Atomkraft in Deutschland: Warum die Wirtschaft das AKW-Comeback ablehnt

Matthias Lindner
Blick auf das AKW Isar

Konservative Politiker fordern ein Comeback der Kernkraft. Doch RWE-Chef Krebber hält das für unrealistisch. Warum Kernenergie für die Stromkonzerne kein Geschäft mehr ist.

Konservative, egal ob von Christdemokraten oder von der Alternative für Deutschland (AfD), sind von der Kernenergie angetan. Sie spielen im Wahlkampf mit dem Gedanken, die umstrittene Energiequelle in Deutschland wiederzubeleben. Angesichts der anhaltenden Energiekrise scheint das eine schlüssige Lösung zu sein. Doch die Energiewirtschaft winkt ab – und das mit guten Gründen.

Krebber: Atomausstieg längst beschlossene Sache

"Die Entscheidung, Kernkraftwerke abzuschalten, wurde bereits 2011 getroffen", stellte Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, auf einer Bloomberg-Veranstaltung in Frankfurt klar. "Alle Betreiber haben das eingeplant, sodass kein qualifiziertes Personal zur Verfügung steht."

Statt einer Rückkehr zur Kernkraft benötige Deutschland nun "eine Strategie, wie wir die Versorgungssicherheit tatsächlich gewährleisten und wie wir Kernkraft und Kohle ersetzen können", so Krebber weiter. Als richtigen Weg sieht er den Bau neuer Gaskraftwerke, kritisiert aber, dass die Pläne zu langsam umgesetzt würden.

Hohe Hürden für ein Atom-Comeback

Die Bedenken des RWE-Chefs sind nachvollziehbar. Denn eine Wiederbelebung der Atomkraft in Deutschland wäre mit immensen Herausforderungen verbunden:

  • Finanzierung: Nur der Steuerzahler könnte zu einem solchen kostspieligen Abenteuer gezwungen werden. Für die Stromkonzerne selbst scheint die Kernkraft heute wirtschaftlich nicht mehr attraktiv.
  • Fachkräftemangel: Die meisten ehemaligen Beschäftigten der Atomkraftwerke dürften inzwischen im Ruhestand sein oder die Branche gewechselt haben. Bei der angespannten Fachkräftesituation wäre eine Anstellung im politisch umstrittenen Kernenergiesektor kaum die erste Wahl.
  • Betriebsrisiken: Um wirtschaftlich zu sein, müssten Kernkraftwerke wie früher Vorrang vor anderen Energieträgern haben. Doch das würde Investitionen in günstigere Erneuerbare entwerten. Auch die hohen Betriebsrisiken schrecken ab, für die kein Versicherer geradestehen will.
  • Endlagerung: Bevor auch nur an neue Atommeiler gedacht werden kann, müsste die Frage der Endlagerung und ihrer Finanzierung geklärt sein. Doch niemand kann die Kosten dafür seriös abschätzen.

RWE setzt auf Erneuerbare statt Atom

RWE, einst Deutschlands größter Atomstromproduzent, hat den Kurswechsel längst vollzogen. Der Konzern zählt heute zu den weltweit führenden Anbietern erneuerbarer Energien und will bis 2040 klimaneutral werden. Allein im vergangenen Jahr investierte RWE acht Milliarden Euro in den grünen Umbau.

"Es wird in Deutschland kein privates Unternehmen geben, das Geld in neue Kernkraftwerke investiert", brachte es auch E.on-Chef Leonhard Birnbaum auf den Punkt. "Ich könnte keinem einzigen internationalen Investor erklären, warum das nach dem Hin und Her um die Kernkraft eine gute Idee sein sollte."

Rückkehr zur Kernkraft wäre Sargnagel für Energiewende

Für die Befürworter einer Renaissance der Kernenergie in Deutschland sieht es düster aus. Nicht nur die enormen Kosten und ungeklärten Risiken sprechen dagegen. Eine Rückkehr zur Atomkraft wäre auch der Sargnagel für die Energiewende.

Denn die volatilen Erneuerbaren benötigen flexible Backup-Kapazitäten, um Dunkelflauten zu überbrücken. Kernkraftwerke sind dafür denkbar ungeeignet. Weitaus sinnvoller und kostengünstiger sind Speicher, deren Preise im Sinkflug sind.

Die Forderung nach einem Rückbau der Erneuerbaren, wie sie manche Politiker erheben, gefährdet zudem das Investitionsklima. Energieprojekte sind auf Jahrzehnte angelegt. Werden bestehende Anlagen aus politischen Gründen vorzeitig abgerissen, gerät die gesamte Finanzierung der Energiewirtschaft ins Wanken.