Auf Zuruf des Inlandsgeheimdienstes

Die Universität Hamburg schiebt der Konferenz in diesem Jahr einen Riegel vor. Foto: Merlin Senger / CC-BY-SA-3.0-migrated

Konferenzen der Reihe "Die kapitalistische Moderne herausfordern" fanden bisher in den Räumen der Uni Hamburg statt. Deren Präsident unterband dies nun – weil der Verfassungsschutz PKK-Nähe unterstellt.

"Die kapitalistische Moderne herausfordern" ist der Titel einer Konferenzreihe, die seit Jahren in der Universität Hamburg stattfand – zuletzt 2017. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) organisiert sie gemeinsam mit "Network for an Alternative Quest". Für das Osterwochenende ist die vierte Konferenz dieser Art geplant. Rund 1.300 Teilnehmende haben sich angekündigt.

In Podiumsdiskussionen und Workshops mit internationaler Beteiligung geht es um Fragen der globalen Gerechtigkeit, um Möglichkeiten, die Klimakrise zu bewältigen und patriarchale Gewalt zu beenden – aber voraussichtlich dieses Mal nicht in den Räumen der Universität Hamburg.

Der neue Universitätspräsident Prof. Dr. Hauke Heekeren hat der Veranstaltung entzogen, nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz intervenierte. Das mag auf den ersten Blick verwundern, denn seit der letzten Konferenz dieser Art hat die Zahl der prominenten Stimmen, die im Zusammenhang mit der Klimakrise das profitorientierte Wirtschaftssystem in Frage stellen, eher zu- als abgenommen. Auch der Weltklimarat würde nicht bestreiten, dass der fossile Kapitalismus Treiber der Katastrophe ist. Eine Extremposition ist das jedenfalls nicht.

Gleichwohl folgt das Präsidium der Uni Hamburg der Lesart des Inlandsgeheimdienstes und stuft die Konferenz als extremistisch ein. Festgemacht wird dies an der angeblichen Nähe von Konferenzbeteiligten zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – und einer Referentin, die zwar einer anderen Partei angehört und Abgeordnete der türkischen Nationalversammlung ist, aber zeitweise als Strafverteidigerin zum Anwaltsteam des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan gehörte: Ebru Günay.

Auch an der Internationalen Initiative "Freedom for Abdullah Öcalan – Peace in Kurdistan" und dem Kurdischen Zentrum Civaka Azad, die Teil des Veranstaltungsnetzwerks sind, stört sich der Verfassungsschutz.

Wahlkampf im Nato-Partnerland – und an der Diaspora

Ebru Günay ist eine der stellvertretenden Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP) an, die im Gegensatz zur PKK weder in der Türkei noch in Deutschland verboten ist. Die HDP rechnet allerdings in der Türkei mit einem Verbot und unterstützt daher bei der Wahl am 14. Mai die Yeşil Sol Parti (Grüne Linkspartei).

Der Wahlkampf zwischen den dortigen Regierungsparteien AKP und MHP und der Opposition wird auch innerhalb der türkisch-kurdischen Community in Deutschland ausgetragen – einschließlich nationalistischer Reden von Politkern der Regierungsparteien. Auch vor diesem Hintergrund sind die Intervention des deutschen Inlandsgeheimdienstes und die Entscheidung des Universitätspräsidenten brisant. Sie könnte als Versuch gelesen, Stimmen der Opposition, die in der Türkei Repressalien ausgesetzt ist, auch hier mundtot zu machen.

Der AStA protestierte bereits nach deren Bekanntwerden am Montagabend gegen "diesen Angriff auf die Organe der studentischen Selbstverwaltung, die Autonomie der Wissenschaft und die Meinungsfreiheit im Allgemeinen". Zudem stellte das Gremium die Frage, ob Hauke Heekeren "seine Amtszeit wirklich in den Dienst politischer Zensur stellen" wolle. Auch den Hinweis auf extremistische Bezüge des Verfassungsschutzes selbst konnte sich der AStA nicht verkneifen: In Hamburg habe es nie einen Untersuchungsausschuss zu dessen Verstrickungen in den NSU-Skandal gegeben.

Das Organisationsteam der Konferenz hoffte noch bis Mittwoch, dass das Uni-Präsidium den Beschluss noch rückgängig machen würde. Nun stehen Ersatzräume im Bürgerhaus Hamburg-Wilhelmsburg zur Verfügung – laut einem Bericht der kurdischen Nachrichtenagentur ANF soll die Konferenz nun dort stattfinden. Allerdings könnte es Probleme mit der Infrastruktur geben, denn um internationale Beteiligung zu ermöglichen, sollten die Veranstaltungen der Konferenz simultan übersetzt werden – in Arabisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Kurdisch, Spanisch und Türkisch.