Atomkraft, Nein Danke: Österreichs unklare Energiezukunft
Der Hitzewinter führt die Folgen des Klimawandels vor aller Augen – und damit die Frage, woher soll das Land in Zukunft seine Energie nehmen? Nur in einem ist man sich einig: Sicher kein Atomstrom!
Ein bisschen unter Schock steht das Land schon. Schneearme und warme Winter hatte es früher bereits gegeben, aber der "Winter" 2022/23 bricht alle Rekorde. 19 Grad Celsius in der Neujahrsnacht in einer niederösterreichischen Gemeinde, vielerorts Temperaturen, wie sie an kalten Junitagen erlebbar sind. Auch in der Höhe wenig Frost. Insbesondere die warmen Nächte machen dem Skibetrieb zu schaffen. Dass es nicht mehr schneit, ist man längst gewöhnt, aber dann wird eben beschneit. Bei drei Grad plus geht das nicht mehr.
Es häufen sich die schlechten Nachrichten. Allein in Tirol elf tote Skifahrer, die von der schmalen Restschnee-Piste abgekommen waren und sich auf Wiese und Matsch zu Tode stürzten. Der durch Ischgl zu weltweiter Bekanntheit gekommene Nationalratsabgeordnete und Sessellift-Lobbyist Franz Hörl sprach von Entwicklungen, die nachdenklich machen.
Ausgesprochen wird es eher nicht, aber immer mitgedacht: Der Klimawandel ist da. Er trifft Österreich härter und schneller als erwartet. Gerade im Skitourismus gibt es keinen Plan B. Sicherlich, man lässt sich was einfallen. Es werden Hüpfburgen aufgestellt und Kinderschminken angeboten. Die betroffenen Eltern stehen daneben und grübeln: Warum sind wir vier Stunden im Auto gesessen? Die Schönheit einer Sache zeigt sich meist erst in ihrem Untergang. Die weißen Hänge waren traumhaft. Skitourismus war ein "Spitzenprodukt" und zog Millionen in die österreichischen Berge.
Durch die nun kaum mehr zu leugnenden Veränderungen kommt viel Schwung in die gerade im Land hitzig geführten Diskussionen. Wie soll es nun weitergehen? Sicherlich, sobald es mal wieder schneit, lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes vieles bedecken, aber die Tendenz ist zu eindeutig. Es sind nicht Wetterausreißer, es ist der lange Trend, der zeigt, Österreichs Winter werden braun.
Was tun gegen den Klimawandel?
Nun könnte man annehmen, der teils schockierende Wandel würde ein Umdenken beschleunigen. Es ist ja nicht nur der Winter. Die heißen und trockenen Sommer führen zu vorher unbekannt intensiven Waldbränden und das als eigentlich als wasserreich geltende Österreich muss zusehen, wie Fische verenden, weil Seen austrocknen.
Eine in Europa gerade wieder populär werdende Idee ist die Atomkraft. Polen will einsteigen, Frankreich hat große Pläne und Teile Deutschlands ärgern sich über den verfrühten Ausstieg. Schließlich könnte die Kernkraft eine "Brückentechnologie" sein, die in die klimaneutrale Zukunft hinüberhilft.
Österreich zeigt sich gegenüber diesem Lösungsansatz in überraschender Einigkeit. Parteiübergreifend und in nahezu allen Altersgruppen das gleiche Bild: Die Atomkraft wird abgelehnt. Eine aktuelle Umfrage der österreichischen Zeitung Der Standard belegt, wie verfestigt hier die recht österreichspezifische Haltung ist.
Die Befragten wurden an die problematischen Importe aus Katar und Russland erinnert und an das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad und dennoch ist sich die überwiegende Mehrheit sicher: Es muss ohne Atom gehen. Gerade mal 16% der Befragten glauben Atomkraft könne Österreich unabhängiger machen.
Der Weg anderer Länder und insbesondere der EU, die Kernkraft als grünes Investment labelt, gilt als zu bekämpfender Irrweg. Bei allem Pessimismus gegenüber der möglicherweise unaufhaltsamen Renaissance der Atomnutzung, will das Land einfach "sauber" bleiben.
Tatsächlich ließe sich argumentieren, dass Kernkraft keines der aktuellen Probleme wirklich löst. Der CO2-Ausstoß ist geringer, aber nicht null. Die nötigen Brennstoffe sind nicht unerschöpflich vorhanden, sie wären vermutlich sogar noch vor Kohle und Erdöl aufgebraucht. Und auch Uran und Plutonium müssten aus politisch "schwierigen" Regionen beschafft werden.
