken nicht mehr verkauft werden.

Doch nach dem Senat hat auch die Nationalversammlung am Dienstag in Paris entschieden, "beschleunigt" in die Atom-Sackgasse rasen zu wollen. Telepolis hatte schon im Januar davon berichtet, dass Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron bis 2035 sechs neue Atomreaktoren bauen will.

Eine große Mehrheit von 399 Abgeordneten stimmte für das Gesetz zum beschleunigten Bau kerntechnischer Anlagen.

Neben Macrons Regierungspartei stimmte auch die rechtsradikale Formation Rassemblement National von Le Pen dafür, genauso wie die konservativen Republikaner, aber auch die Kommunisten. Es gab nur 100 Nein-Stimmen. Die kamen von der linken Partei La France Insoumise und den Grünen, während sich die Sozialdemokraten gar nicht positionierten und sich enthielten.

Abbau bürokratischer Hürden

Vor allem sieht das Gesetz den Abbau bürokratischer Hürden vor. Es gibt nun verkürzte Genehmigungsverfahren beim Bau der sechs Reaktoren im Umfeld bestehender Atomkraftwerke. Gestrichen wird das bisherige Ziel, den Anteil von Atomstrom bis 2035 von ursprünglich 75 auf 50 Prozent zu senken. Ursprünglich war das sogar schon für 2025 geplant.

Fraglich ist allerdings, ob das ursprüngliche Ziel überhaupt hätte eingehalten werden können: Denn der Anteil der AKW an der Stromversorgung geht ständig zurück und neue Kapazitäten kommen nicht hinzu. Jedich: Die Probleme liegen nicht etwa an langwierigen Genehmigungsverfahren.

Explodierende Preise, ständig neue Schwierigkeiten

Beim EPR-Neubau in Flamanville wechseln sich die Probleme ab. Er sollte eigentlich schon seit elf Jahren Strom liefern. Bisher liefert er aber nur immer höhere Rechnungen. Die Kosten sind von geplanten 3,3 auf fast 20 Milliarden Euro explodiert. Dazu kommen noch andere Schwierigkeiten.

Der Druckwasserreaktor EPR hat elementare Sicherheits- und Designprobleme. Deshalb soll es nun um einen "EPR 2" gehen, da der EPR Konstruktionsfehler aufweist, die zum Beispiel im chinesischen Taishan schon sehr deutlich wurden.

Derlei wurde vom Kraftwerksbauer EDF, der zwischenzeitlich wieder vollständig verstaatlicht werden musste, auch beim Neubau im britischen Hinkley Point eingeräumt.

Das Design für Hinkley Point soll jetzt teuer für französische Steuerzahler mit unsicherem Ergebnis angepasst werden. Dabei soll Großbritannien das Pilotprojekt für die sechs neuen EPR-2-Meiler in Frankreich werden. Dass die sechs Meiler bis 2035 am Netz sind, darf stark bezweifelt werden.

Selbst wenn das der Fall wäre, würden sie bestenfalls die Ausfälle altersschwacher Reaktoren kompensieren, aber keineswegs den Anstieg des Stromverbrauchs, der über E-Mobilität oder Wärmepumpen zu erwarten ist.