Schlimmer noch, die neuen Kernkraftwerke wurden immer komplizierter und teurer. In Finnland und Frankreich baute man Jahrzehnte an neuen Meilern. Die sind sicherlich gespickt mit Verbesserungen und gelten als sicherer, nur in welcher Relation steht dies zu den Errichtungskosten und der Dauer? Schon sowjetische Wissenschaftler stöhnten: Die Atomtechnik sei einfach zu komplex, um wirtschaftlich effizient genutzt zu werden.
Kurioserweise hat sich die österreichische Sozialdemokratie mit dem Nein zur Atomkraft am schwersten getan. Bruno Kreisky war ein Fan der "Revision" Eduard Bernsteins. Industrialisierung nütze den Arbeitern, sie werden reicher und ihr Leben wird besser, deshalb immer her mit den Großkraftwerken!
Große Industrieprojekte waren einfach "sexy"; und der spätere SPÖ-Bundespräsident Heinz Fischer wollte über das per Volksabstimmung stillgelegte einzige österreichische Kernkraftwerk Zwentendorf neu abstimmen lassen. Im Frühjahr 1986. Dank der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl das schlechtmöglichste Timing.
Grundproblem Grundlast
Wenn die großindustrielle Lösung der Kernspaltung vom Tisch ist, was aber dann? Geht es vielleicht mit vielen kleinen Kraftwerken? Eine charmante Idee und einiges wurde in diese Richtung bereits unternommen. Österreich hat viel Wasserkraft, zumindest wenn die Sommer nicht zu heiß werden und die ist wohlgelitten. Ebenso kann man sich in Österreich mit Solaranlagen anfreunden. Bei der Windkraft gibt es auch Akzeptanz, wenn auch gewisse ästhetische Bedenken.
Die Widerstände gegen landschaftsverschandelnde Energiegewinnung sind lokal zuweilen groß, schließlich braucht man den Tourismus. Mit Sonne und Wind sollte es aber grundsätzlich gehen, zumindest was den Rückhalt in der Bevölkerung betrifft. Wären da nicht ein paar technische Probleme. Das Gespenst der Dunkelflaute geht um.
Selten, aber doch manchmal weht in Mitteleuropa kein Lüftchen in der Nacht. Windkraft und Solar fallen deshalb naturgegeben aus. Jetzt müssten in einer klimaneutralen Welt Pumpkraftwerke (Speicherkraft) und Wasserkraft einspringen. Die Berechnungen zeigen, wie weit Österreich von dieser Absicherung entfernt ist. Die Leistung der bestehenden Anlagen ist zu gering, der Bau neuer wäre wiederum ein enormer Eingriff in Natur und Landschaft.
Eine elegante Lösung versprach man sich von Biogasanlagen. Es gibt viel Landwirtschaft und die könnte ihre Abfallstoffe als Wertstoffe anbieten. Ein makelloser Plan. Allerdings, die Leistung der zeitweilig sehr gehypten Biogasanlagen in Österreich hat sich kurioserweise in den letzten Jahren sogar wieder reduziert. Dabei haben der Ukraine-Krieg und die Verteuerung des Erdgases dem Biogas in die Karten gespielt.
Das erhoffte "Grüngaswunder" bleibt aber in fehlenden rechtlichen Bestimmungen, der von verschiedenen Akteuren erschwerten (aber durchaus möglichen) Einspeisung ins Gasnetz und überhaupt viel politischem Streit stecken. Der zentrale Knackpunkt: Mit Biogas könnte die bestehende technische Gasinfrastruktur weiter erhalten werden. Also beispielsweise die Hundertausenden an Gasthermen in Wohnungen.
Oder aber, das Biogas solle besser nur dort eingesetzt werden, wo Strom (eben auch der Atomstrom) nicht aushelfen kann, etwa bei vielen Prozessen der Großindustrie und dem Schwerlasttransport. Eine Entscheidung über die genaue Zukunft des Biogases steht aus, der Kampf zwischen Bauernverbänden und Umweltministerium gärt buchstäblich.
Die Frage bliebe, ob Österreich überhaupt genügend in Gas verwandelbaren, Mist produzieren kann, um weiter Raumwärme mit Gas zu erzeugen. Die einen sind optimistisch, die anderen halten es für absurd. Einfach wird es sicher nicht, das Land in eine klimaneutrale Zukunft zu führen.